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Vulkan in Äthiopien: Was hinter dem überraschenden Ausbruch des Hayli Gubbi steckt

Mehr als 12 000 Jahre, heißt es, sei der Vulkan Hayli Gubbi nicht mehr ausgebrochen. Doch möglicherweise stimmt das gar nicht. Die Wirklichkeit ist ein bisschen komplizierter. Denn der Vulkan steht in einer der bemerkenswertesten Regionen unseres Planeten – und ist kaum erforscht.
Ein Vulkan in einer kargen Landschaft stößt eine große, weiße Rauch- und Aschewolke in den klaren blauen Himmel aus. Die Wolke steigt hoch auf und breitet sich nach oben hin aus. Im Vordergrund ist eine flache, trockene Ebene zu sehen.
Die Explosionswolken des Hayli Gubbi. Bisher galt der Vulkan als ruhend.

Eine riesige, fast 15 Kilometer hohe Aschewolke stieg am 23. November 2025 über der Danakil-Senke in Äthiopien auf. In der unwirtlichen, dünn besiedelten Region war zuerst nicht einmal sicher, welcher Vulkan für den stattlichen Ausbruch verantwortlich ist, durch den der Flugverkehr bis nach Indien eingeschränkt werden musste. Erst später dann die Überraschung: Die Asche stammte nicht vom nahegelegenen Vulkan Erta Ale, sondern von dem kaum bekannten Nachbarvulkan Hayli Gubbi, der wahrscheinlich seit Jahrtausenden inaktiv war. Die anhaltenden Ausbrüche selbst sind für unseren unruhigen Planeten nicht ungewöhnlich – doch der Vulkan ist Teil eines der bemerkenswertesten Prozesse der Erde.

Der Hayli Gubbi steht in der Danakil-Senke im Afar-Dreieck nahe dem Horn von Afrika. Entsprechend ist nicht allzu viel über ihn bekannt, zumal er buchstäblich im Schatten des für seinen Lavasee berühmten Vulkans Erta Ale steht. Man kennt ihn vor allem als Nebendarsteller in Forschungen über das gesamte Erta-Ale-Vulkanmassiv. Das hat insgesamt sechs Ausbruchszentren, die entlang einer nach Nordnordwest verlaufenden Verwerfung grob parallel zum Roten Meer angeordnet sind. Die Verwerfung ist das Ergebnis des Zusammentreffens von drei gigantischen Bruchzonen, die sternförmig vom Afar-Dreieck ausgehen: neben dem Roten Meer der sich nach Nordosten öffnende Golf von Aden, und im Süden der Tausende Kilometer messende ostafrikanische Grabenbruch.

Hier reißt der afrikanische Kontinent auseinander und es entstehen neue Meere. Im Roten Meer ist diese Ozeanbildung schon vollendet, ein mittelozeanischer Rücken treibt die beiden Ufer immer weiter auseinander. Der ostafrikanische Grabenbruch dagegen ist bisher nur eine große Kerbe im Land.

Ein neuer Ozean entsteht

Das Afar-Dreieck befindet sich genau am Übergang zwischen diesen beiden Zuständen. Die Kruste des Kontinents ist hier gedehnt, zerbrochen und von unzähligen Abschnitten aus Basalt durchzogen, der typisch für die Erdkruste unter den Ozeanen ist. Schon bald wird das Meer die Senke fluten. Hayli Gubbi und die anderen Vulkane des Erta-Ale-Vulkanmassivs sind ein Symptom dieses Prozesses.

Der Lavasee des Erta Ale repräsentiert gewissermaßen den finalen Zustand. Die sehr flüssige, basaltische Gesteinsschmelze ähnelt jener eines mittelozeanischen Rückens, an dem Meeresboden neu entsteht. Tatsächlich jedoch liefern die Schlote der Region ein ganzes Spektrum von Laven unterschiedlicher Zusammensetzung. Die Explosion des Hayli Gubbi stammt vom anderen Ende des Spektrums: Sie entstand durch sehr zähflüssiges, als rhyolithisch bezeichnetes Magma. Das bei solchen Ausbrüchen entstehende Material gehört zu den häufigsten vulkanischen Gesteinen der Kontinente.

Schwefeldioxid-Emissionen des Hayli Gubbi | In dieser Falschfarbendarstellung, erzeugt von den Sentinel-Erdbeobachtungssatelliten der ESA, sieht man deutlich, wie sich das vom Vulkan ausgestoßene Schwefeldioxid durch die Atmosphäre bewegt. Zusammen mit der Asche des Ausbruchs kann die Eruptionswolke noch in Tausenden Kilometern Entfernung sichtbar bleiben.

