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Waldbrände: Brennen gegen das Feuer

In Australien dienen kontrollierte Feuer zur kulturellen Landschaftspflege und Brandprävention. Auch in Deutschland könnten solche Praktiken dabei helfen, verheerende Wildfeuer zu verhindern.
Eine Angehörige eines indigenen Volkes in Australien hält einen brennenden Ast. In Hintergrund lodern Flammen im Unterholz.
Eine Australierin entzündet mit einem brennenden Ast trockene Gräser im Unterholz. Die traditionelle Methode entzieht späteren Feuern Nahrung und verhindert so deren unkontrollierbare Ausbreitung.

Wenn Leroy Malseed die australische Natur retten will, zündet er sie an. Malseed, ein großer Mann mit Baseballcap, Bart und kräftigem Händedruck, steht auf einem Hügel in der Nähe des Budj-Bim-Nationalparks im Süden des australischen Bundestaats Victoria und deutet auf das Buschland, das den Hügel umgibt. »Im Sommer ist das hier alles trocken, das kann sich leicht entzünden«, sagt er. Ein Weg, die Wildfeuer zu verhindern: Das Land kontrolliert abbrennen – so wie die indigenen Australier es seit Jahrtausenden praktizieren. Leroy Malseed ist Cultural Burning Officer. Er leitet ein Team von indigenen Rangern und Forschern, die sich um das Land der Gunditjmara kümmern, einer indigenen Gruppe, welche die Gegend des Nationalparks seit Jahrtausenden bewohnt.

Cultural Burning, kulturelle Brandpraktiken, spielen eine zentrale Rolle im Selbstverständnis indigener Australier. Bei dieser traditionellen Methode der Landbewirtschaftung brennen sie Flächen kontrolliert ab. Die Brände sind mehr als nur Ritual: Sie verringern das Risiko von verheerenden Buschfeuern und fördern die Artenvielfalt.

Vor allem unkontrollierte Feuer sorgen weltweit für massive Luftverschmutzung: Zwischen März 2023 und Februar 2024 setzten Waldbrände 8800 Millionen Tonnen Kohlendioxid frei, 16 Prozent mehr als im langjährigen Mittel. Zum Vergleich: Deutschland hat im Jahr 2024 rund 650 Millionen Tonnen an CO2-Äquivalenten ausgestoßen.

Mit der zunehmenden Erderwärmung steigt nicht nur weltweit, sondern auch in Deutschland die Waldbrandgefahr. Hierzulande stehen konventionelle Methoden der Brandvorbeugung im Vordergrund, wie etwa Totholz aus den Wäldern zu entfernen. Kontrollierte Brände zur Feuerverhinderung spielen in Deutschland bisher eine untergeordnete Rolle. Lassen sie auch in deutschen Wäldern sinnvoll einsetzen? Ist es Zeit, Feuer als Werkzeug neu zu denken – und was können wir dabei von solchen alten Praktiken lernen?

»Es ist wichtig zu verstehen, dass Cultural Burning nicht einfach bedeutet, ein Stück Land präventiv abzubrennen«, erklärt Malseed. Hinter dem Begriff liegt ein komplexes Zusammenspiel von Spiritualität, Ökologie und kulturellem Selbstverständnis. Cultural Burning verbindet indigene Australier mit dem Land ihrer Vorfahren, es stärkt ihre Identität und fördert ein tiefes Verantwortungsgefühl gegenüber der Natur. Seit Zehntausenden von Jahren managen indigene Australier so ihr Land, ihre Pflanzen und Tiere. Die kleinräumigen Feuer schaffen ein Mosaik aus verbranntem und unverbranntem Land, das die Intensität von Buschbränden während Trockenperioden verringert.

Am anderen Ende der Welt, weit entfernt vom Budj-Bim-Nationalpark, wird auch über den gezielten Einsatz von Feuer in der Natur geforscht und diskutiert. Und das, obwohl sich Deutschland deutlich von der australischen Landschaft unterscheidet: In Down Under sind Brände Teil eines natürlichen Prozesses. Manche Eukalyptusarten benötigen sogar die Hitze von Feuern, um ihre Samen freizusetzen und zum Keimen zu bringen. Die Vegetation hierzulande hingegen ist kaum an Feuer angepasst. Insekten und andere Tiere können in der Hitze umkommen, Bäume sterben ab. 

Sind – wegen der großen Unterschiede zu Australien – kontrollierte Feuer also nichts für Deutschland? Johann Goldammer, Leiter des Global Fire Monitoring Center und der Arbeitsgruppe Feuerökologie des Max-Planck-Instituts für Chemie in Mainz, spricht sich gegen ein solches Pauschalurteil aus. Auch in Deutschland lasse sich damit die Gefahr verheerender Totalbrände verringern – und die Kulturlandschaft erhalten. Goldammer gilt als einer der weltweit erfahrensten Waldbrandexperten. Er forscht seit rund 50 Jahren zu kontrollierten Bränden, führte Feldversuche durch und veröffentlichte dazu zahlreiche Studien und Monografien.

