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Vogelschutz: Warum Stadtvögel nicht richtig flügge werden

Auf dem Land ist es ein bekanntes Problem: Feldvögel finden längst nicht mehr genügend Insekten zum Fressen. Offenbar trifft das inzwischen auch für die Tiere in der Stadt zu.
Eine Kohlmeise, Parus major

Der Rückgang zahlreicher Insektenarten hat bekanntlich einen negativen Effekt auf die Nahrungskette: So finden viele Vogelarten, die sich von Insekten ernähren, oft nicht genug Getier, um ihren Nachwuchs zu füttern. Bislang dokumentierten Experten dieses Problem vor allem für Feldvögel im ländlichen Raum. Doch offenbar gilt jene Beobachtung auch für Tiere in Städten. Wie ausgeprägt das Problem tatsächlich ist, haben Vogelkundler von der Pannonischen Universität im ungarischen Veszprém und der University of Sheffield für eine städtische Umgebung untersucht. Sie führten verschiedene Versuchsreihen mit Kohlmeisen (Parus major) durch und stellten fest: Die urbanen Vertreter der Spezies waren weniger erfolgreich bei der Aufzucht ihres Nachwuchses als Kohlmeisen, die in Laubwäldern nisten. Wie die Forscher um Gábor Seress im Fachblatt »Journal of Animal Ecology« beschreiben, führen sie den Unterschied darauf zurück, dass die Waldbewohner mehr nährstoffreiche Insekten für ihre Nestlinge finden.

Für ihre Studie haben die Wissenschaftler mehrere Versuche durchgeführt: Sie beobachteten nistende Kohlmeisen in Parks und Friedhöfen von Veszprém sowie Tiere derselben Art in einem der Stadt benachbarten Waldstück. An diesen Orten stellten sie den Vögeln auch weiteres Futter bereit – saftige Mehlwürmer. Für beide »Vogelprobanden« nahmen die Forscher ebenso Kontrollgruppen in den Blick, die nicht extra gefüttert wurden. Nach zwei Wochen prüften sie, wie gut die Küken herangewachsen waren und wie viele überlebt hatten. Das Ergebnis: Die Überlebenschance der städtischen Nestlinge hatte sich erheblich erhöht, wenn sie zusätzlich Mehlwürmer verspeisten. Durch die insektenreiche Ernährung hatten sie zwei Gramm mehr auf die Waage gebracht als die Individuen der urbanen Kontrollgruppe. Diese Werte entsprächen ungefähr denen der Kohlmeisen im Wald. »Das ist eine Steigerung von 15 Prozent – und ein deutlicher Unterschied«, sagt Ornithologe Seress. Zwar hätten die Vögel im Wald ebenfalls die Mehlwurmspeise verzehrt, doch ein Unterschied zu ihren sonstigen Artgenossen im Forst konnten die Forscher nicht registrieren.

Damit die Vögel ausreichend Nahrung finden, müsste der städtische Bestand an Insekten um das Zweieinhalbfache anwachsen, urteilen die Forscher. Zwar finden Stadtvögel viel Futter vor – entweder Essensreste von Menschen oder extra bereitgestelltes, pflanzliches Vogelfutter –, aber: »Quantität ist nicht Qualität«, sagt Seress. Was die Singvögel bräuchten, seien Insekten. Dabei betonen die Wissenschaftler, dass sich das Problem wohl nicht durch die Fütterung mit Mehlwürmern beheben ließe. Viel mehr müsse man prüfen, ob ähnlich wie im ländlichen Raum gepflegte oder mit Pestiziden behandelte Parkflächen schlicht zu wenig Insekten beherbergen können.

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