Und solches Magma ist gefürchtet für die heftigen Explosionen, die es verursacht. Weil die Gesteinsschmelze so zähflüssig ist, lässt sie vulkanische Gase nur schwer entkommen. Nähert sie sich der Oberfläche, lässt der Druck durch das umgebende Gestein nach und die Gase beginnen auszuperlen. Die Gasblasen erhöhen den Druck im Magma drastisch, der Gesteinsdeckel über der Schmelze bricht und die Schmelze zerreißt in feine Fetzen, die mit enormer Geschwindigkeit durch den Schlot gen Himmel geschleudert werden. Am Hayli Gubbi ließ die Explosion laut Satellitenbildern zwei neue Krater entstehen.

Kurioserweise zeigen Satellitenbilder, dass der Hayli Gubbi auch zwei Aschewolken erzeugte: eine sehr große, die Richtung Westen über Arabien und Indien zog, und eine kleinere, die Richtung Norden driftete. Fachleute vermuteten zuerst, dass die kleinere Wolke womöglich ein pyroklastischer Strom gewesen sein könnte – eine mehrere Hundert Grad heiße Glutwolke, die die Berghänge hinabrast und alles auf ihrem Weg tötet. Sie sind die verheerendsten aller vulkanischen Phänomene. Allerdings ist die wahre Erklärung wohl viel prosaischer: Die zweite Aschewolke geht möglicherweise auf eine andere Windrichtung in tieferen Atmosphärenschichten zurück.

Warum ein Vulkanausbruch den Flugverkehr stört

Von diesen fein verteilten Auswurfmassen des Vulkans geht eine deutlich größere Gefahr aus als zum Beispiel von der Asche eines Feuers. Denn die Eruptionswolke besteht aus scharfkantigen Gesteinssplittern, die die Umgebung des Vulkans mit einer feinen Schicht überziehen, unter der die Tiere der von Viehzucht lebenden Bevölkerung nicht mehr genug zu fressen finden. Die Aschewolke in der Höhe ist eine Gefahr für Flugzeuge, die ebenfalls in diesen Luftschichten oberhalb von 10 000 Metern verkehren. Im Jahr 1982 zum Beispiel flog eine Boeing 747 in die Aschewolke des Vulkans Galunggung in Indonesien. Die Aschepartikel haben einen so niedrigen Schmelzpunkt, dass sie sich in der Verbrennerstufe eines Strahltriebwerks verflüssigen und die entstehende Lava die Turbine verklebt.

Deswegen fielen bei dem Flugzeug alle vier Triebwerke aus und sprangen erst wieder an, als der Flieger die Aschewolke verlassen hatte. Bei der Landung stellte die Crew außerdem fest, dass die Partikel die Windschutzscheibe so stark zerkratzt hatten, dass sie praktisch undurchsichtig war. Heutzutage werden Vulkanausbrüche und die entstehenden Aschewolken deswegen sehr genau beobachtet und Flugzeuge gegebenenfalls um sie herumgeleitet.

Wie häufig so etwas dort und den anderen Vulkanen der Gruppe passiert, ist rätselhaft. Es heißt zwar, der Hayli Gubbi sei zuletzt vor 8000 oder gar mehr als 12 000 Jahren ausgebrochen, aber man weiß es nicht. Angesichts der vielen Lavaströme an den Flanken der Vulkane erscheint so ein langer Ruhezeitraum unwahrscheinlich. Und die Gegend ist so unzugänglich und dünn besiedelt, dass kleinere Ausbrüche, bei denen lediglich ein Lavastrom die Bergflanke herabfließt, sogar heutzutage noch unbemerkt bleiben könnten.

Und selbst von großen, Aschewolken produzierenden Explosionen aus den letzten paar Jahrzehnten oder Jahrhunderten wüssten wir nicht zwangsläufig. In einer Studie von 2010 argumentierten Fachleute, dass man selbst von gigantischen vulkanischen Explosionen wie jener des Krakatau im Jahr 1883 oder des Hunga Tonga–Hunga Haʻapai von 2022 lediglich etwa 20 Prozent aller Ausbrüche kennt, die älter als 2000 Jahre sind. Entsprechend ist kaum einzuschätzen, wann sich die nächste unerwartete Aschesäule über einem kaum beachteten Vulkankegel erhebt.

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