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Vermeidend-restriktive Essstörung: Wählerisch beim Essen – und trotzdem übergewichtig

Sich bei der Wahl der Lebensmittel extrem einzuschränken, ist nicht nur ein Problem von Untergewichtigen. Auch manche Menschen mit Adipositas essen krankhaft restriktiv.
Eine Person in Sportkleidung sitzt in einem Raum mit Fitnessgeräten und lehnt eine Schale mit Chips ab, die ihr von einer anderen Person angeboten wird. Die Szene deutet auf eine gesunde Lebensweise oder eine bewusste Ernährungsentscheidung hin. Im Hintergrund sind eine Yogamatte und ein Gymnastikball zu sehen.
Menschen mit der Essstörung »ARFID« meiden die meisten Lebensmittel – zum Beispiel wegen ihrer Konsistenz.

Bei Essstörungen denken viele an Magersucht oder Bulimie. Doch es gibt noch weitere Erkrankungen dieser Art. Eine davon ist die »vermeidend-restriktive Essstörung«, auch ARFID genannt (englisch: avoidant/restrictive food intake disorder). Die Betroffenen essen nur eine stark begrenzte Auswahl an Lebensmitteln – alles andere meiden sie penibel. Als Grund geben sie häufig an, eine Abneigung gegen den Geruch, den Geschmack oder die Konsistenz der meisten Speisen zu haben, fehlenden Appetit oder Angst vor unangenehmen Folgen wie Bauchschmerzen oder Erbrechen.

Anders als etwa bei Magersucht steht also nicht der Wunsch nach Gewichtsabnahme im Vordergrund. Dennoch führt das eingeschränkte Essverhalten dazu, dass viele Betroffene Untergewicht oder einen Nährstoffmangel entwickeln. Manche benötigen daher Trink- oder sogar Sondennahrung. Forschende der Universität Leipzig zeigen in einer neuen Studie allerdings: ARFID kommt auch bei Übergewichtigen oder Adipösen vor – und äußert sich in dieser Gruppe mitunter anders als bei Betroffenen mit Normal- oder Untergewicht.

Das Team um Anne-Kathrin Merz vom Universitätsklinikum Leipzig suchte zunächst auf Social Media, in Podcasts und mit Flyern nach geeigneten Probanden und Probandinnen. Wer bei einem Screening-Test deutliche ARFID-Symptome zeigte, wurde zur Studie eingeladen. Insgesamt füllten 369 Erwachsene den ausführlichen Onlinefragebogen aus; 77 von ihnen wurden zusätzlich in einem Interview befragt. Darunter befanden sich sowohl Normalgewichtige als auch Personen mit Über- und Untergewicht.

Wie sich zeigte, waren Teilnehmende mit höherem Gewicht und ARFID sogar noch selektiver in ihrem Essverhalten als normal- oder untergewichtige Betroffene. Zudem machten sie sich mehr Sorgen um Figur und Körpergewicht. Sie klagten allerdings weniger über mangelnden Appetit oder über Angst vor negativen Folgen des Essens wie etwa Übelkeit. Die Einschränkungen im Berufs- oder Sozialleben waren bei ihnen deutlicher ausgeprägt als bei anderen.

Es sei wichtig zu wissen, dass vermeidend-restriktives Essverhalten nicht nur bei schlanken Menschen vorkommen könne, so die Autorinnen und Autoren. Wer trotz eingeschränkter Auswahl an Nahrungsmitteln übergewichtig sei, leide unter einer doppelten Belastung: durch die Essstörung und durch die Stigmatisierung des Mehrgewichts. Bei der Behandlung dieser Patientengruppe komme es weniger darauf an, Ängste vor dem Essen zu nehmen. Das Hauptaugenmerk müsse darauf liegen, die Akzeptanz für eine größere Vielfalt an Lebensmitteln zu steigern, insbesondere in Bezug auf Gemüse, Obst und proteinreiche Lebensmittel.

  • Quellen
Merz, A. et al., Psychotherapy and Psychosomatics 10.1159/000547450, 2025

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