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News: Vom Ursprung des Lebens

Auf der Suche nach Hinweisen, wie Leben auf der molekularen Ebene begann, haben Wissenschaftler bisher die beiden Nukleinsäuren DNA und RNA als die Favoriten angesehen - wegen ihrer seltenen Fähigkeit, sich zu replizieren und an Veränderungen anzupassen. Jetzt wurde jedoch erstmals ein System aus vier Peptiden entwickelt, das sich ebenfalls selbst vermehren und adaptieren kann. Die Überlegungen über den Ursprung des Lebens sind somit wieder offener.
Jean Chmielewski von der Purdue University in Indiana entwickelte dieses auf vier Peptiden basierende System. Es kann sich selbst replizieren und ist in der Lage, sich Veränderungen in der Umgebung anzupassen (Nature, vom 3. Dezember 1998). "Die Wissenschaftler suchten lange nach den einfachsten selbst-replizierenden Systemen, um herauszufinden, wie das Leben begonnen haben könnte. Die bevorzugten Moleküle dabei waren DNA und RNA, weil sie sich in lebenden Organismen replizieren. Die Möglichkeit anderer selbst-replizierender Moleküle wurde aber immer in Erwägung gezogen, obwohl man sie lange nicht kannte", sagte die Forscherin.

In den letzten 20 Jahren fand man heraus, daß sich einige Moleküle auf Nucleotid-Basis selbst replizieren können. Vor zwei Jahren zeigte eine Forschergruppe des Scripps Research Institute, daß einige Peptide (kurze Ketten von Aminosäuren) sich ebenfalls selbst replizieren können. Allerdings fehlte diesen Molekülen eine wesentliche Fähigkeit: die Kreuz-Replikation. Dieses Kunststück erlaubt es Nukleinsäuren, sich durch die Verwendung komplementärer Moleküle zu replizieren.

Selbst-Replikation würde stattfinden, wenn Proteine (lange Aminosäureketten) mit Peptid-Fragmenten eine Wechselbeziehung eingehen, um identische Kopien ihrer selbst zu produzieren. Zum Beispiel könnte das Protein AB mit den Peptiden A und B zusammenwirken, um die Synthese eines weiteren AB-Proteins zu katalysieren. Bei der Kreuz-Replikation würden die Proteine mit komplementären Peptid-Fragmenten zusammenwirken und eine neue Art von Molekül bauen. So könnte das Protein AB mit den Peptiden C und D zusammenwirken, um ein CD-Protein zu bilden. "Diese kreuz-replizierenden Moleküle sind diejenigen Moleküle, die tatsächlich das Potential besitzen, Leben aufzubauen", sagt Chmielewski. "Wir glauben, daß innerhalb einer lebenden Zelle so gut wie keine Substanz ihre eigene Produktion katalysiert. Wenn man also über ein theoretisches System redet, das Leben erzeugen kann, benötigt man ein chemisches System, in dem sowohl Selbst- wie auch Kreuz-Replikation stattfindet."

Das Scripps-Team entwickelte vor kurzem ein System mit drei Peptiden, das sich durch vier verschiedene chemische Reaktionen selbstreplizieren und kreuzreplizieren konnte. Daraufhin wollten Chmielewski und ihre Gruppe ein noch komplexeres Replikationssystem auf Peptid-Basis erzeugen. Sie entwickelten ein System mit vier Peptiden, das elf verschiedene chemische Reaktionen durchführen konnte. "Dies ist das komplexeste Replikationssystem seiner Art bis heute", sagt sie.

Vier Peptid-Fragmente namens E1, E2, K1 und K2 wurden als Ausgangsmaterial verwendet, um vier Proteine zu erzeugen: E1E2, K1K2, E1K2 und K1E2. Die Studie zeigte, daß die vier Proteine sich durch Selbst-Replikation reproduzierten und daß sie insgesamt sieben Kreuz-Replikations-Pfade benutzten, um zusätzliche neue Kopien anzufertigen. "Unsere Arbeit zeigt eindeutig," so die Forscherin, "daß Peptide bei der Diskussion über die Art des molekularen Ursprungs von Leben mit in Betracht gezogen werden sollten."

Darüberhinaus wies die Gruppe nach, daß Veränderungen in der Umgebung der Reaktion tiefgreifende Auswirkungen auf die Peptid-Typen hatte, die gebildet werden konnten. "Nimmt man die vier Peptide zusammen, dann haben sie das Potential, alle Produkte zu bilden. Wir können jedoch die Umgebung der Reaktion verändern, beispielsweise den pH-Wert oder die Salzkonzentration, und nur ein einziges Molekül kann sich selbst replizieren und der Rest geht verloren", sagt Chmielewski. Diese Fähigkeit, angesichts von Veränderungen in der Umgebung zu überleben und sich zu vermehren, ist die Grundlage der Darwinschen Auslese. "Sie könnte die Evolution von frühen Lebensformen im Verlaufe der Zeit ermöglicht haben. Es ist interessant sich vorzustellen, daß vielleicht in einem sehr frühen System nur bestimmte Moleküle für die Bildung von Leben verwendet wurden, während andere außen vor blieben", sagt sie.

Obwohl ihre Studie dazu beitragen könnte, die derzeit vorherrschende Ansicht, wie Leben auf der Erde entstanden sein könnte, zu erweitern, weist die Forscherin darauf hin, daß wir die Antworten vielleicht nie erfahren werden. "Es gibt keine wirkliche Möglichkeit, dies zu beweisen oder eine Zeitreise in die Vergangenheit zu machen und nachzuschauen, wie das Leben begann", sagt sie. "Wir können nur zeigen, daß verschiedene Arten von Molekülen in der Lage sind, sich auf verschiedene Weise zu replizieren, und daß diese Moleküle bei der Erschaffung von Leben eine Rolle gespielt haben können."

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