Direkt zum Inhalt

Evolution: Warum kennen Hunde keine Angst vor Schlangen?

Uns Menschen ist der Respekt vor allem, was da schlängelt, vermutlich angeboren. Nicht so den Hunden. Ein Test zeigt nun: Sie finden Giftschlangenduft sogar richtig attraktiv.
Hund nähert sich einer Schlange auf einem Baumstumpf

Die meisten Menschen scheuen den Kontakt mit Schlangen – selbst wenn sie noch nie schlechte Erfahrungen mit den Reptilien gemacht haben. Diese instinktive Abneigung ist vermutlich ein evolutionäres Überbleibsel unserer Vergangenheit und soll uns vor gefährlichen Bissen schützen. Anders geht es Hunden: Zum Leidwesen ihrer Besitzer nähern sie sich allen Schlangen oft völlig unbefangen an. In Europa kann ihnen die Kreuzotter gefährlich werden, in den USA beißen zigtausendmal im Jahr vor allem die Klapperschlangen zu.

Neugier ist die treibende Kraft hinter diesen Begegnungen, meinen Forscher um Michele Mulholland von der California State University in San Marcos. Bei ihrem Experiment wirkte der Geruch einer Giftschlange auf Hunde sogar noch anziehender als der einer ungiftigen Schlange.

Für ihre Veröffentlichung im Journal »Applied Animal Behaviour Science« beobachteten sie, wie sich 117 Haushunde vier verschiedenen Duftproben näherten und diese inspizierten. Dazu hatten sie eine Maus, eine Nacktschnecke sowie eine Klapperschlange und eine Boa, also eine ungiftige Würgeschlange, auf Zeitungspapier gesetzt, bis sich der Geruch der Tiere darauf übertragen hatte. Zwar erwies sich der Mausgeruch immer noch am attraktivsten für die Hunde, doch der Vergleich zwischen Klapperschlange und Boa zeigte, dass das giftige der beiden Reptilien deutlich mehr Aufmerksamkeit auf sich zog als das ungiftige. Am wenigsten interessant fanden die Hunde den Geruch der Nacktschnecke.

Um in Erfahrung zu bringen, ob die Tiere beim Schnuppern Angst empfanden, protokollierten sie, mit welchem Nasenloch die Hunde den Duft inspizierten. Studien haben gezeigt, dass die Vierbeiner nach Gefahr riechende Substanzen mit dem rechten Nasenloch – und dementsprechend primär mit ihrer rechten Gehirnhälfte – erschnuppern. Im Experiment sogen die Hunde jedoch alle Gerüche mit beiden Nasenlöchern ein, Angst war demnach nicht im Spiel.

Aus Sicht der Evolutionsbiologie sind die Ergebnisse rätselhaft. Warum kennen Hunde keine angeborene Furcht vor Schlangen, obwohl deren Bisse regelmäßig tödlich enden? Seit jeher haben Hunde und ihre wilden Vorfahren Kontakt zu Giftschlangen – ausreichend Zeit also, um einen solchen Schutzinstinkt zu verankern. Ist er vielleicht den Hunden durch Jahrtausende der Zucht abhandengekommen? Das könnte ein Nachfolgeexperiment mit Wölfen beantworten helfen. Sollten auch diese keine Schlangenangst haben, dann vielleicht weil die Reptilien am Ende doch keine große Bedrohung für sie darstellen. Ein wild lebender Wolf lässt sich womöglich weniger leicht beißen als ein aufgedrehter, spielwütiger Hund. Alternativ könnte die Lösung für das Rätsel bei den Schlangen zu suchen sein: Als Lauerjäger sind sie darauf angewiesen, sich nicht durch ihren Geruch zu verraten, weder an ihre Beute noch an eventuelle Räuber. Möglicherweise maskieren sie darum Elemente in ihren Ausdünstungen, die anderen Tieren als Warnung dienen könnten. Für die afrikanische Puffotter haben Wissenschaftler eine solche chemische Tarnung bereits nachgewiesen.

Schreiben Sie uns!

Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.

Partnerinhalte

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.