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Tumorforschung: Megamolekül schützt Nacktmulle vor Krebs

Nacktmulle im Bau

Nacktmulle (Heterocephalus glaber) verfügen augenscheinlich über eine sagenhaft effektive Krebsabwehr: Obwohl die Tiere überdurchschnittlich lange leben, entwickeln sich kaum jemals Tumoren in ihren verschiedenen Körpergeweben, wie Langzeitbeobachtungen bestätigen. Forscher um Vera Gorbunova von der University of Rochester vermuteten bereits, dass die Zellen im Nacktmullgewebe sich gegenseitig überwachen und ein mögliches Entarten früh unterbinden können. Nun glauben sie auch zu wissen, wie der dahinterstehende Kontrollmechanismus arbeitet: In der Haut vermittelt ein extrazelluläres Riesenmolekül.

Nacktmullschutz gegen Krebs: Zusammenhalt durch Riesenzucker

Den Forschern war aufgefallen, dass ein bestimmtes kettenförmiges Zuckermolekül – das Hyaluronsäure-Glykosaminoglykan, ein wichtiger Bestandteil der so genannten extrazellulären Matrix zwischen den Zellen etwa der Haut – in Nacktmullen rund fünf Mal größer ist als in Menschen oder Mäusen. Dies liegt vor allem daran, dass die Herstellung der Hyaluronsäure (HA) mit einem veränderten Spezialenzym erfolgt und HA-abbauende Enzyme in den Tieren weniger aktiv sind. Die riesenhaften Matrixketten halten nun offenbar einzelne Zellen in engerem Kontakt. So ermöglichen sie, dass schon in der Frühphase einer Entartung Alarm gegeben und diese in der Anfangsphase gestoppt werden kann.

Nacktmulle im Bau | Zwei Nacktmulle im Bau: Die Nager können 30 Jahre alt werden – während die etwa gleich großen und schweren Hausmäuse nach spätestens vier Jahren sterben. In seiner langen Lebenszeit ist das Tier zudem gut gegen Krebs geschützt. Selbst bei einer über 15 Jahre laufenden Langzeitbeobachtung einer Nacktmullkolonie im Zoo ist Forschern nie ein Tumor aufgefallen.

Den Alarmmechanismus hatten die Forscher zuvor early contact inhibition (ECI, etwa "Frühkontakthemmung") getauft: Er sorgt dafür, dass Zellen Wachstum und Teilungsrate schon in einem frühen Stadium bremsen. Ausgelöst wird die ECI aber ab einer bestimmten Schwellendichte, die über die extrazelluläre Matrix vermittelt wird. Der Mechanismus kommt bei Nacktmullen wie Mäusen vor – in Letzteren reagiert er aber erst bei viel dichter gepackten Geweben, womöglich, spekulieren die Forscher, eben auch wegen der insgesamt kürzeren Matrix-HA-Ketten.

Experimentell veränderte Nacktmulle mit kurzen HA erwiesen sich im Versuch der Forscher tatsächlich als tumoranfällig. Als Schnittstelle zwischen den langen Matrixketten und den einzelnen Zellen machte das Team den Rezeptor CD44 aus: Wird diese HA-Andockstelle blockiert, so verhindert das ebenso den früh bremsenden ECI-Mechanismus im Gewebe. Der Eingriff sorgt zudem dafür, dass die sonst wenig tumoranfälligen Nacktmullzellen nun gegen onkogene Viren sensibel werden.

Die typische Form der Nacktmull-HA könnte im Lauf der Evolution übrigens durchaus auch aus anderen Gründen als der Tumorabwehr evolviert sein, meinen Gorbunova und Kollegen. Denn Haut und oberes Bindegewebe der Mulle sind mit den langkettigen HA-Ketten auch deutlich elastischer und verformbarer, was ein Vorteil bei Leben unter der Erde sein kann, wo man sich häufiger durch ausgeprägte Engpässe quetschen muss.

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