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News: Walverwandtschaften

Irgendwann vor etwa 50 Millionen Jahren entschlossen sich die landlebenden Vorfahren der Wale ins Wasser zu gehen. Doch wer waren diese Ahnen? Die meisten Paläontologen waren bisher davon überzeugt, dass die Meeressäuger von einer ausgestorbenen Gruppe primitiver Huftiere, den Mesonychiden, abstammte. Doch Molekularbiologen zweifelten daran und stellten die Wale in die Ordnung der Paarhufer. Jetzt bestätigen Fossilfunde die zweite Theorie.
Der Autor von "Moby Dick", Herman Melville, hielt Wale noch für riesige Fische, doch heute weiß jedes Schulkind, dass die Wale zu den Säugetieren gehören. Systematiker nennen diese Säugetierordnung Cetacea. Doch woher stammen die Giganten der Meere?

Als sicher gilt, dass sie von landlebenden Säugetieren abstammen, die vor etwa 50 Millionen Jahren das Meer aufsuchten. In für Geologen kurzer Zeit passten sie sich optimal an ihren neuen Lebensraum an, ersetzten ihre Beine durch Schwimmflossen und erhielten so ihren Fischkörper, der sie gänzlich von anderen Säugetieren unterscheidet. Aus ihrer jetzigen Anatomie lässt sich daher nur schwer auf Verwandtschaften schließen.

Aufgrund morphologischer Befunde vermuteten die meisten Paläontologen die Vorfahren der Wale bei den Mesonychiden. Dabei handelt es sich um eine ausgestorbene Gruppe landlebender Huftiere, die etwa hundegroß und wahrscheinlich Fleischfresser waren. Molekularbiologen zweifelten diese Hypothese jedoch an. Ihre genetischen Untersuchungen ergaben eine enge Verwandtschaft mit den Hippopotamiden, zu denen auch das heutige Flusspferd gehört. Damit wären Wale nicht anderes als umgewandelte Paarhufer.

Wer hat nun recht? Bisher konnte die Frage nicht geklärt werden, da entsprechende Fossilfunde fehlen. Fossilien, wie der 1990 in Ägypten entdeckte Basilosaurus zeigen zwar noch Beinknochen, die Tiere lebten aber bereits im Wasser und können aufgrund ihrer Anatomie nicht eindeutig zugeordnet werden. Insbesondere die für Paarhufer typischen beweglichen Fußknöchel fehlten. "Immer wieder fanden wir die gleichen Knochen, aber die Teile die wir brauchten, waren verschwunden", erinnert sich Philip Gingerich von der University of Michigan, der in Pakistan nach den Urwalen fahndet.

Doch jetzt wurde er fündig und konnte zwei bisher unbekannte Arten, Artiocetus clavis und Rodhocetus balochistanensis, neu beschreiben [1]. Unabhängig von seinem Team grub die Arbeitsgruppe von Johannes Thewissen vom College of Medicine der Northeastern Ohio Universities die sterblichen Überreste des fuchsgroßen Ichthyolestes pinfoldi und des wolfgroßen Pakicetus attocki aus [2]. Beide Funde können jetzt Licht in das Dunkel der Walverwandtschaften bringen.

Die Skelette zeigen nicht nur die für Paarhufer typischen Fußknöchel, sondern auch die für Wale typischen Gehörknöchelchen. Sie stehen damit genau zwischen Walen und Paarhufern und widerlegen die Hypothese, die Meeressäuger stammten unmittelbar von den Mesonychiden ab. Damit passen paläontologische und molekularbiologische Befunde wieder zusammen.

Doch auch die Molekularbiologen haben vielleicht nicht ganz recht. Denn die Wissenschaftler bestätigen zwar die Abstammung der Wale von den Paarhufern, glauben aber nicht an die nahe Verwandtschaft zu den Flusspferden. Christian de Muizon vom Muséum National d'Histoire Naturelle in Paris ist zumindest überzeugt, dass "die neuen Fossilien neben anderen berühmten 'missing links' ihren Platz einnehmen werden, wie dem Urvogel Archaeopteryx und dem frühen Hominiden Australopithecus."

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  • Quellen
Science 293(5538): 2216–2217 (2001)
[1] Science 293(5538): 2239–2242 (2001)
Nature 413: 259–260 (2001)
[2] Nature 413: 277–281 (2001)

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