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News: Wärme oder Arbeit

Die Kraftwerke der Zelle, über die mütterliche Linie von Generation zu Generation weitergegeben, weisen geographisch betrachtet große Unterschiede in ihrem Erbgut auf. Dahinter steckt womöglich mehr als nur Zufall.
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Als der Mensch auszog, neue Lebensräume zu erobern, konnte er noch nicht wissen, welche Herausforderungen ihn erwarteten: Schnee, Eis, Regionen, die ihm nicht das ganze Jahr über leicht zugängliche Nahrung boten. Er musste sich anpassen an harsche Bedingungen, Schutz gegen Kälte entwickeln und sich unbekannte Nahrungsquellen erschließen. Wie man heute sieht, ist ihm dies vortrefflich gelungen – es gibt kaum ein Plätzchen mehr auf unserem Planeten, das er nicht – zumindest zeitweise – besiedelt.

Die Menschen, die heute in den verschiedenen Regionen leben, zeigen eine verblüffende Vielfalt an genetischen Unterschieden. Viele Wissenschaftler gehen davon aus, dass sich die Populationen aus Gruppen von nur wenigen Begründern entwickelten, die somit nur einen kleinen Ausschnitt des gesamten menschlichen Erbguts weitergaben – eine zufällige Auswahl, die sich bis heute durchprägt. Dan Mishmar von der Emory University und seine Kollegen gehen jedoch davon aus, dass in manchen Fällen mehr dahintersteckt als nur purer Zufall.

Die Forschergruppe beschäftigte sich mit dem Erbgut der Mitochondrien, den Kraftwerken der Zelle. Hier wird vor allem der Energieüberträger unseres Körpers – das ATP – und in Konkurrenz dazu Wärme produziert, mit der sich die Körpertemperatur aufrechterhalten lässt. Die Forscher analysierten nun die Basensequenzen des ringförmigen DNA-Moleküls von 104 Menschen aus verschiedenen Kontinenten. Dabei ging es ihnen insbesondere darum, in welchen Genen Mutationen dazu geführt hatten, dass dort nun die Information für eine andere Aminosäure stand – und welche Folgen dies für das betroffene Protein hatte.

Und sie wurden fündig, unter anderem bei ATP6, einem Bestandteil der ATP-Synthase, Cytochrom b und COI, das zur Cytochrom-c-Oxidase gehört – alles Beteiligte in der oxidativen Phosphorylierung, mit der die Zelle ihre Energie gewinnt. In den entsprechenden Genen hatten tatsächlich einige genetische Veränderungen dazu geführt, dass polare gegen unpolare Aminosäuren ausgetauscht wurden und umgekehrt. Dabei zeigte sich, dass ATP6 in den arktischen Regionen, cytb in den gemäßigten Breiten und COI in den Tropen jeweils besonders variabel ist.

Welche Folge hat nun der Einbau anderer Aminosäuren in das Protein? Er könnte beeinflussen, wie effizient das jeweilige Protein an die innere Mitochondrienmembran bindet. Das wiederum entscheidet, welcher der beiden konkurrierenden Prozesse – ATP-Synthese oder Wärmeproduktion – verstärkt abläuft: Geht die Bindungsfähigkeit zurück, wird weniger ATP hergestellt, dafür entsteht aber mehr Wärme.

Eine solche Verschiebung wäre in kälteren Regionen durchaus vorteilhaft. Sie würde aber auch dazu führen, dass sich die Stoffwechselrate erhöht, um die Ausbeute an ATP zu sichern, und somit mehr kalorienreiche Nahrung nötig wäre. Andere Untersuchungen an Einheimischen der polaren Gebiete hatten einen solchen erhöhten Grundumsatz schon gezeigt – nach Ansicht der Wissenschaftler um Mishmar könnte dafür beispielsweise eine entsprechend veränderte Variante des Proteins ATP6 verantwortlich sein.

Die Forscher spekulieren daher, dass die genetischen Unterschiede in den Mitochondrien der einzelnen Abstammungslinien des Menschen tatsächlich eine Anpassung an die jeweils herrschenden klimatischen Bedingungen waren, also durch natürliche Selektion und nicht durch Zufall entstanden. Das allerdings bedeutet auch, so erläutern Mishmar und seine Kollegen weiter, dass Menschen, die in Gebiete mit anderen Umweltbedingungen ziehen, durch ihre genetische Ausstattung mit den dortigen Verhältnissen womöglich nicht zurechtkommen. Vielleicht lägen hier sogar manche Wurzeln für Krankheiten wie Fettleibigkeit, Diabetes, Bluthochdruck, Gefäßerkrankungen oder neurodegenerative Störungen.

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