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Coronavirus: Wann kommen die Schnelltests?

Infizierte zu finden, ist immer noch sehr aufwändig. Deshalb versprechen sich Virologen viel von Schnelltests. Doch noch hapert es an der Zuverlässigkeit.
Für manche Schnelltests braucht es nur einen Tropfen Blut

Patienten auf das Sars-Coronavirus 2 (Sars-CoV-2) zu testen, kann zurzeit eine ganze Weile dauern. Eine Fachperson muss dem Patienten einen Abstrich tief aus dem Rachen nehmen, der wird in einem aufwändigen Verfahren aufgereinigt, so dass nur noch die Ribonukleinsäure RNA enthalten ist.

»Das ist ein mehrschrittiges Verfahren, das man nur zum Teil automatisieren kann«, sagt Hendrik Streeck, Leiter des Instituts für Virologie am Universitätsklinikum Bonn. »Das kann man nicht beschleunigen.«

Hinzu kommt, dass die Analysegeräte in den medizinischen Laboren typischerweise 96 Proben auf einmal verarbeiten, also diese Zahl erst einmal zusammenkommen muss. Dann dauert die Analyse selbst noch einmal vier bis fünf Stunden. Inklusive Transport zum und vom Labor können momentan mehrere Tage vergehen. Zeit, in der Patientinnen und Patienten in Ungewissheit schweben – und weitere Menschen anstecken können.

Probe tief aus Rachen oder Nasenhöhle

»Natürlich wäre es toll, wenn wir schnellere Tests hätten«, sagt Daniela Huzly. Sie ist ärztliche Leiterin der Diagnostik am Institut für Virologie des Universitätsklinikums Freiburg. Vielerorts werden solche Forderungen laut. Dabei gilt es, zwei Ansätze zu unterscheiden: echte Schnelltests auf der einen Seite und auf der anderen Seite Geräte, die genauso nach Gensequenzen von Viren suchen, wie es die Labore in Kliniken bereits tun, dabei aber schneller Ergebnisse liefern.

Wie tödlich ist das Coronavirus? Was ist über die Fälle in Deutschland bekannt? Wie kann ich mich vor Sars-CoV-2 schützen? Diese Fragen und mehr beantworten wir in unseren FAQ. Mehr zum Thema lesen Sie auf unserer Schwerpunktseite »Ein neues Coronavirus verbreitet sich weltweit«.

Zur zweiten Gruppe gehört ein so genannter Kartuschentest, wie ihn das Biotech-Unternehmen Qiagen anbietet. Das Gerät selbst hat die Firma schon längere Zeit im Angebot. Allein im Jahr 2019 hat Qiagen nach eigenen Angaben weltweit etwa 1000 der Maschinen verkauft. Jetzt haben Entwickler das bestehende Testkit um den Covid-19-Erreger erweitert.

Auch die Probe für diesen Test muss Fachpersonal entnehmen – tief aus der Nasenhöhle. Das Wattestäbchen mit dem Abstrich kommt in eine Kartusche, und die wird komplett im Gerät versenkt, »wie eine Videokassette in einem Videorekorder«, sagt Qiagen-Entwickler Markus Sprenger-Haussels. Für die Analyse braucht der Apparat etwa eine Stunde.

Ein Kartuschentest hat zwei Vorteile: Er sucht – genau wie die Anlagen in medizinischen Laboren – nach Gensequenzen von Krankheitserregern, ist also sehr zuverlässig. Der zweite: »Wenn Patienten mit Fieber, Erkältungs- oder Grippesymptomen zum Arzt kommen, wird mit diesem Test nicht nur auf das eine neue Coronavirus getestet, sondern auch auf andere Erreger, die ähnliche Krankheitssymptome verursachen«, sagt Sprenger-Haussels.

