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News: Wachstumshormon verbessert Knochenheilung

Gentechnisch hergestelltes menschliches Wachstumshormon (Human Growth Hormone) wird seit vielen Jahren zur Behandlung minderwüchsiger Kinder verwendet, deren Hirnanhangsdrüse dieses Hormon nicht in ausreichendem Maße selbst bildet. Erprobt wird es auch bei Brandverletzten und bei Patienten mit chronischen Darmerkrankungen (Morbus Crohn). Jetzt wird es in der Charité erstmals in der Unfallheilkunde angewandt, um die Konsolidierung von Knochenbrüchen zu beschleunigen und Knochendefizite auszugleichen.
Solche Defizite können, ausgelöst durch Unfälle, Tumoren oder Infektionen, eine deutliche Verkürzung der Röhrenknochen bewirken, was sich besonders am Bein nachteilig auswirkt. Es ist zwar möglich, durch unfallchirurgische Maßnahmen (Distraktions-Osteogenese) die ursprüngliche Länge wiederherzustellen. Das Prinzip der Knochenverlängerung besteht darin, die verletzten Röhrenknochen im gesunden Bereich chirurgisch zu durchtrennen. Dadurch wird ein Wachstumsreiz auf die Knochenenden ausgeübt, was zum Neubau von Knochensubstanz führt. Durch eine geeignete mechanische Vorrichtung (Fixateur externe) werden die Knochenenden in dem Maße, wie sich neuer Knochen bildet, auseinandergezogen. Diese Distraktion, um etwa ein bis zwei Millimeter pro Tag, wird so lange fortgesetzt, bis die gewünschte Beinlänge erreicht ist.

Dieser monatelange Prozeß dürfte in Zukunft abzukürzen sein. Denn jetzt hat die Arbeitsgruppe um Dr. Michael Raschke, Privatdozent und leitender Oberarzt der Klinik für Unfall- und Wiederherstellungschirurgie der Charité, gezeigt, daß tägliche Injektionen von artspezifischem Wachstumshormon das Längenwachstum im Zusammenhang mit solcher Distraktion beschleunigt und gleichzeitig die Knochenqualität verbessert. Raschke hat diesen Effekt des Hormons zunächst am Tier, nämlich am Yucatan Micro-Schwein nachgewiesen, dessen Knochenheilung der des Menschen ähnlich ist (Bone 24 [1999] 81-88).

Die Tiere erhielten zehn Tage lang Schweine-Wachstumshormon in einer Menge von einhundert Mikrogramm pro Kilogramm Körpergewicht. Nach zwanzig Tagen wurde die Belastbarkeit des neu gebildeten Knochengewebes in biomechanischen Belastungstests überprüft. Raschke fand, daß neuer Unterschenkelknochen dieser Schweine von höherer Festigkeit war als von Tieren, die kein Hormon erhalten hatten. So hielten die Knochen beim lebenden Tier Verwindungskräfte aus, die mehr als doppelt so hoch waren wie die von Kontrolltieren. Und die Last, die beim getöteten Tier notwendig war, um den Knochen durch Torsion zu brechen, war sogar dreifach höher.

Neugebildeter Knochen ist zwar noch nicht so kräftig wie gesunder, aber bei hormonbehandelten Tieren erreicht er eine Festigkeit von siebzig bis achtzig Prozent des gesunden Knochens, bei Kontrolltieren (ohne Hormon) dagegen nur eine Festigkeit von dreißig Prozent. Entscheidend an diesen Ergebnissen ist nach Raschke die Verwendung von art- in diesem Fall also schweinespezifischem Wachstumshormon. Denn artfremdes Hormon war in Studien anderer Forscher unwirksam geblieben.

Wachstumshormon auch am Menschen zu nutzen, erscheint so vielversprechend, daß Raschke und sein Team jetzt im Rahmen einer klinischen Studie die ersten Patienten mit humanem Wachstumshormon, das gespritzt werden muß, behandeln. In die Studie können einstweilen nur Erwachsene mit Beinverkürzungen aufgenommen werden. Dies schließt akut Verletzte ebenso ein wie Patienten, die aufgrund früherer Unfälle oder nicht optimaler Versorgung an Beinlängendifferenzen leiden, die der Korrektur durch Distraktions-Osteogenese bedürfen.

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