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News: Vom Virus verweht

Forscher nutzen ein modifiziertes Virus als elegante neue Waffe gegen Krebs - infiziert es einen Tumor, begehen dessen Zellen freiwillig Selbstmord.
Bisher lässt sich Krebs nur mit schweren Geschützen wirksam zu Leibe rücken. Da solche Medikamente jedoch nicht selektiv wirken, ziehen sie zwangsläufig auch andere Gewebe in Mitleidenschaft.

Daher arbeiten Forscher seit langem an dem Ziel, Merkmale zur Unterscheidung zwischen Tumor- und "normalen" Körperzellen zu finden, um selektivere und damit verträglichere Medikamente zu gewinnen. Auch die beiden Wissenschaftler Alexei Shir und Alexander Levitzki der Hebrew University of Jerusalem beschäftigten sich mit diesem Thema, allerdings suchten sie nach solchen Kennzeichen nicht auf der Zelloberfläche, sondern auf der Ebene der DNA – und wurden fündig.

Denn manche Krebsarten tragen charakteristische Mutationen in sich, wie beispielsweise Deletionen, bei denen bestimmte Abschnitte des Genoms fehlen. Wird ein solcher DNA-Abschnitt abgelesen, entsteht ein für die Krebszelle typisches Stück Boten-RNA, wodurch sie sich von gesunden Körperzellen unterscheidet. Diese spezifische Boten-RNA-Sequenz verwenden die Forscher als Angriffspunkt gegen die Krebszellen.

Dabei nutzten die Wissenschaftler einen natürlichen Mechanismus, mit dem sich der Körper gegen Viren wehrt: Das Enzym PKR sucht unsere Zellen permanent nach doppelsträngiger RNA ab, die für viele Viren charakteristisch ist. Wird es fündig, leitet es den programmierten Zelltod – die Apoptose – ein.

Shir und Levitzki mussten jetzt nur noch einen Weg finden, um ein komplementäres Stück RNA in die Zelle zu befördern, das dort mit der krebszellspezifischen Boten-RNA-Sequenz einen Doppelstrang bildet und dadurch das Enzym PKR aktiviert. Dafür knüpften sie sich eleganterweise ein RNA-Virus vor und modifizierten es so, dass es direkt in der infizierten Zelle die komplementäre Sequenz, die so genannte Antisense-RNA, produziert.

Das Ergebnis klingt vielversprechend: Krebszellen starben bei in-vitro-Versuchen in großer Zahl ab, normale Zellen wuchsen hingegen völlig normal weiter. Das Virus schädigte also im Gegensatz zu herkömmlichen Krebsmedikamenten nur die Tumorzellen, nicht aber gesundes Gewebe. Auch bei anschließenden Tests mit Mäusen wuchs ein als besonders bösartig geltender Hirntumor – ein Glioblastom – deutlich langsamer.

Prinzipiell könnte nach Ansicht der Forscher auf diese Weise jeder Tumor behandelt werden, der über eine charakteristische genetische Mutation verfügt. Auch wenn sich diese Ergebnisse nicht so einfach auf den Menschen übertragen lassen, geben sie dennoch Anlass zur Hoffnung, eine hochselektive Methode gefunden zu haben, die der klassischen Chemotherapie in ihrer momentanen Form deutlich überlegen wäre.

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