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Lichtverschmutzung: Vom Licht vergrämt

Ökologen wie Daniel Lewanzik beobachten immer häufiger, dass Fledermäuse durch Lichtverschmutzung beeinflusst werden. Im Interview mit "Spektrum.de" berichtet der Forscher vom Berliner Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung (IZW), warum manche Arten dabei Vorteile haben - viele jedoch benachteiligt sind.
Fledermäuse auf Nahrungssuche

Spektrum.de: Herr Lewanzik, wie sehr Fledermäuse von Licht gestört werden, vermutet man vielleicht nicht unbedingt. Schließlich sind die Tiere hauptsächlich in der Nacht unterwegs und von Licht scheinbar unabhängig. Wie kommt es, dass sie trotzdem beeinflusst werden – vor allem durch künstliche Lichtquellen?

Daniel Lewanzik | Der Biologe beobachtete für seine Doktorarbeit in Costa Rica tropische Fledermäuse, die sich von Früchten ernähren. Dabei machte er eine erstaunliche Entdeckung, welche die Aufmerksamkeit des Mitarbeiters des Berliner Leibniz-Instituts für Zoo- und Wildtierforschung (IZW) auf das Thema Lichtverschmutzung zog.

Daniel Lewanzik: Fledermäuse orientieren sich zwar mit Echoortung, aber sie haben natürlich auch Augen, mit denen sie teilweise wirklich gut sehen; und diese sind lichtempfindlich. Teichfledermäuse werden beispielsweise durch Kunstlicht in ihren Flugrouten gestört. Und wie eine Studie aus England gezeigt hat, werden auch andere Fledermausarten wie Hufeisennasen- und Mausohrfledermäuse durch Licht vertrieben. In dieser Studie wurde deren ursprünglich genutzter Flugkorridor in einem Abschnitt mit Straßenlaternen beleuchtet. In späteren Beobachtungen hat man dann festgestellt, dass die Fledermäuse aus diesem Gebiet verschwunden waren. Sie sind wahrscheinlich andere Wege geflogen und mussten möglicherweise mehr Energie für längere Flüge investieren. Oder sie haben ihre profitablen Jagdhabitate gar nicht mehr erreicht und konnten daher weniger Insekten erbeuten.

Sind es denn nur die Flugrouten der Tiere, die durch Laternen, Fassadenbeleuchtung oder andere Lichtquellen beeinträchtigt werden?

Nein. Ein ganz wichtiger Faktor ist zum Beispiel auch die Beleuchtung von Quartieren. Viele Fledermäuse haben ihr Tagesquartier in Dächern oder alten Monumenten, die nachts oft angestrahlt werden. Man konnte zeigen, dass Fledermäuse später oder in geringerer Stückzahl ausfliegen, wenn der Eingang zu ihrem Quartier beleuchtet ist. Manche bleiben auch ganz im Quartier – nachts, wenn sie eigentlich jagen würden. Dann verfügen sie über weniger Zeit, um zu fressen, und das kann sich sogar auf die Jungtiere auswirken. Die entwickeln sich in derart benachteiligten Quartieren schlechter – also langsamer bezüglich Körpergröße und Körpermasse. Wenn sich diese Verzögerung bis zum Winter hält, haben sie eine geringere Überlebenschance.

Werden alle Fledermausarten vom Licht gestört?

Das ist ein durchaus zweischneidiges Schwert. Im Sommer kann man beispielsweise oft sehr gut beobachten, wie einige Fledermäuse ins Laternenlicht flattern, um Insekten zu jagen, die sich dort sammeln. Es wurde sogar spekuliert, ob die Zunahme mancher Zwergfledermauspopulation dadurch begünstigt wird: Diese Art hat anscheinend kein Problem damit, im Licht der Lampen zu jagen. Das ist aber leider nur eine der ganz wenigen Arten, die von dem künstlichen Licht profitieren.

Wer leidet?

Hufeisennasenfledermäuse sind zum Beispiel recht lichtempfindlich und benötigen wohl dunkle Jagdreviere. Ihre Populationsgröße hat in den letzten Jahrzehnten im Gegensatz zur Zwergfledermaus stark abgenommen. In einer Schweizer Studie wurde gezeigt: Das Nahrungsspektrum beider Arten ähnelt sich stark, und sie konkurrieren daher eventuell um die Nahrungsressourcen. Vermutlich hat das künstliche Licht der Laternen die Insekten der Umgebung wie ein Staubsauger angezogen, so dass diese Nahrungsquelle in den angrenzenden dunkleren Regionen den Hufeisennasen nicht mehr zur Verfügung stand. Für die eine Art mag das Licht also ein Vorteil sein, für die andere ist es aber gleichzeitig wiederum ein Nachteil. Solche Zusammenhänge untersuchen wir auch gerade im Rahmen des Projekts "Verlust der Nacht", für das im Westen von Brandenburg ein künstliches Lichtfeld gebaut wurde. Da betrachten wir unter anderem, wie sich das ganze Nahrungsnetz verändert, wenn Licht in eine vormals unbeleuchtete Landschaft eingebracht wird. Diese Zusammenhänge sind noch völlig unklar.

