Supershear-Bruch: Warum das Myanmar-Beben so zerstörerisch war

Das schwere Erdbeben der Magnitude 7,7, das am 28. März 2025 Myanmar erschütterte, gehörte anscheinend zum seltenen Typ der »Supershear«-Beben. Dabei breitet sich der Bruch außergewöhnlich schnell entlang der Verwerfung aus und verstärkte so die Zerstörungen. Mindestens 2700 Menschen starben – und die Zahl der Toten wird wohl noch deutlich steigen.
Diese Art des Bruchs ist »das Erdbeben-Äquivalent zum Überschalljet«, schreibt Frederik Tilmann, Seismologe am GFZ Helmholtz-Zentrum für Geoforschung in Potsdam, in einer Analyse auf Linkedin. Diese Einschätzung ist zwar bisher nur vorläufig, doch inzwischen tendieren mehrere Arbeitsgruppen zu diesem Supershear-Szenario.
Sollte das stimmen, dann wäre die geologische Störungszone – die enorme Sagaing-Verwerfung, die sich von Nord nach Süd durch Zentralmyanmar zieht – womöglich auf einer Länge von 400 Kilometern oder mehr gebrochen. Anhand von Satellitenbildern vor und nach der Katastrophe könnten Fachleute das schon in den nächsten Tagen überprüfen.
Bei Supershear-Beben pflanzt sich der Bruch in der Erde schneller fort als die von ihm erzeugten seismischen Wellen. Dieser Effekt bündelt die seismische Energie vor der Spitze des Bruchs. Das verursacht größere Schäden in größerer Entfernung, als man bei einem normalen Beben erwarten würde. So stürzte zum Beispiel in Bangkok der Rohbau eines Hochhauses ein, obwohl die Stadt 1000 Kilometer vom Epizentrum des Erdbebens entfernt liegt.
Datenlücke in der Bebenlücke
Schäden durch das Beben betreffen große Teile Myanmars und im geringeren Maß auch das benachbarte Thailand. Der in Myanmar laufende Bürgerkrieg, der im Jahr 2021 mit einem Putsch des Militärs begann, behindert zusätzlich die Katastrophenhilfe. Durch den Staatsstreich sind Fachleute auch weniger in der Lage, die seismische Aktivität in Myanmar zu überwachen. In den 2010er Jahren war die Bebenbeobachtung dort noch ausgeweitet worden, zum Teil dank internationaler Kooperationen.

Heute gibt es weniger Seismometer als vorher, die Informationen an Myanmars Behörde für Meteorologie und Hydrologie (DMH) weiterleiten. Letztes Jahr zum Beispiel baute das Earth Observatory of Singapore (EOS) zwei Drittel seines seismischen Netzwerks in Myanmar »wegen des Putschs, der Pandemie und logistischer Probleme« ab, erklärt der Seismologe Shengji Wei vom EOS. Die verbleibenden zehn Stationen spendete es dem DMH, dessen Fachleute nun nach dem Beben prüfen, welche Daten man von ihnen noch bergen kann.
Mindestens zwei seismische Stationen in Myanmar, die in Zusammenarbeit mit dem US Geological Survey verbessert worden waren, hätten tatsächlich während des Erdbebens Daten gesammelt, sagt Susan Hough, Seismologin vom USGS in Pasadena, Kalifornien. Fachleute nutzen außerdem Daten vom nationalen seismischen Netzwerk in Thailand, um besser zu verstehen, was während des Bebens passierte und vor allem, um Nachbeben zu überwachen.
Eines der stärksten Erdbeben seines Typs
Die Region ist geologisch aktiv, eingezwängt in der Kollisionszone zwischen den Indischen und Eurasischen Erdplatten. Die Sagaing-Verwerfung ist eine Seitenverschiebung, vergleichbar mit der San-Andreas-Verwerfung in Kalifornien. Dort gleiten zwei Teile der Erdkruste aneinander vorbei. Seit 1990 traten in der Region sechs Beben mit einer Magnitude der Stärke 7 oder mehr auf. Fachleute weisen darauf hin, dass der am 28. März 2025 gebrochene Abschnitt der Sagaing-Verwerfung in einer »seismischen Lücke« lag. Dort hatte es lange Zeit keine Beben mehr gegeben.
Vorläufige Beobachtungen legten nahe, dass sich die beiden Seiten der Verwerfung um bis zu 6,5 Meter aneinander vorbeibewegt haben, sagt Judith Hubbard, Mitautorin des Newsletters »Earthquake Insight« und Bebenforscherin an der Cornell University. Das resultierende Erdbeben sei »eines der stärksten Beben an einer Seitenverschiebung, die wir bisher gesehen haben«.
Die Geschwindigkeit, mit der sich das Beben in der Verwerfung fortpflanzte, war ebenfalls erstaunlich. Der gesamte Bruch habe sich binnen rund 90 Sekunden abgespielt, sagt Hubbard. Ein Ast der Verwerfung brach Richtung Norden, der andere Richtung Süden. Mehrere Analysen der durch die Erdkruste wandernden Bebenenergie anhand von Seismometern außerhalb von Myanmar legen nahe, dass es der nach Süden laufende Bruch war, der zu einem Supershear-Erdbeben wurde.
In Myanmar selbst helfen derweil mehrere internationale Gruppen bei den Rettungsbemühungen. Auffällig verzögert sind Hilfsbemühungen der USA, nachdem Präsident Trump den größten Teil der US-Behörde für internationale Entwicklung (USAID) abwickelte. Diese Organisation ist normalerweise verantwortlich für Hilfe bei internationalen Katastrophen. Am 31. März erklärte allerdings die Regierungssprecherin Tammy Bruce vor der Presse, sie »weise die Annahme zurück«, dass die Hilfe durch die Einschnitte verzögert werde und dass US-Fachleute helfen würden.

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