Veränderliche Sterne: Die Nova rückt näher

Im Sternbild Nördliche Krone (lateinisch: Corona Borealis, CrB) befindet sich die wiederkehrende Nova T Coronae Borealis (T CrB) ungefähr 3000 Lichtjahre von der Erde entfernt. T CrB ist ein Doppelsternsystem aus einem kompakten Weißen Zwerg mit einer Masse von 1,3 Sonnenmassen und einem entwickelten Roten Riesen, der etwa die Masse unserer Sonne hat, jedoch 75-mal größer ist. Die beiden Sterne haben einen Abstand von 0,5 Astronomischen Einheiten (75 Millionen Kilometern) voneinander und umkreisen ihren gemeinsamen Schwerpunkt in 228 Tagen. Sie sind so nahe beieinander, dass Materie vom Roten Riesen zum Weißen Zwerg übertritt (Akkretion), die auf der Oberfläche des Weißen Zwergs angelagert wird. Auf Grund der starken gravitativen Anziehung des Weißen Zwergs wird das aufgesammelte Material kräftig komprimiert und aufgeheizt. Wenn eine kritische Masse und Temperatur erreicht sind, setzt eine unkontrollierte Wasserstofffusion auf der Oberfläche des Weißen Zwergs ein. Die durch die Fusion hervorgerufene plötzliche Energiefreisetzung verursacht das gewaltsame Ausstoßen des angelagerten Materials in den umgebenden Raum. Die Expansion und das Abkühlen des ausgeworfenen Materials lassen das Doppelsternsystem im Optischen strahlen: Eine Nova findet statt (siehe »Bis es knallt«).
Eine seltene Gelegenheit
Bei den meisten Systemen wird nur ein Nova-Ausbruch beobachtet. In lediglich zehn Fällen – unter ihnen T CrB – wurden mehrere Ausbrüche wahrgenommen. Zuletzt erstrahlte sie in den Jahren 1866 und 1946, also mit einem zeitlichen Abstand von rund 80 Jahren, plötzlich so hell, dass der im Visuellen sonst nur knapp 10 mag helle Doppelstern etwa eine Woche lang mit bloßem Auge sichtbar war. Diese Zeitspanne läuft demnächst wieder ab, und viele Hobby- und Profiastronomen warten gespannt darauf, dass die Nova endlich aufleuchtet. Wann hat sich genug Materie auf der Oberfläche des Weißen Zwergs gesammelt, so dass die kritische Masse für das Einsetzen der Wasserstofffusion erreicht ist?
Seit Februar 2024 führen wir an der Thüringer Landessternwarte Tautenburg eine Beobachtungskampagne zu T CrB durch. Wir überwachen das System mit einem Echelle-Spektrografen, der im Coudé-Fokus unseres Alfred-Jensch-Teleskops mit einem 2-Meter-Hauptspiegel montiert ist. Bei gutem Wetter nehmen wir mindestens ein Spektrum von T CrB pro Nacht auf. Mitte Januar haben wir eine signifikante Änderung darin bemerkt, insbesondere ein Ansteigen der Stärke der Emissionslinien, die sich Anfang Februar noch einmal rapide erhöht haben (siehe »Starker Anstieg«). Unser Ziel ist es, die Veränderung der Linien zu verstehen.
Aufbau des Doppelsternsystems
Die beiden Sterne in T CrB sind so eng beieinander, dass wir sie im Teleskop nicht getrennt abbilden können. Das Spektrum, das wir beobachten, besteht folglich aus der Summe aller Komponenten, die im System vorhanden sind. Das sind hauptsächlich der Rote Riese, der Materiestrom von einem Stern zum anderen sowie die Akkretionsscheibe um den Weißen Zwerg. Der Weiße Zwerg selbst ist so leuchtschwach, dass man ihn nicht im Spektrum sieht. Die Materie kann auf Grund des Drehimpulses nicht direkt auf die Oberfläche des Weißen Zwergs transportiert werden, und es bildet sich eine Akkretionsscheibe um den Zwergstern aus. Durch Reibung in der Scheibe verliert das Material Drehimpuls und heizt sich auf. Somit kann die Materie letztendlich auf die Oberfläche des Weißen Zwergs gelangen. Der Punkt, an dem der Materiestrom vom Riesenstern auf die Akkretionsscheibe trifft, ist auf zirka 10 000 Kelvin aufgeheizt und leuchtet daher sehr hell (englisch: hot spot). Das Doppelsternsystem ist außerdem von einem Nebel aus dünnem Gas umgeben, das wahrscheinlich in einer vorhergehenden Phase hoher Akkretion ausgestoßen wurde.
