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Angstgedächtnis: Wachstumsfaktor macht furchtlos

Forscher finden einen neuen Ansatzpunkt zur Angsttherapie.
Labormäuse
Einmal im Gedächtnis verankerte Ängste werden in der Regel nicht mehr gelöscht, können jedoch durch neue, positive Erfahrungen wieder "verlernt" werden. Diesen Prozess konnten nun Forscher um Gregory J. Quirk an der University of Puerto Rico im Gehirn von Mäusen künstlich erzeugen. Eine einfache Injektion reichte aus, um den Nagern die erlernte Angst auch ohne neue Erfahrungen wieder auszutreiben.

In einem typischen Versuchsaufbau der Angstkonditionierung verabreichen die Forscher den Mäusen einen milden Stromstoß zeitgleich mit einem harmlosen Ton. Nach mehrfacher Wiederholung hatten die Mäuse den Ton mit dem Stromschlag assoziiert, so dass dieser alleine ausreichte, um eine Furchtreaktion hervorzurufen.

Im zweiten Teil des Trainings, der Verlernphase, wird den Mäusen der Ton ohne Stromstoß vorgespielt, so oft, bis sie ihre Angst vor dem Geräusch wieder verloren haben. Zwar wird die erlernte Angst dadurch nicht gelöscht – eine erneute Konditionierung stellt die ursprüngliche Angst schneller wieder her als beim ersten Mal –, jedoch durch die neue Erfahrung inaktiviert.

Den geichen Effekt konnten Quirk und Kollegen künstlich mit Hilfe des Wachstumsfaktors BDNF (Brain-Derived Neurotrophic Factor) herbeiführen, der an zahlreichen Lern- und Gedächtnisprozessen beteiligt ist. An Stelle des Verlerntrainings injizierten sie BDNF direkt in den infralimbischen Kortex, eine für die Angstlöschung wichtige Hirnregion. Das verblüffende Ergebnis: Diese Mäuse waren nach der Behandlung genauso angstfrei wie Artgenossen, die den üblichen Versuch durchlaufen hatten. Wie bei diesem führte die Injektion nicht zu einer völligen Löschung der gelernten Angst, sondern erzeugt eine Art Schutzgedächtnis, welche die Angst unter Kontrolle bringt.

Das Unvermögen, Ängste zu kontrollieren, sehen die Forscher als eine der Ursachen für die posttraumatische Belastungsstörung an (PTBS). Gelänge es, BDNF in den beteiligten Hirnregionen anzureichern, könnte dies die Behandlung von PTBS und anderen Angststörungen deutlich verbessern. Auf welchem Weg eine solche Anreicherung erfolgen kann, soll nun geklärt werden. (jn)

Peters, J. et al.: Induction of Fear Extinction with Hippocampal-Infralimbic BDNF. In: Science 328(5983), S. 1288-1290, 2010.

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