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Vulkaninsel: Hunga Tonga beherbergte unerwartete Lebensgemeinschaft

Die pazifische Vulkaninsel überdauerte nur wenige Jahre. Aber sie war ein einzigartiges Freiluftlabor. Das zeigt auch eine Studie zu ihren Lebensgemeinschaften.
Hunga Tonga-Hunga Ha'apai

Im Jahr 2015 entstand eine neue Insel im Pazifik: Der Unterwasservulkan Hunga Tonga-Hunga Ha'apai wuchs durch Ausbrüche und schob seine Spitzen aus dem Meer. Das Auswurfmaterial verband schließlich zwei ältere Inseln in seiner unmittelbaren Nachbarschaft zu einem einzigen Eiland, das während der heftigen Eruption des Vulkans im Januar 2022 dann wieder im Meer versank. In den Jahren dazwischen bot das kleine Stück Land der Wissenschaft einzigartige Möglichkeiten, etwa zu untersuchen, wie sich das Leben dort entwickelte. Davon zeugt eine Studie durch Nick Dragone von der University of Colorado und seinem Team in »mBio«, die sich den Mikrobengemeinschaften vor Ort widmet.

Zu den ersten Siedlern des neuen Landes zählen für gewöhnlich Mikroben, bevor sich höheres Leben einstellt. Doch die Artengemeinschaften auf Hunga Tonga überraschte Dragone und Co. »Wir haben nicht das entdeckt, was wir erwartet hatten«, sagt Dragone. »Wir dachten, wir würden Organismen finden, die etwa bei Rückzügen von Gletschern oder Ähnlichem auftauchen, oder Zyanobakterien und damit typische frühe Kolonisatoren. Stattdessen stießen wir auf eine einzigartige Gruppe von Bakterien, die Schwefel und atmosphärische Gase verstoffwechseln.«

Die Arbeitsgruppe hatte während ihres Aufenthalts auf der Vulkaninsel 32 Bodenproben gesammelt, vom Strand bis zum Gipfel der Caldera in etwa 120 Meter Höhe. Daraus extrahierte sie dann das organische Material und analysierten seine DNA-Sequenzen. Dabei konzentrierte sich das Team auf völlig freie Flächen. Areale, die bereits von Pflanzen besiedelt wurden, beprobte es zu Vergleichszwecken ebenfalls – die Gewächse hatten sich genauso schnell angesiedelt, etwa weil ihre Samen von Vögeln eingetragen worden waren.

Die mikrobiellen Lebensgemeinschaften unterschieden sich zum Teil stark und stammten bisweilen aus unerwarteten Quellen. In allen Bodenproben fanden sich demnach Bakterien und Archaea, ihre Artenvielfalt war allerdings, wenig überraschend, auf blankem vulkanischen Untergrund kleiner als in bereits bewachsenen Arealen. Dafür war ihre Herkunft spezieller: Sie wurden weder durch Vogelkot noch über die Gischt eingetragen, wie man vielleicht anfänglich erwartet hatte. Stattdessen handelte es sich überwiegend um Vertreter, die sonst an und in geothermischen Quellen siedeln.

»Die Mikroben ähnelten solchen am stärksten, die man in hydrothermalen Schloten, heißen Quellen wie im Yellowstone und anderen vulkanischen Systemen findet. Wir vermuten daher stark, dass die Mikroben aus derartigen Quellen stammen«, so Dragone. Ihre Energie beziehen diese Bakterien und Archaea, indem sie beispielsweise Schwefelwasserstoff verstoffwechseln.

Wegen der Zerstörung von Hunga Tonga durch die heftige Eruption 2022 ist es leider nicht mehr möglich, die weitere Entwicklung der Lebensgemeinschaften oder ihren Stoffwechsel vor Ort zu untersuchen. »Wir hatten alle damit gerechnet, dass die Insel bleiben würde«, sagte Dragone. »In der Woche, bevor die Insel explodierte, begannen wir sogar, eine Rückreise zu planen.« Mit Hunga Tonga ging auch ein einzigartiges Freiluftlabor unter: Immerhin war sie eine von nur drei neu entstandenen Vulkaninseln der letzten 150 Jahre, die ein paar Jahre überdauerte, bevor sie wieder verschwand.

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