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Wahlverhalten: Von Politikerinnen wird mehr Linientreue erwartet

Einen Fehltritt verzeihen Wählerinnen und Wähler auch weiblichen Kandidaten. Es sei denn, er ging neben die Parteilinie.
Die Politikerin Alexandria Ocasio-Cortez bei einer Kundgebung am Mikrofon.
Die US-Demokratin Alexandria Ocasio-Cortez gilt als unbequeme Politikerin vom linken Flügel der Demokraten. Laut einer aktuellen amerikanischen Studie dürfte das ihrer Wählbarkeit bei der Mehrheit ihrer Parteianhänger eher schaden.

Wissenschaftler aus den USA sind auf einen auffälligen Unterschied im Wahlverhalten gestoßen, der sich am Geschlecht der Kandidaten festmachen lässt: Von Politikerinnen wird offenbar eher erwartet, dass sie sich an der Parteilinie orientieren und keine eigenen Politikvorstellungen entwickeln. Das schließt die Gruppe um Tessa Ditonto von der Durham University aus einem psychologischen Experiment.

Die Fachleute legten ihren 1700 Versuchsteilnehmern fiktive Kandidatenprofile für eine Abgeordnetenwahl vor. Diese enthielten neben politischen Aussagen immer auch Angaben über einen mehr oder weniger schweren Skandal der Kandidaten.

Die Wissenschaftler interessierten sich dafür, ab welchem Punkt die Freiwilligen nicht mehr bereit waren, einem Kandidaten ihrer eigentlich bevorzugten Partei ihre Stimme zu geben.

Die meisten Skandale änderten am Wahlverhalten nichts, die Freiwilligen erwiesen sich als vergleichsweise großzügig, selbst wenn die fiktiven Kandidaten sich angeblich über Obdachlose lustig gemacht oder eine Ausgabe der amerikanischen Verfassung zerrissen hatten. Und das bei männlichen wie bei weiblichen Kandidaten. Nur das Veruntreuen von Geld ließ die Teilnehmer aufmerken. Dann sanken die Zustimmungswerte im Schnitt um elf Prozentpunkte.

Einen solchen Absturz der Zustimmung, sogar in gleicher Höhe, beobachteten die Wissenschaftler allerdings auch, wenn eine fiktive Politikerin nicht mit der erwarteten Parteilinie übereinstimmte. Dies straften die Teilnehmer ähnlich ab wie einen Finanzskandal, schreiben Ditonto und Kollegen im Fachblatt »Politics & Gender«.

Politiker beiderlei Geschlechts könnten von den Erwartungen an den prototypischen Kandidaten ihrer Partei abweichen, allerdings nur bis zu einem Kipppunkt, ab dem die Zustimmungswerte dann rasant einbrächen, erläutern die Studienautoren. »Und dieser Kipppunkt ist bei Politikerinnen schneller erreicht, weil für sie strengere und enger gefasste Maßstäbe gelten und sie außerdem noch schärfer beurteilt werden«, erklärt Ditonto in einer Pressemitteilung zur Studie ihres Teams.

Männlichen Politikern werde die Rolle als »unabhängiger« oder sogar »unbequemer Denker« eher abgenommen. Frauen müssten dagegen einen zusätzlichen Aufwand leisten, um ihre politische Zuverlässigkeit unter Beweis zu stellen.

  • Quellen
Ditonto, T. et al., Politics & Gender 10.1017/S1743923X25100159, 2025

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