»Die Schnelltests benötigen wir dringend«
Jonas Schmidt-Chanasit, Universität Hamburg

Die Patientinnen und Patienten erfahren also, welcher Erreger hinter ihrer Krankheit steckt. Neben Sars-CoV-2 und verschiedenen Grippeviren weise der Test das Parainfluenza-, das Respiratorische Synzytial-Virus (RSV) und eine Reihe anderer Krankheitserreger nach.

Zurzeit evaluieren Ärzte in Laboren in Frankreich und China das Qiagen-Testkit für das neue Coronavirus. Auch andere Hersteller wie Cepheit, Genmark oder Becton Dickinson bringen ihre erweiterten Testkits zur Zulassung. Bei Qiagen rechnet man damit, sie in den nächsten Wochen zu erhalten.

Ein Nachteil dieser Systeme: Sie verarbeiten eine einzige Probe auf einmal. Und sie sind ziemlich teuer. »Das ist nichts, was ein Arzt in seiner Praxis machen kann«, sagt Daniela Huzly, die Freiburger Virologin. Wenn sich die Kartuschentests nur für Labore eignen, hält sich die Zeitersparnis aber in Grenzen.

Abhilfe könnten echte Schnelltests schaffen, also Teststreifen, auf die man eine Flüssigkeit aufträgt und wo man nach kurzer Zeit anhand farbiger Streifen das Ergebnis ablesen kann – ähnlich wie bei einem Schwangerschaftstest. »Die Schnelltests benötigen wir sehr dringend, weil sie die Diagnostik sehr vereinfachen könnten«, sagt Jonas Schmidt-Chanasit, Virologe von der Universität Hamburg und Chef der Virusdiagnostik am dortigen Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin: »Wir könnten dann in den Arztpraxen direkt die Patienten testen, hätten innerhalb von 15 bis 20 Minuten das Ergebnis und könnten sofort die Maßnahmen ergreifen, die erforderlich sind.«

Wenn das Immunsystem reagiert

Auch mit diesen so genannten Point-of-Care-Tests ließen sich mehrere Nachweise auf einmal führen, sagt Schmidt-Chanasit. Je nach Machart können Schnelltests Virusantigene nachweisen, also zeigen, dass ein Patient oder eine Patientin akut erkrankt ist.

Darüber hinaus gibt es Tests für Antikörper gegen einen Erreger, der eine Infektion dann nachweist, wenn das Immunsystem reagiert oder reagiert hat. Dabei unterscheiden die Virologen drei Arten: Noch während der akuten Infektion bildet der menschliche Körper Immunglobulin M (IgM) und Immunglobulin A (IgA), nach der Infektion das Immunglobulin G (IgG), das manchmal auch als »Sero-Narbe« bezeichnet wird.

IgM und IgA sind also Hinweise auf eine akute oder kürzliche Infektion, IgG deutet auf eine Immunität gegen einen Erreger hin. »Zum einen können Sie Patienten sagen: ›Sie sind jetzt eben gerade infiziert und müssen entsprechend isoliert werden‹, zum anderen können Sie sagen: ›Sie haben das früher durchgemacht, Sie sind geschützt‹«, fasst Schmidt-Chanasit zusammen.

Weil der Körper aber die Immunglobuline erst Tage nach Beginn der Infektion bildet, befürchten Kritiker, dass Antikörper-Schnelltests erst anschlagen, wenn ein Patient bereits seit Tagen erkrankt ist und ansteckend war.

»Wir sind in Deutschland in der Lage, sehr viel auf einmal zu testen«
Daniela Huzly, Universitätsklinikum Freiburg

Diese Vorbehalte sind nicht unberechtigt: Hendrik Streeck und sein Team vom Universitätsklinikum Bonn haben einen solchen Schnelltest für IgM und IgG der Berliner Firma Pharmact getestet und evaluiert. Dazu haben sie in einem Abstrichzentrum des Roten Kreuzes im besonders betroffenen Kreis Heinsberg in Nordrhein-Westfalen 49 Patientinnen und Patienten mit Corona-Verdacht einen Tropfen Blut abgenommen. Das Blut kommt zusammen mit einer Flüssigkeit auf den Teststreifen.

