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Lithium-Ionen-Akkus: Warum Robotaxis bei den Protesten in L.A. vollständig abbrannten

Während Protesten in Los Angeles lösten Brände in mehreren Lithium-Ionen-Akkus der Waymo-Robotaxis ein thermisches Durchgehen aus. Die Temperaturen stiegen auf über 1000 Grad, während sich giftiger Fluorwasserstoff ausbreitete.
Ein ausgebranntes Autowrack steht auf einer Straße, umgeben von Trümmern. Im Hintergrund sind Straßenschilder zu sehen, die nach Norden und Süden weisen. Bäume und ein Zaun säumen die Straße.
Überreste eines Waymo-Fahrzeugs nach einer Nacht der Proteste in Los Angeles.

Man stelle sich einmal vor, ein Auto brennt derart, dass es zu verdampfen scheint und die Straße darunter abzusinken beginnt. Das geschah am Wochenende bei Protesten in Los Angeles, als Demonstranten Robotaxis von Waymo in Brand steckten. Das Unternehmen setzt für seine vollautonom fahrenden Taxis auf das Jaguar-Modell I-Pace. Als sich der Rauch verzogen hatte, war die gesamte Hülle der Autos – Dach, Türen, Motorhaube, Kofferraum und Karosserieteile – verschwunden. Übrig blieben nur die Felgen und Spuren der Aluminiumkarosserie.

Warum haben die Brände solche Zerstörungen verursacht? Die Antwort steckt in der Batterie. In jedem I-Pace können etwa 90 Kilowattstunden chemischer Energie gespeichert werden – ungefähr so viel wie in der Menge von 77 Kilogramm TNT steckt. Diese Energie verteilt sich auf Hunderte von Lithium-Ionen-Zellen, die, von einem entflammbaren Elektrolyt umgeben und durch Polymerfolien getrennt, so dünn sind wie eine Chipstüte. Wird eine solche Zelle durchstochen oder stark erhitzt – oder wird sie durch einen Brandsatz angezündet –, erzeugen chemische Reaktionen mehr Wärme, als die Zelle abführen kann. Eine Kettenreaktion kommt in Gang, die sich über die benachbarten Zellen fortsetzt. Dieser Vorgang wird als »thermisches Durchgehen« bezeichnet. Laut einer Studie aus dem Jahr 2024 im »Journal of Power Sources« kann die Temperatur der Batterie beim Brennen auf über 1000 Grad ansteigen.

An diesem Punkt wird das Zellpaket zu seinem eigenen Ofen. Zuerst versagen die Aluminiumteile im Fahrzeugboden. Sie verflüssigen sich bei etwa 660 Grad und nehmen den Unterboden mit. Magnesiumteile wie etwa die Rahmen der Sitze, die Halterung für die Lenksäule und der Querträger hinter dem Armaturenbrett glühen weiß. Magnesiumbleche können Feuer fangen und heftig brennen. Kunststoffe verdampfen, Räder verlieren ihre Reifen, und selbst der Lidarsender auf dem Dach ähnelt schnell einem geschmolzenen Marshmallow. Eibe Studie aus dem Jahr 2025 in »Fire Technology« und aus dem Jahr 2023 in »Applied Energy« bestätigen, dass die Platzierung der Batterie unten am Fahrzeug den Boden zur heißesten Zone macht. Im Brandfall strahlen Flammen nach oben und nach außen wie bei einem Topf auf dem Gasherd.

Dabei strömt aus den Batteriezellen Fluorwasserstoff aus, ein giftiges, lungenreizendes Gas, das in Labortests mit handelsüblichen Lithium-Akkus nachgewiesen wurde. Auch deshalb ist es beunruhigend zu sehen, wie nah die Demonstranten bei den Protesten gegen die Razzien der Bundesbehörden gegen Einwanderer um brennende Waymo-Taxis herumstehen. In der Vergangenheit erlitten Ersthelfer ohne Atemschutz bei brennenden Lithium-Ionen-Akkus Verbrennungen im Halsbereich und bekamen Atembeschwerden. Je nach Fluorwasserstoffkonzentration kann eine exponierte Person innerhalb von Minuten Blut husten. Während Konzentrationen von mehr als 30 Partikeln pro Million (ppm) bereits stark gesundheitsgefährdend sind, können 50 ppm tödlich sein, wenn sie eine halbe bis eine Stunde lang eingeatmet werden, teilen die U.S. Centers for Disease Control and Prevention auf ihrer Homepage mit. Die Environmental Protection Agency schätzt, dass es ebenfalls tödlich ist, wenn man über zehn Minuten lang einer Konzentration von 170 ppm ausgesetzt ist. Messungen in der Nähe von brennenden Elektrofahrzeugen zeigen Spitzenwerte von 150 bis 450 ppm, wobei die Werte während eines Großteils des Brandes um die 50 ppm liegen.