Betrifft Lichtverschmutzung nur die heimischen Arten?

Nein, das ist ein weltweites Phänomen. Wir forschen zum Beispiel auch im Regenwald Costa Ricas mit Carollia-Fledermäusen; das sind fruchtfressende Arten. Wir hatten dabei ursprünglich beobachtet, dass ein bestimmter Busch vor unserem Bürogebäude nie richtig abgeerntet war, obwohl die Früchte für Fledermäuse eine wichtige Ressource darstellen. Das Gewächs stand zufällig im Lichtkegel einer Sicherheitsbeleuchtung, die Tag und Nacht angeschaltet war. Deshalb vermuteten wir, es könnte an dem Licht liegen – was wir dann tatsächlich auch unter experimentellen Bedingungen in einem Flugkäfig nachweisen konnten. Man muss bedenken, dass zum Beispiel die Familie der Piperaceen – zu denen der besagte Busch gehört – in den Tropen zu den wichtigsten Pionierpflanzen auf offenen Flächen zählt. Und da Fledermäuse dort wichtige Samenverbreiter sind, hat dieser Meideeffekt weit reichende Konsequenzen, etwa wenn es um die Wiederbewaldung geht.

Aus welchen Gründen bleiben die Tiere weg?

Blattnasenfledermäuse | Zwei Mitglieder der Art Carollia sowelli, die von künstlichem Licht selbst von bevorzugten Fruchtquellen verscheucht werden.

Wir können im Moment nur Vermutungen anstellen. Das häufigste Argument lautet: Sie sind in der Dunkelheit vor Greifvögeln besser geschützt. Sogar mitten in Berlin bin ich schon einmal Zeuge davon geworden, wie eine Fledermaus derart vom Himmel geholt wurde. Allerdings gibt es weltweit nur wenige Greifvögel und Falken, die tatsächlich in der Dämmerung oder nachts aktiv sind – im Gegensatz zu Eulen, die ebenfalls Fledermäuse erlegen können. Man kann ebenso argumentieren, die Augen der Fledermäuse haben sich so entwickelt, dass sie unter ganz geringen Lichtintensitäten noch sehen können. Vermutlich sind ihre Sehpigmente schon bei verhältnismäßig schwachem Licht gesättigt. Man kann sich das so vorstellen, als würde man von einem dunklen Raum plötzlich in einen sehr hellen Raum kommen, dann sieht man ja ebenfalls eine kurze Weile nichts. Ähnlich dürfte es den Fledermäusen gehen, die aus einem dunklen Wald in die gleißende Zivilisation fliegen – sie wären dann ebenso geblendet. Aber sicher ist das nicht. Es fehlen noch weitere Experimente, um diese Vermutung zu belegen.

Was stört die Tiere am Licht? Ist das nur die Helligkeit, oder gibt es noch andere Faktoren?

Sowohl als auch. Es kann die Helligkeit ebenso wie die Farbe sein. Es gibt schließlich verschiedene Arten von Straßenlicht, etwa orangefarbenes Natriumdampflicht oder Quecksilberdampflichter und LED, die beide weißes Licht ausstrahlen. Sie haben alle unterschiedliche Spektren: Die alten Quecksilberdampflampen haben beispielsweise einen höheren UV-Anteil, weshalb sich dort auch mehr Insekten sammeln als an Natriumdampflampen. Grundsätzlich nimmt man aber an, dass die Intensität des Lichts entscheidend ist.

Wie müsste man die Lichtquellen verändern, damit sich ihr Einfluss mindert?

Das Wichtigste ist, sich überhaupt der Problematik Lichtverschmutzung bewusst zu werden. Für viele Leute ist Licht so normal, dass sie sich über die Auswirkungen gar nicht im Klaren sind. Heutzutage wird alles Mögliche beleuchtet, Denkmäler, Straßen sowieso, aber auch einfach Häuser oder irgendwelche Wege. Dabei könnte man an vielen Stellen das Licht einfach reduzieren. Je nach Notwendigkeit könnte man entweder ganz darauf verzichten oder zumindest die Intensität verringern. Oft ist eine so hohe Lichtfülle gar nicht nötig, damit es seinen Zweck erfüllt. Außerdem sollte man darüber nachdenken, wann das Licht benutzt wird. Die Technik gestattet es ja mittlerweile, zum Beispiel Straßenlaternen durch Bewegungssensoren zu steuern. Gerade in Randbezirken, wo nicht ständig Passanten laufen, kann auf diese Weise die Lichtverschmutzung drastisch reduziert und eine große Menge Energie gespart werden. Das wirkt sich schließlich sogar sehr deutlich auf den Geldbeutel aus.

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