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Klimawandel: Warum Starkregen schneller zunimmt als physikalisch erwartet

Bei Extremereignissen fällt mehr Regen als die Thermodynamik für höhere Temperaturen vorhersagt. Der Grund ist unklar. Eine Analyse aus Deutschland legt nun eine Erklärung nahe.
Drohnenaufnahme eines Wolkenbruchs über einer Ebene.
Die Regenmengen in Sturmsystemen scheinen durch den Klimawandel stärker zuzunehmen als von der Thermodynamik vorhergesagt.

Beim Klimawandel erzeugt die Thermodynamik einen einfachen Zusammenhang zwischen steigender Temperatur und Starkregen: Für jedes zusätzliche Grad kann die Luft sieben Prozent mehr Wasser aufnehmen, die abregnen können. Tatsächlich aber fällt bei Starkregen deutlich mehr zusätzlicher Niederschlag, als durch die Temperatur zu erwarten wäre. Für das umstrittene Phänomen präsentieren zwei Fachleute vom Leibniz-Zentrum für Marine Tropenforschung in Bremen auf Basis von Beobachtungsdaten eine Erklärung. Demnach hat sich die Art des Niederschlags geändert. Ein größerer Teil des Regens entstehe nun durch lokal schnell aufsteigende Luft, wie in Unwettern, statt durch großflächige Regengebiete, schreiben Nicolas Da Silva und Jan Härter in der Fachzeitschrift »Nature Geoscience«. Diese Verschiebung reiche aus, um den zusätzlichen Anstieg der Niederschläge im Klimawandel zu erklären.

Starkregenereignissen gehen oft aus mesoskaligen konvektiven Systemen hervor, großen Sturmkomplexen aus mehreren Gewitterzellen, die über Stunden existieren können. Solche Wettersysteme erzeugen auf zwei Arten große Regenmengen. Einerseits können großflächig warme, feuchte Luftmassen auf kühlere Luft treffen, aufsteigen und über große Regionen so genannten stratiformen Regen erzeugen. Andererseits können lokal warme, feuchte Luftpakete genug Auftrieb bekommen, um schnell nach oben zu steigen und eine Gewitterzelle mit sehr starkem Niederschlag zu bilden, der als Konvektionsregen bezeichnet wird.

Grundsätzlich sind zwei Erklärungen im Gespräch, warum Starkregen stärker zunimmt als der thermodynamische Zusammenhang zwischen Temperatur und Verdunstung erlauben würde. Zum einen könnten höhere Temperaturen kleine Gewitterzellen intensiver machen, so dass sie viel mehr Regen erzeugen als erwartet. Zum anderen könnten solche lokalen Unwetter, die mehr Niederschlag hervorbringen als stratiforme Regengebiete, bei höheren Temperaturen etwas wahrscheinlicher werden. Im zweiten Fall steckte kein neuer physikalischer Mechanismus hinter dem überproportionalen Anstieg der Regenmengen, sondern ein rein statistischer Effekt.

Härter und da Silva nutzten nun Daten von mehr als 500 Wetterstationen in Deutschland sowie hoch aufgelöste Blitzdaten der European Cooperation for Lightning Detection (EUCLID), um mit hoher Auflösung zwischen den beiden Regentypen zu unterscheiden. Tatsächlich zeigen die Daten, dass beide Regentypen für sich genommen fast präzise so stark zunehmen wie thermodynamisch erwartet – was gegen die erste Hypothese spricht. Die überproportionale Zunahme der Regenmengen liegt demnach daran, dass der Anteil an konvektivem Regen in Sturmsystemen bei höheren Temperaturen ansteigt. Demnach sei der in den letzten Jahrzehnten beobachtete Anstieg der Niederschläge bei Starkregenereignissen keineswegs höher als von der Thermodynamik vorhergesagt. Was allerdings wenig tröstlich ist, wenn das Haus wegschwimmt.

  • Quellen
Nature Geoscience 10.1038/s41561–025–01686–4, 2025

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