Bei Anschlägen hilft auch die Steuerung nicht

Feuerwehrleute haben Respekt vor solchen Bränden, denn flammenhemmende Schäume helfen hier wenig. Sie setzen stattdessen auf Geräte wie Hochdruckwasserlanzen. Um eine Batterie nach thermischem Durchgehen zu löschen, muss die Temperatur für jede einzelne Batteriezelle unter eine bestimmte Schwelle sinken. Laut einem Interview mit Thayer Smith von der Feuerwehr in Austin, Texas, aus dem Jahr 2021 verschlingt das etwa 114 000 bis 151 000 Liter Wasser. Das ist mindestens das 40-fache der Wassermenge, die zum Löschen eines brennenden Benzinautos benötigt wird. Wenn man die Flammen nicht konsequent genug eindämmt, entzündet sich die die Batterie noch Stunden später erneut – eine Besonderheit, auf die das National Transportation Safety Board in seinem 2020 erschienenen Bericht zur Brandbekämpfung von Elektrofahrzeugen hinweist.

Fahrzeugentwickler haben in der Vergangenheit bereits einige Sicherheitsmechanismen eingebaut. So überwacht eine Software die Zelltemperaturen und verlangsamt die Ladegeschwindigkeit der Batterien, um eine Überhitzung zu verhindern. Und sie schaltet automatisch den Strom ab, wenn etwas nicht in Ordnung zu sein scheint. Doch auch der beste Code kann die Chemie nicht umschreiben: 2023 rief Jaguar mehr als 6400 I-Pace-Fahrzeuge zurück, nachdem mindestens ein Dutzend von ihnen durch überhitzte Batterien in Brand geraten war – wahrscheinlich kam es auf Grund von Fertigungsfehlern in ihren Pouch-Zellen zu einem Kurzschluss. Sechs der Brände ereigneten sich, während das Auto entweder gerade geladen wurde oder wenige Minuten danach. Die Waymo-Flotte erhielt ein Update, um die Batterien besser zu regulieren. Doch die Software hilft nicht, wenn jemand das Autofenster zerschlägt und den Innenraum anzündet, wie die »Los Angeles Times« berichtet.

Elektroautos brennen seltener als Benziner

Hätten andere Fahrzeuge von Waymo genauso heftig brennen können? Nur mit erheblich größerem Aufwand. Die früheren Chrysler-Pacifica-Hybride des Unternehmens, die seit 2023 ausgemustert wurden, speicherten ein Zehntel ihrer Batterieenergie in einer Stahlrahmenhülle. Stahl bleibt noch bei mehr als 1300 Grad formstabil, so dass man die Karosserie auch nach einem typischen Brand noch erkennen könnte. Um ein thermisches Durchgehen zu verhindern, bestehen die Batterien von Tesla aus tausenden kleinen zylindrischen Zellen, die in einer Aluminiumschale mit Titan-Unterseite und eingebauten Feuerschutzvorrichtungen eingeschlossen sind. Auch die Akkus der meisten anderen Hersteller befinden sich heute in ähnlich stabilen Aluminium- oder Stahlgehäusen, und sie basieren zunehmend auf weniger flüchtigen chemischen Verbindungen.

Und noch etwas steht fest: Die Szenen in Los Angeles sind kein Indiz dafür, dass Elektroautos besonders brandanfällig wären. Eine finnische Studie aus dem Jahr 2023 zeigte, dass Elektroautos seltener Feuer fangen als Benziner. Aber wenn ein Elektroauto brennt, ändert sich die Situation grundlegend. Man kämpft nicht mehr gegen eine Benzinpfütze auf dem Asphalt, sondern gegen eine energiedichte Metalloxidbatterie. In solchen Fällen kann ein einziger Molotowcocktail ein schnittiges Robotaxi in eine Lache aus geschmolzenem Metall verwandeln.

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  • Quellen
Jingyuan Zhao et al., Journal of Power Sources 10.1016/j.jpowsour.2024.234111, 2024
Sungwook Kang et al., Applied Energy 10.1016/j.apenergy.2022.120497, 2023
Sungwook Kang et al., Fire Technology 10.1007/s10694–024–01694–7, 2025
Linja-Aho, V., WSEAS Transactions on Environment and Development 10.37394/232015.2023.19.119, 2023

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