Direkt zum Inhalt

News: Vorsicht vor übler Nachrede

Seien Sie vorsichtig, wenn Sie über andere Leute tratschen - nur allzu leicht könnte die Attacke zu einem Bumerang werden. Denn Ihre Zuhörer werden die negativen Eigenschaften mit dem Erzähler verbinden, nicht mit der Person, von der Sie eigentlich reden.
Es scheint dem gesunden Menschenverstand zu widersprechen – ganz zu schweigen von der klassischen psychologischen Theorie: Forscher haben ein alltägliches, aber anscheinend sinnloses psychologisches Phänomen entdeckt, das beschreibt, auf welche Weise Menschen Eindrücke von anderen gewinnen. Die neuen Erkenntnisse werden in der Aprilausgabe 1998 des Journal of Personality and Social Psychology, beschrieben, das von der American Psychological Association (APA) herausgegeben wird.

Sie fanden heraus, daß der Hörer dem Sprecher oft die selben Attribute – sowohl positive als negative – zuschreibt, die dieser bei anderen auszumachen glaubt. "Mit anderen Worten," schreiben John J. Skowronski von der Ohio State University und seine Mitarbeiter, "Politiker, die ihren Gegnern Bestechlichkeit unterstellen, werden selbst für unehrlich gehalten, Kritiker, die Künstler loben, werden selbst als talentiert erachtet, und Klatschbasen, die sich über die Untreue anderer auslassen, werden selbst als unmoralisch angesehen."

Kürzlich übertrugen die Autoren ihre Ergebnisse auf den laufenden Prozeß um Bill Clintons vermeindliche Sexskandale. "Wenn Kenneth Starr [der Staatsanwalt] zum Beispiel Bill Clinton des Meineids beschuldigt", so schreiben sie, "könnte Starr selbst als betrügerisch angesehen werden. Wenn Linda Tripp [Zeugin, die ein Gespräch mitgeschnitten hat] behauptet, daß Monica Lewinsky [Zeugin, die angeblich sexuell belästigt wurde] Sex mit dem Präsidenten hatte, könnte Tripp ihrerseits als promiskuitiv angesehen werden. Der Kern unserer Forschung ist: Wer tratscht, wird selbst mit den Charakterzügen, die er beschreibt, in Verbindung gebracht, so daß schließlich diese Charakterzüge auf einen selbst übertragen werden."

Die Forscher führten eine Serie von vier Untersuchungen zu diesem Phänomen durch, das sie spontane Charakterzug-Übertragung nannten. Bei dreien der vier Untersuchungen sollten die Teilnehmer sich Fotos anschauen, denen eine kurz Aussage beilag. In der ersten Reihe bezogen sich die Aussagen angeblich auf jemanden, den die Person auf dem Bild kannte. In der zweiten handelten die Sätze entweder von der Person auf dem Bild oder von jemand anderem. Im dritten Durchgang wurde den Teilnehmern klar gesagt, daß die Fotos und die Aussagen nichts miteinander zu tun hatten, sie waren wahllos zusammengestellt. In der letzten Untersuchungsreihe schauten sich die Probanden Videokassetten von Schauspielern an, die Fragen über sich selbst oder über jemand, den sie kannten, beantworteten.

Einige der Aussagen, die den Fotos beilagen (oder die auf Video aufgenommen waren) waren angelegt, um den Eindruck eines positiven oder negativen Charakterzugs hervorzurufen. Zum Beispiel war "grausam" in dem Satz enthalten: "Er haßte Tiere. Heute ging er in den Laden und sah diesen kleinen Hund. Er trat ihn so stark, daß der Hund durch die Luft flog." In allen Studien schrieben die Teilnehmer die hervorgerufenen Charakterzüge jedoch durchweg den Sprechern zu, sogar wenn diese jemand anderen als sich selbst beschrieben. Das war selbst dann der Fall, als den Teilnehmern explizit gesagt wurde, daß keine Verbindung zwischen Sprecher und Aussagen besteht. Dies deutet nach Ansicht der Autoren darauf hin, daß es sich um ein irrationales Phänomen handelt, das weitgehend außerhalb unseres Bewußtseins abläuft.

Unsere Mütter hatten also doch recht: Das Schlechte, was man über andere sagt, fällt letztlich auf einen selbst zurück.

Schreiben Sie uns!

Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.

Partnerinhalte

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.