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Schlaf-wach-Rhythmus: Wach im Mondlicht

Ein heller Mond gilt vielen als Schlafkiller. Da scheint tatsächlich etwas dran zu sein, wie neue Messungen zeigen.
Bislang hat keine Raumsonde jemals direkt die Pole des Mondes und das dort gespeicherte Eis erforscht.

In den Nächten jeweils kurz vor Vollmond gehen viele Menschen später zu Bett und schlafen weniger. Das gilt kulturübergreifend und für Stadt- ebenso wie für Landbewohner. Zu diesem Schluss kommen Forscher um den Neurowissenschaftler Horacio de la Iglesia von der University of Washington nach umfangreichen Untersuchungen. Sie berichten darüber in der Fachzeitschrift »Science Advances«.

Das Team hat Angehörige der Toba/Qom aufgesucht, einer indigenen Bevölkerungsgruppe in Südamerika. 98 von ihnen – 55 Frauen und 43 Männer – erklärten sich bereit, an einer Studie zum Schlafverhalten teilzunehmen. Sie erhielten Fitnesstracker, die wie Armbanduhren getragen werden und permanent die Körperaktivität überwachen. Damit sammelten die Forscher von jeder Person ein bis zwei Monate lang Daten. Die Messwerte zeigen, wie sich der Schlaf über die verschiedenen Mondphasen hinweg veränderte.

Länger auf den Beinen dank Erdtrabant

Bei den meisten Indigenen trat ein übereinstimmendes Muster auf: Jeweils in den Nächten vor Vollmond schliefen sie deutlich weniger. Im Schnitt legten sie sich eine halbe Stunde später nieder und verkürzten die Nachtruhe insgesamt um eine knappe Stunde. Das hing überraschenderweise kaum vom Wohnumfeld ab. Die Forscher haben Toba/Qom aus drei Gemeinschaften im nördlichen Argentinien untersucht. Die erste Gruppe lebt in einem dünn besiedelten Gebiet ohne elektrisches Licht, die zweite in einer ländlichen Region mit spärlicher elektrischer Beleuchtung, die dritte in den üppig beleuchteten Außenbezirken einer Stadt. Alle drei Gruppen zeigten die gleiche Verschiebung des Schlafrhythmus mit den Mondphasen, wobei die Städter generell viel weniger schliefen und merklich später zu Bett gingen als die Landbewohner.

Um zu testen, wie verbreitet der Effekt ist, stattete das Forscherteam rund 450 Studenten der University of Washington mit Fitnesstrackern aus und beobachtete auch ihr Schlafverhalten. Obwohl sie in Seattle wohnten, der größten Stadt im Nordwesten der USA, zeigte sich bei ihnen das gleiche Muster: In den Nächten vor Vollmond legten sie sich zu späterer Stunde hin und schlummerten kürzer.

Die Wissenschaftler schließen daraus, dass unser Schlaf-wach-Rhythmus mit den Mondphasen synchronisiert ist. Dies äußere sich zwar besonders in einer Umgebung ohne künstliches Licht, sei aber auch in hell ausgeleuchteten Städten nachweisbar. Studien anderer Forschergruppen hatten teils keinen Zusammenhang zwischen Mondphasen und Schlafdauer gefunden. Iglesia und sein Team führen das auf verschiedene Faktoren zurück. So hätten frühere Untersuchungen manchmal auf Selbstauskünften der Teilnehmer beruht, oft mit weniger detaillierten Daten gearbeitet und zudem nicht ausreichend berücksichtigt, dass sich der Schlafrhythmus nur dann deutlich verschiebe, wenn der Mond bereits während der Abendstunden hell am Himmel steht.

Woher die Synchronisation zwischen Schlaf und Mondphasen rührt, darüber können die Forscher nur spekulieren. »Wir vermuten, die von uns beobachteten Muster sind eine angeborene Anpassung, die es unseren Vorfahren ermöglichte, vom natürlichen Abendlicht während bestimmter Mondphasen zu profitieren«, sagt der Biologe Leandro Casiraghi, einer der beteiligten Autoren. Ältere Toba/Qom hätten in Interviews berichtet, helle Mondnächte seien früher zum Jagen und Fischen genutzt worden.

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