Goldammer argumentiert, dass Feuer hierzulande zwar nicht die tiefe kulturelle Bedeutung wie in Australien haben, aber durchaus maßgeblich an der Entstehung unserer Kulturlandschaft beteiligt waren. Er verweist auf das Reutebrennen im Schwarzwald, einer historischen Form der Waldfeldbewirtschaftung, oder auf die Rolle von Feuer bei der Entstehung und Erhaltung von Heidelandschaften wie der Lüneburger Heide. Ohne Pflegemaßnahmen würden offene Landschaften – Rückzugsorte seltener Tierarten – verbuschen und zu Wald werden. Kontrolliertes Brennen verhindert eine Verholzung der Heide, verjüngt die Vegetation und verringert das Risiko von Großbränden.

Die vier Typen von Waldbränden

Bei der ersten Stufe entzünden sich zunächst das Gras und der niedrige trockene Unterwuchs im Wald. Das entstehende Bodenfeuer kann noch gut bekämpft werden. Die zweite Stufe ist ein Lauffeuer, das höhere Büsche und Bäume im Unterstand erfasst. Springt es auf die Baumwipfel über, spricht man von einem Kronenfeuer. Steht schließlich ein ganzes Waldgebiet in Flammen, sieht sich die Feuerwehr einem Totalbrand gegenüber, der sich nur schwer löschen lässt.

Neben der Erhaltung von Heidelandschaften sieht Goldammer einen großen Nutzen von kontrollierten Bränden auf munitionsverseuchten Flächen, etwa ehemaligen Truppenübungsplätzen und Kampfgebieten des Zweiten Weltkriegs. Mehrere hunderttausend Hektar gelten in Deutschland als kampfmittelbelastet. In diesen Gebieten kommt es häufig zu verheerenden Bränden, da die Feuerwehr wegen der Explosionsgefahr nicht löschen kann. Kontrollierte Feuer könnten hier nicht nur Waldbrände verhindern, sondern auch Munitionsreste freilegen, die anschließend unschädlich gemacht werden, wie Untersuchungen von Goldammer und seinem Team gezeigt haben.

Auch der Feuerökologe Alexander Held vom European Forest Institute, einer internationalen Organisation mit Hauptsitz in Finnland, befürwortet kontrolliertes Feuer zur Verhinderung von Totalbränden: »Anders als bei Wildfeuern können wir bei beaufsichtigten Bränden die Intensität des Feuers genau bestimmen.« Die beste Zeit dafür sei gegen Ende des Winters, im Februar oder März, wenn der Boden feucht und kalt ist, die Vegetation frosttrocken und die Luftfeuchtigkeit hoch. Durch eine sorgfältige Vorbereitung haben die sogenannten kalten Brände, mit kniehohen Flammen und niedriger Intensität, laut Held kaum Auswirkungen auf die Bodenorganismen und Insekten. Diese überwintern in der Erde und kommen erst bei wärmeren Außentemperaturen an die Oberfläche.

»Feuer gehört zur Zukunft Deutschlands«Alexander Held, Feuerökologe

Die Flächen, die bei solchen kontrollierten Feuern abgebrannt werden, sind überschaubar: »Wir zünden immer nur kleine Gebiete auf einmal an, wie etwa einen wenige Meter breiten Streifen neben einem Waldweg als Feuerbarriere«, sagt Held. Dadurch können größere Tiere auf unverbranntes Gebiet ausweichen. Generell sei das Areal, das für kontrollierte Brände infrage komme, gering. »Wir haben beispielsweise in Baden-Württemberg untersucht, welche Flächen besonders durch Waldbrände gefährdet sind. Das sind etwa Südwesthänge, die viel Sonne und Wind abbekommen«, bilanziert Held. »Wir kamen auf insgesamt rund drei Prozent der Landesfläche.«

Sind solche »hochpräventiven Orte« ausgemacht, beginnt die eigentliche Arbeit: Wie sollte man diese Fläche vor Waldbränden schützen? Verschiedene Methoden bieten sich an, etwa Mulchen, mit Schafen beweiden – oder eben Abbrennen. Letzteres geschehe bisher kaum, da die gesetzlichen Rahmenbedingungen kompliziert und die gesellschaftliche Akzeptanz niedrig seien, bedauert Held: »Dabei brauchen wir Feuerökologen alle verfügbaren Tools in unserem Werkzeugkasten – auch kontrollierte Brände.« Nur so könne man der steigenden Waldbrandgefahr hierzulande begegnen, denn eins sei sicher: »Feuer gehören zur Zukunft Deutschlands.« Die Frage sei nicht, ob es bei uns häufiger und verheerender brennt, sondern wann. »Deutschland muss lernen, mit Feuer umzugehen. Je früher, desto besser.«

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  • Quellen
Goldammer, J. G., Pasiecznik, N., Tropical Forest Issues 10.55515/DVRK2501, 2022

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