Entwicklungspsychologie: Warum mancher tyrannische Anführer anziehend findet
Etliche egoistische, manipulative und herrschsüchtige Führungskräfte in Wirtschaft oder Politik sind trotz ihres Auftretens bei vielen beliebt. Womöglich sind die Gründe in der Kindheit der Anhängerschaft zu suchen, wie Wissenschaftler um Dayna Herbert Walker von der San Francisco State University berichten. Laut ihrer Studie besteht eine Verbindung zwischen dem familiären Umfeld einer Person in deren Kindheit und den Führungspersönlichkeiten, die diese als Erwachsene bevorzugt: Jugendliche, die über ein hohes Maß an Konflikten zu Hause berichteten, identifizierten später sozial unerwünschte Eigenschaften eher als ideale Führungsqualitäten.
Die Langzeitstudie begann bereits 1979. Damals befragten Forscher die Eltern von 130 Neugeborenen. Für die jetzige Analyse untersuchten Walker und ihre Kollegen die Daten von 102 Teilnehmern, die sie 1996 erhoben hatten, als diese 17 Jahre alt waren. Die Jugendlichen sollten ihre Familiendynamik schildern, etwa ob Personen in ihrem Haushalt ihre Stimme erhoben, sich gegenseitig ständig kritisierten oder körperlich gewalttätig waren. Zwei Jahrzehnte später baten die Wissenschaftler die Teilnehmer, anhand bestimmter Eigenschaften einen idealen Anführer zu beschreiben. Diejenigen, die in der Adoleszenz ein hohes Konfliktniveau erlebt hatten, bevorzugten mit 20 Prozent größerer Wahrscheinlichkeit ein tyrannisches Führungsmodell. Herrschsüchtig, aufdringlich, dominant, manipulativ, machthungrig, eingebildet, laut, egoistisch, unausstehlich und fordernd waren Merkmale, die ihr Bild eines idealen Führers prägten.
Laut den Forschern habe man bislang in der Regel die Führungspersönlichkeiten selbst analysiert, um ihr Verhalten und ihre Akzeptanz zu verstehen. Die Ergebnisse deuteten darauf hin, dass man auch die Anhängerschaft in potenzielle Erklärungsmodelle mit einbeziehen sollte: »Tyrannen, ob im Sitzungssaal oder in der Politik, hätten nicht die Macht, die sie haben, wenn ihre Anhänger sie nicht unterstützen würden«, so Herbert Walker.
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