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Gewitter-Physik: Warum Blitze Nadeln bilden

Mit dem Radioteleskop-Array LOFAR entdecken Fachleute bisher unbekannte Strukturen, die eine rätselhafte Radiostrahlung der Blitze erklärt.
Blitze in den Rincon Mountains

Eine neu entdeckte, seltsame Erscheinung in der Struktur von Blitzen beantwortet eine lange offene Frage der Blitz-Physik – und wirft gleichzeitig viele neue Fragen auf. Wie ein internationales Team um Brian M. Hare von der Universität Groningen berichtet, stehen von Blitzen unsichtbare, bis zu 100 Meter lange »Nadeln« ab. Sie erzeugen Radiowellen, die man bisher zwar gemessen hatte, für die es bislang aber keine physikalische Erklärung gab.

Ausgangspunkt dieses neu entdeckten Phänomens ist der positive Leitblitz – einer der beiden Kanäle, die innerhalb der Wolke entstehen, weil freie Elektronen und positiv geladene Ionen von einem gemeinsamen Ausgangspunkt zu jeweils entgegengesetzt geladenen Bereichen wandern. Diese elektrisch leitfähigen Kanäle bahnen der eigentlichen Blitzentladung den Weg.

Lange bekannt ist, dass der negative Leitblitz aus den freien Elektronen, der in Regionen mit positiven Ladungen vordringt, sich ruckartig voranbewegt und dabei Pulse von hochfrequenten Radiowellen erzeugt. Sein gleichzeitig entstandenes positives Gegenstück bewegt sich dagegen wegen der schweren Ionen langsamer und gleichmäßig, so dass keine vergleichbaren Pulse entstehen sollten. Tun sie aber trotzdem.

Mit Hilfe des Radioteleskopnetzwerks LOFAR modellierten Hare und sein Team nun extrem detaillierte dreidimensionale Karten der Radioemissionen einzelner Blitze. Wie sie in »Nature« berichten, entdeckten sie dabei bislang unbekannte Strukturen, die vom positiven Leitblitz ausgehen und senkrecht zu diesem bis zu 100 Meter weit abstehen. Diese »Nadeln« entstehen, weil der positive Leitblitz selbst sich kurzzeitig in einen positiv und einen negativ geladenen Teil aufspaltet. Die freien Elektronen im negativen Bereich schlagen daraufhin eigene Kanäle durch die umgebende Luft.

Ursache der Ladungstrennung ist der Blitz selbst – genauer gesagt seine jähe Unterbrechung. Der Widerstand auf dem Weg der Blitzentladung ist nicht konstant: je schwächer der Strom, desto höher der Widerstand. Dieser Effekt führt am Ende der Blitzentladung zu einem Teufelskreis aus immer weniger Strom und immer höherem Widerstand, am stärksten bei den schweren positiven Ladungsträgern. Deswegen bricht der Stromfluss nahe dem Ansatzpunkt des positiven Leitblitzes zusammen.

Die positiven Ladungsträger sammeln sich in der Spitze des Kanals; weiter hinten, nahe am Punkt des Zusammenbruchs, ist dagegen die Konzentration negativer Ladungen erhöht. Der Bereich um den Leitblitz ist nun elektrisch neutral, weil das elektromagnetische Feld der Blitzentladung alle negativen Ladungen im näheren Umfeld weggefegt hat – so dass die freien Elektronen ihrerseits kleine negative Leitblitze bilden und als »Nadeln« die bisher mysteriöse Strahlung aussenden.

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