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News: Von Nagelscheren, Rasen mähen und Pünktlichkeit

Mit Vorurteilen ist das ja immer so eine Sache. Sie werden vor dem Urteil gefällt, und bedürfen daher keiner Vor- und schon gar keiner Nachbereitung. Ein besonders wesentlicher Grund für die praktische Handhabbarkeit dieser Meinungen. Daher sind auch die am beliebtesten, die sich über Jahre oder sogar Jahrzehnte halten. Vorsichtshalber ist denn auch der schöne Satz "Ausnahmen bestätigen die Regel" eingeführt worden. Den kann man zum Beispiel dann anbringen, wenn man mal einen Briten trifft, der nicht mit der Nagelschere den Rasen mäht... Da die Deutschen zwar wissen, was der eigentlich Sinn und Zweck einer solchen Schere ist, haben sie diverse andere Marotten: Eine davon ist in den Augen ihrer europäischen Nachbarn die Pünktlichkeit. Pünktlich, ah ja. Aber Entschuldigung, glaubt das wirklich noch irgendjemand? Im Ausland schon, zumindest bis jetzt. Das könnte nun allerdings anders werden, denn nach einer neuen Studie ist da wirklich nichts dran. Die Deutschen unterscheiden sich in Punkto Pünktlichkeit kaum von ihren europäischen Nachbarn. - Wenn man mal von ihrer laxeren Einstellung zu diesem Thema absieht.
Das Klischee, die Deutschen seien besonders unflexibel in Sachen Zeit und Pünktlichkeit, ist weit gefehlt. Im Gegenteil: Ihre Einstellung zu diesem Thema ist in mancher Hinsicht lockerer als die der Engländer und der Franzosen. Das hat eine Studie von Peter Collett von der University of Oxford ergeben. Der Wissenschaftler hat 200 Manager aus sechs europäischen Ländern über ihre Auffassung von Zeit befragt. Die Länder waren Bulgarien, Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Polen und die Tschechische Republik. Deutsche Manager sagten aus, daß sie ihren Tag nicht unbedingt genau planen würden, und die meisten befragten Personen fühlten sich auch nicht verloren ohne Uhr. Erst eine Verspätung von 15 Minuten oder mehr wird von ihnen als "zu spät kommen" empfunden. Sie waren damit toleranter als die befragten Personen aus allen anderen Ländern. Britische Manager würden zum Beispiel schon eine Unpünktlichkeit von acht Minuten als "zu spät" ansehen. Collett stellte seine Untersuchungsergebnisse auf einer Tagung der British Psychological Society in London im Dezember 1999 vor.

Zwischen dem tatsächlichen Verhalten der Menschen besteht allerdings kein Unterschied. In keinem der sechs Länder kommen prozentual mehr Menschen zu spät als in den anderen. Nur ein Klischee konnte zementiert werden. Doch dieses betraf nicht die deutsche Pünktlichkeit, sondern die der Franzosen. In Frankreich handelt man da nach dem Prinzip "wenn, dann richtig" und gibt sich beim Zu-spät-kommen mit ein paar Minuten nicht zufrieden. Wir werden also am besten aus dem Vor- ein Nachurteil machen und nur noch von "französischer Gründlichkeit" sprechen.

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