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Medizinischer Einzelfall: Warum man keine Hundertfüßer kauen sollte

Insekten und andere Wirbellose sind als Nahrungsmittel im Trend. Doch von Hundertfüßern sollte man nicht nur wegen ihres Giftes Abstand nehmen.
Hundertfüßer

Ratten-Lungenwürmer (Angiostrongylus cantonensis) sind extrem unangenehme Parasiten: Wie der Name andeutet, sind Ratten ihre Hauptwirte, doch als Zwischenwirte dienen auch Schnecken und Krabben. Eine Infektion beim Menschen führt zu Meningoenzephalitis, also eine Hirnhautentzündung, starken Kopfschmerzen und Lähmungen bis hin zu Koma und Tod. Laut dem Mediziner Huijie Wang und seinem Team aus der chinesischen Provinz Guangzhou können sich Menschen den Parasiten aber auch durch einen eher ungewöhnlichen Zwischenwirt einfangen, wie sie im »American Journal of Tropical Medicine and Hygiene« schreiben. Die Mediziner berichten über einen 46 Jahre alten Mann und seine 78-jährige Mutter, die nacheinander ins Krankenhaus eingewiesen wurden, nachdem sie jeweils knapp drei Wochen unter Benommenheit, Gedächtnisschwäche und starken Kopfschmerzen gelitten hatten.

Eine Untersuchung zeigte, dass beide in ihrer Hirn-Rückenmarks-Flüssigkeit einen hohen Anteil an Eosinophilen aufwiesen. Diese zu den Leukozyten zählenden Bestandteile des Immunsystems deuten starken Parasitenbefall an, der sich letztlich als Ratten-Lungenwurm herausstellte. Eine Befragung erbrachte dann den Infektionsweg: Der Mann hatte Gerüchte gehört, dass das Kauen roher Hundertfüßer angeblich präventiv gegen Grippe wirken würde. Deshalb aß nicht nur er die giftigen Wirbellosen, sondern verabreichte sie auch seiner Mutter, weshalb sich beide mit den Parasiten ansteckten. Beide erfreuten sich zuvor bester Gesundheit.

Hundertfüßer erfreuen sich in der Traditionellen Chinesischen Medizin großer Beliebtheit, doch werden sie normalerweise getrocknet und pulverisiert oder in Alkohol eingelegt verkauft – beides zerstört die Lungenwurmlarven. Auf lokalen Märkten konnten Wang und Co jedoch dutzende lebende Hundertfüßer finden; 20 davon kauften sie für ihre Studie: In sieben wiesen sie den Parasiten nach. Beide Patienten mussten sich einer dreiwöchigen antiparasitären Behandlung unterziehen, danach konnten sie das Krankenhaus erfolgreich genesen wieder verlassen. Gegenüber »Infectious Disease News« äußerte sich die an der Studie beteiligte Medizinerin Lingli Lu: »Wir sollten keine rohen Hundertfüßer essen. Gutes Kochen ist wichtig, um uns vor Krankheiten zu schützen, die durch Essen übertragen werden können.«

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