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Elektronische Gesichtserkennung: Warum die Mimik nichts über Gefühle verrät

Wütend, fröhlich, traurig? Irgendwann einmal sollen Algorithmen unsere Emotionen vom Gesicht ablesen. Nun sagen Forscher: Das wird wohl nie klappen.
Ein Mann, der gähnt

Der Mann im Bild – gähnt er? Singt er? Schreit er vielleicht sogar? Es ist gar nicht so leicht, die Mimik eines Menschen zu lesen. Geschweige denn daraus Rückschlüsse auf den Gemütszustand einer Person zu ziehen. Genau das sollen aber in naher Zukunft Computeralgorithmen zur Gesichtserkennung leisten. Nun haben Forscher um den technischen Informatiker Aleix Martinez von der Ohio State University erklärt, dass eine Software dazu aber wohl nie in der Lage sein wird. So würde der Gesichtsausdruck nicht verlässlich vermitteln, was ein Mensch gerade fühle, berichteten die Wissenschaftler am Wochenende auf der Jahreskonferenz der American Association for the Advancement of Science.

Denn Menschen könnten ihre Mimik auch verstellen. Außerdem sind bestimmte Gesichtsausdrücke für verschiedene Gefühle gültig. Die Psychologin Lisa Feldman Barrett von der Northeastern University, die ebenfalls zu diesem Thema auf der Wissenschaftskonferenz sprach, zitierte Studien, dass wütende Menschen tatsächlich nur in 30 Prozent der Fälle mürrisch dreinschauten. Dieselbe Mimik würden sie auch aufsetzen, wenn sie konzentriert seien oder auf einen schlechten Witz reagierten.

Ein weiteres Problem bringen unterschiedliche kulturelle Prägungen mit sich. Ein Beispiel: Wenn jemand seine Augen weit öffnet und dabei die Brauen hebt, vermittelt diese Mimik im mitteleuropäischen Kulturkreis meistens Überraschung. In einigen Ländern Südosteuropa und in Anatolien ist es üblich, mit diesem Ausdruck schlicht Nein zu sagen.

Der Kontext zählt

Wie Martinez und seine Kollegen weiter berichten, hätten verschiedene Unternehmen bereits Algorithmen entwickelt, die Emotionen aus dem Gesichtsausdruck ableiten könnten. Die Forscher haben diese Arten von KI geprüft. Das Fazit der Forscher: »Einige (Firmen) behaupten, sie könnten feststellen, ob jemand eines Verbrechens schuldig ist oder nicht, ob ein Schüler im Unterricht aufpasst oder ob ein Kunde mit seinem Einkauf zufrieden ist«, sagt Martinez. »Unsere Forschungen haben ergeben, dass diese Versprechen totaler Quatsch sind.« Als besonders problematisch würden sich solche Gesichtserkennungsprogramme dann erweisen, wenn auf der Basis ihrer Ergebnisse etwa berufliche Entscheidungen getroffen werden.

Letztlich zähle der gesamte Kontext, um die Emotionen einer Person zu lesen, betonen die Forscher. Also nicht nur welche Mimik ein Mensch zeigt, sondern seine Gesichtsfarbe und Körperhaltung sowie der Ort, an dem man sich befindet.

Und was ist mit dem Mann auf dem Bild ganz oben? Was tut er nun wirklich? Er gähnt offenbar.

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