Komponenten im Spektrum
Der Rote Riese ist etwa 15 000-mal größer und deutlich heller als der Weiße Zwerg, weshalb seine Absorptionslinien das Spektrum von T CrB dominieren (siehe »Charakteristische Merkmale«). Zusätzlich zu diesem Absorptionsspektrum lassen sich Emissionslinien der anderen Komponenten des Doppelsternsystems beobachten (siehe »Die Strahlung von Sternen«). Durch den Vergleich zwischen der gemessenen und der aus dem Labor bekannten Wellenlänge einer Spektrallinie kann man die Geschwindigkeit des Gases ableiten (Dopplerverschiebung). Zusammen mit der Form der Spektrallinie lässt sich so feststellen, wo sie entsteht und wie hoch dort die Dichte des Gases ist. Des Weiteren kann man damit auch die Bewegung des Roten Riesens um den Weißen Zwerg bestimmen.
Die Strahlung von Sternen
Die Spektren von astronomischen Objekten können drei verschiedene Komponenten enthalten: Kontinuumsstrahlung, Absorptions- und/oder Emissionslinien. Sehr dichte, heiße Materie emittiert ein Kontinuumsspektrum – auch Schwarzkörperspektrum genannt –, das alle Wellenlängen abdeckt. Die Intensität der Strahlung und die Lage des Maximums hängen von der Temperatur und der Größe der Oberfläche des Objekts ab. Sie werden vom planckschen Strahlungsgesetz genau beschrieben. Je heißer und größer der Schwarzkörper ist, desto mehr Strahlung gibt er ab. Sterne strahlen in erster Näherung wie Schwarzkörper.
Wenn Strahlung einer solchen Kontinuumsquelle auf eine Gaswolke trifft, können die Photonen entweder absorbiert oder durchgelassen werden. Das hängt von ihrer Wellenlänge und damit von ihrer Energie sowie von der Temperatur und der Zusammensetzung des Gases ab. Wenn die Photonen die richtige Energie besitzen, können sie von den Elektronen in den Gasatomen absorbiert werden. Deshalb kommt es zu den Absorptionslinien im Spektrum von Sternen, wenn die Strahlung aus ihrem Inneren durch ihre äußeren Gasschichten nach außen tritt.
Eine Kontinuumsquelle kann dünnes Gas zudem aufheizen und infolgedessen zum Leuchten anregen. Dabei entstehen Emissionslinien bei bestimmten Wellenlängen, die von den vorhandenen Atomen oder Molekülen abhängen (siehe »Kontinuum, Emissions- und Absorptionslinien«).
Die Stärke der Emissionslinien ist ein guter Indikator für die Akkretionsrate vom Roten Riesen auf den Weißen Zwerg. Ein Maß für diese ist die Äquivalentbreite, die der Breite eines Rechtecks mit derselben Fläche der Spektrallinie und einer Höhe bis zum Kontinuum entspricht. Die Äquivalentbreite von Absorptionslinien ist dabei so definiert, dass sie positiv ist. Für Emissionslinien ist sie entsprechend negativ.
Durch den Dopplereffekt kann sich die Wellenlänge der Absorptions- und Emissionslinien ändern. Eine Linie, die von einem auf uns zukommenden Objekt ausgesendet wird, erscheint bei einer kürzeren Wellenlänge – sie ist blauverschoben. Analog ist die Strahlung eines sich entfernenden Objekts rotverschoben. Man kann daher die Geschwindigkeit der Quelle in Richtung der Erde durch das Messen der Verschiebung der Spektrallinien bestimmen. Eine Spektrallinie kann auch aus verschiedenen Komponenten (Absorption, Emission) mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten bestehen, was zu einer Verbreiterung der Linie führt.
Eine solche Analyse der Linien von T CrB veröffentlichte das Team um Léa Planquart von der Université libre de Bruxelles im Februar 2025. Es beobachtete Emissionslinien von einem dünnen Gasnebel um das Doppelsternsystem. Außerdem sah es Emissionslinien von Wasserstoff sowie neutralem und ionisiertem Helium, bei dem das Helium ein Elektron verloren hat. Am prominentesten ist die H-alpha-Linie bei 6563 Ångström (1 Ångström = 10–10 Meter), die der Bewegung des Weißen Zwergs folgt und wahrscheinlich durch Wind in seiner Akkretionsscheibe entsteht. Die Stärke der Linie ist somit ein Indikator für die Akkretionsrate von T CrB. Die Emissionslinien von neutralem Helium entstehen am wahrscheinlichsten am Hot Spot, an dem der Materiestrom auf die Akkretionsscheibe trifft. Sie sind damit ebenfalls ein Maß dafür, wie viel Materie vom Begleiter übertragen wird. Zeitweise kann zudem eine Emissionslinie von ionisiertem Helium beobachtet werden, das zur Entstehung eine Temperatur von mindestens 45 000 Kelvin braucht. Das ist so heiß, dass diese Emission weder vom Riesenstern noch vom Hot Spot kommen kann. Die Linie bewegt sich gleichfalls mit dem Weißen Zwerg und hat ihren Ursprung wahrscheinlich am inneren, besonders heißen Rand der Akkretionsscheibe. Die Emissionslinien von Wasserstoff und Helium resultieren also an verschiedenen Stellen in der Akkretionsscheibe um den Weißen Zwerg, und ihre Linienstärken sind – insbesondere zusammen betrachtet – gute Indikatoren für die Akkretionsrate auf den Weißen Zwerg.
