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Astrochemie: Vom Sternenstaub zum Leben

Kosmische Staubkörner haben offenbar keine einfachen, regelmäßigen Formen und sind daher mit weniger Eis ummantelt als bislang angenommen. Das begünstigt chemische Reaktionen, bei denen organische Moleküle entstehen.
Wolke aus Gas und Staub im Carina-Nebel

Eine Gruppe von Astronomen des Max-Planck-Instituts für Astronomie (MPIA) und der Universität Jena hat herausgefunden, dass kosmische Staubkörner offenbar keine einfachen, regelmäßigen Formen haben, sondern eher lockere mit vielen Verästelungen. Das hat zur Folge, dass sie nicht wie bislang angenommen stets mit einer dicken, sondern teilweise mit einer vergleichsweise dünnen Eisschicht bedeckt sind. Was auf den ersten Blick unspektakulär klingt, hat tief greifende Konsequenzen für die Art und Weise, wie im Weltall auf diesen Staubteilchen komplexe organische Reaktionen ablaufen. Womöglich kommen beispielsweise solche, die für die Entstehung von ersten organischen Molekülen verantwortlich sind und somit auch für den Ursprung des Lebens auf der Erde eine wichtige Rolle gespielt haben, häufiger vor als vermutet.

Für ihre Experimente trugen die Wissenschaftler mittels eines Lasers von einer Graphitprobe winzige Bruchstücke mit einem Durchmesser von nur wenigen Nanometern ab. Auf diesen künstlichen Staubkörnern untersuchten sie dabei unter möglichst realistisch nachgebildeten Weltraumbedingungen verschiedene Arten von Eisbildung auf der Oberfläche. Im Gegensatz zum Standardbild der Astrochemie, das von Staubkörnern ausgeht, die wie eine Zwiebel vollständig mit mehreren Schichten aus festem Eis bedeckt sind, fanden die Forscher bei ihren Staubkörnern komplizierte Formen, auf denen sich teilweise nur dünne Eisschichten bildeten.

Das liegt vor allem daran, dass die Gesamtoberfläche der verästelten Staubkörner um den Faktor von einigen hundert größer ist als bei einfacheren Formen. Die in den kosmischen Molekülwolken verfügbare Wassermenge reicht daher lediglich noch aus, um an manchen Stellen dickere Schichten zu bilden, während an anderen Stellen nur eine einzige Schicht von Eiskristallen vorhanden ist. Unter solchen Bedingungen sind die potenziell ablaufenden chemischen Reaktionen anders als auf Staubkörnern mit dickem Eismantel, weil sie davon abhängen, welche Moleküle auf der Oberfläche haften bleiben, wie sich diese Moleküle bewegen und auf welche anderen Moleküle sie treffen. Außerdem kommen so einige der Moleküle direkt mit der Oberfläche der Staubkörner in Kontakt. So können die Partikel als Katalysator wirken, also die Geschwindigkeit bestimmter chemischer Reaktionen verändern. Manche Vorgänge, die zur Bildung organischer Moleküle führen, würden in solchen »kosmischen Minilaboratorien« viel häufiger auftreten, so die Autoren.

Insgesamt seien die neuen Ergebnisse zusammen mit weiteren, ähnlichen Ergebnissen aus früheren Experimenten »ein Weckruf für die astrochemische Gemeinschaft«, wie das MPIA in einer Pressemitteilung schreibt. »Wer die chemischen Reaktionen im interstellaren Medium verstehen möchte, sollte tunlichst die einfachen Modell-Staubkörner mit ihren dicken Eis-Zwiebelschalen hinter sich lassen.« Und ein Hauptautor der Studie, Alexey Potapov, wird folgendermaßen zitiert: »Für uns ist mit den Staubkörnern ein ganz neuer Mitspieler in die kosmische Astrochemie eingestiegen. Jetzt, wo wir wissen, dass er da ist, haben wir eine bessere Chance, die grundlegenden chemischen Reaktionen zu verstehen, die sich letztlich bis zur Entstehung von Leben im Universum verfolgen lassen sollten.«

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