»Wir haben einige Menschen gefunden, wo der Test angeschlagen hat«, sagte Streeck dem Bayerischen Rundfunk. Eine Person, der es schlecht ging, sei sofort ins Krankenhaus gekommen. Allerdings zeigte der Test im direkten Vergleich mit dem genetischen Nachweis aus dem Rachenabstrich Schwächen: »Wir haben leider gesehen, dass der nur ungefähr ein Drittel der Menschen, die mit Sars-CoV-2 infiziert sind, gefunden und fast 70 Prozent übersehen hat.«

Aus diesem Grund hält Daniela Huzly vom Universitätsklinikum Freiburg den Nutzen dieser Tests zurzeit für begrenzt: »Momentan brauchen wir einen sicheren Nachweis.« Den könnten die Labore deutschlandweit bieten. »Wir sind anders organisiert als andere Länder und wirklich in der Lage, sehr viel auf einmal zu testen.«

Anders kann es bei Schnelltests aussehen, die Antigene des neuen Coronavirus nachweisen, also auf Proteine, auf Bausteine des Virus anspringen. Christian Drosten, Leiter des Instituts für Virologie an der Charité in Berlin und führender Coronavirusexperte in Deutschland, sagte dem Norddeutschen Rundfunk: »Wenn Patienten die ersten Symptome zeigen – das wissen wir inzwischen aus eigener Laborerfahrung –, dann haben sie sehr viel Virus im Rachen.« Das gelte für Menschen egal welcher Altersgruppe. Deshalb dürften Tests, die nach Virusantigenen suchen, vermutlich schon am zweiten Tag mit Symptomen zuverlässig anschlagen. »Das macht mich sehr optimistisch, dass diese Tests gut funktionieren werden und gut empfindlich sein werden.«

Erste zuverlässige Schnelltests in zwei Monaten?

Allerdings funktionieren Antigen-Schnelltests bei Influenzaviren, also den Erregern der Grippe, nicht besonders zuverlässig. Sie schlagen erst an, wenn viele Viren in einer Probe sind – übersehen also unter Umständen Infizierte. Aber auch das Gegenteil ist möglich: »Wir wissen von anderen Proteinschnelltests, dass man da durchaus Falschreaktionen zum Beispiel durch Blut in der Probe haben kann«, sagt Daniela Huzly. »Das können wir momentan absolut nicht brauchen, dass wir falsch positive oder falsch negative Ergebnisse haben.«

Beim Aids-Virus HIV hingegen liefert der Nachweis gute Ergebnisse. »Das ist ein ganz wichtiger Schnelltest, der auch in Afrika große Verwendung findet«, sagt Schmidt-Chanasit. Gerade in Ländern, die sich keine großen Labore leisten könnten, seien Schnelltests dringend notwendig für eine rasche, einfache Diagnostik. »Darum haben sie auch bei der Weltgesundheitsorganisation eine hohe Priorität – doch sie müssen natürlich gut funktionieren.«

Jonas Schmidt-Chanasit legt dabei größeren Wert darauf, dass ein Test tatsächlich alle Infizierten findet. Das Gegenteil sei viel eher zu verschmerzen: »Dann geht jemand in Quarantäne, der kein Corona hat«, sagt er, »das wäre aber nicht so dramatisch, wie wenn wir massenhaft Corona-Infizierte nicht erfassen würden.«

In ein bis zwei Monaten – so schätzen die Experten – werden die ersten dieser Antigen-Schnelltests erhältlich sein. Wenn diese Tests in großer Menge verfügbar sind, könnten sie bei der Testung tatsächlich Erleichterung verschaffen, erwartet Christian Drosten: »Meine Schätzung ist, dass wir den PCR-Test, der ja sehr aufwändig ist, dann zum Teil ablösen können.«

Dieser Beitrag erschien zuerst im Onlinemagazin »RiffReporter«.

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