Entwicklung des Spektrums
Die zunehmende Stärke der Emissionslinien von T CrB in den Jahren 2016 bis 2023 belegt eine Phase hoher Akkretion (siehe »Entwicklung der Akkretionsrate in T CrB«). Ende 2023 folgte ein Abfall, bevor sie im Jahr 2024 wieder stetig zunahm. Im November 2024 ist die Linienstärke der Emissionslinien des Wasserstoffs kurzzeitig für einige Tage erneut stark angestiegen, und auch die von Helium waren für wenige Tage erneut sichtbar. Leider konnten wir zu dieser Zeit an der Thüringer Landessternwarte keine Beobachtungen durchführen.
Wie eingangs erwähnt, haben wir Mitte Januar 2025 ein weiteres Ansteigen der Stärke der Emissionslinien von Wasserstoff bemerkt, das sich Anfang Februar noch verstärkt hat. Zugleich sind die Emissionslinien des neutralen und ionisierten Heliums beinahe fünfmal stärker als zuvor. Während sich die Emissionslinien in ihrer Höhe und Form damit deutlich wandeln, sehen wir noch keine Änderung in der Helligkeit von T CrB. Dies zeigt, dass das System nach einer kurzen Ruhephase wieder zu einer Phase erhöhter Akkretion zurückgekehrt ist, die kritische Masse zum Zünden der Nova jedoch noch nicht erreicht ist. Momentan lagert sich noch mehr Materie auf der Oberfläche des Weißen Zwergs an.
Wann bricht die Nova aus?
Die beobachteten Spektren und die Lichtkurve von T CrB können uns dabei helfen vorherzusehen, wann der nächste Nova-Ausbruch stattfindet. Die Daten der letzten zwei derartigen Ereignisse zeigen, dass dem Ausbruch im Jahr 1946 zunächst eine ruhige Phase folgte, während derer nur eine geringe Akkretion beobachtet wurde. Einige Jahre vor dem erneuten Ausbruch sollte die Akkretionsrate abrupt auf das 20-Fache ansteigen und sich der Strahlungsfluss im blauen Spektralbereich um fast eine Magnitude erhöhen. Dies wurde, wie oben erwähnt, ab 2016 bei T CrB festgestellt. Während dieser extrem aktiven Phase mit einer sehr hohen Akkretionsrate, die etwa fünf Jahre andauert, kann es durch Instabilitäten in der Akkretionsscheibe zu Auswürfen von Materie kommen, die den Nebel um das System erklären können.
Einige Monate vor dem letzten Nova-Ausbruch im Jahr 1946 ließ sich eine Abschwächung des Strahlungsflusses von T CrB beobachten (englisch: pre-eruption dip). Ende 2023 wurde dies und gleichzeitig auch eine Abschwächung der Akkretionsrate erneut bei T CrB registriert, woraus man schloss, dass die Nova direkt bevorsteht. Dieser Zeitpunkt wäre im letzten Jahr gewesen. Bisher – Stand April 2025 – ist der Nova-Ausbruch jedoch ausgeblieben. Der Vergleich mit der Lichtkurve von 1946 zeigt, dass das Minimum dieses Mal deutlich länger angedauert hat und das System erst jetzt wieder zum vorherigen Zustand zurückgekehrt ist.
Bradley E. Schaefer von der Louisiana State University hat in einer im Jahr 2023 veröffentlichten Arbeit festgestellt, dass die aktive Akkretionsphase dieses Mal etwas schwächer ist als vor 80 Jahren, und daraus geschlossen, dass die anstehende Nova länger auf sich warten lassen könnte. Es ist daher immer noch wahrscheinlich, dass der Ausbruch demnächst passieren wird. Dennoch lässt sich nicht mit Sicherheit vorhersehen, wann genau. Vielleicht hält sich T Coronae Borealis an den Rhythmus der letzten Ausbrüche, und die Nova explodiert Ende des Jahres. Amateure und Profis in der Astronomie aus der ganzen Welt behalten das Sternbild Nördliche Krone im Blick. Es bietet sich eine ausgezeichnete Chance, eine Nova »mit Ansage« zu erleben und von ihr zu lernen.
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