Gesichtserkennung: Warum wir Menschen anderer Ethnien schlecht unterscheiden können
Das Phänomen ist seit Langem bekannt: Wir können Menschen der eigenen Ethnie in der Regel besser unterscheiden als solche einer anderen. Daher fällt es beispielsweise vielen Westeuropäern schwer, Asiaten auseinanderzuhalten. Diesen wiederum geht es umgekehrt ähnlich. Forscher konnten nun zeigen, wie sich das genau in der Hirnregion widerspiegelt, die für Gesichtserkennung verantwortlich ist: Sehen Menschen unterschiedliche Gesichter, wird jene Region stets aufs Neue aktiv. Präsentiert man ihnen dasselbe Gesicht hintereinander, wird die neurale Aktivität ab dem zweiten Mal unterdrückt. Das Gesicht ist bekannt. Gleiches passiert allerdings, wenn Menschen unterschiedliche Gesichter anderer Ethnien hintereinander sehen. Das Hirnareal, das für die Erkennung neuer Gesichter zuständig ist, bleibt tendenziell eher stumm – man sieht scheinbar Bekanntes.
Für solche Experimente präsentierten die Forscher ihren weißen Studienteilnehmern Fotos mit verschiedenen Gesichtern. Wie erwartet konnten die Teilnehmer zwei weiße Gesichter deutlich schneller als unterschiedlich identifizieren als zwei schwarze. Mit funktioneller Magnetresonanztomografie untersuchten die Forscher dann, was währenddessen im visuellen Verarbeitungssystem des Gehirns der Probanden ablief. In der Fachwelt ist diese Region als fusiformes Gesichtsareal bekannt. Sie spricht besonders auf die Wahrnehmung menschlicher Gesichter an. Bei neuen schwarzen Gesichtern wurde tatsächlich ihre Aktivität unterdrückt, ähnlich wie bei dem zweimaligen Sehen desselben Gesichts hintereinander. Bereits zuvor fanden andere Wissenschaftler Hinweise darauf, dass das fusiforme Gesichtsareal bei der Wahrnehmung von Gesichtern der eigenen ethnischen Gruppe empfindlicher auf Unterschiede reagiert.
Dass Menschen Mühe haben, zwischen Mitgliedern verschiedener Ethnien zu unterscheiden, kann durchaus negative Folgen haben. Man denke zum Beispiel an eine polizeiliche Gegenüberstellung, bei der ein Täter identifiziert werden soll. Weshalb dieses Phänomen auftritt, ist noch nicht abschließend geklärt: Sehr wahrscheinlich liegt es schlichtweg daran, mit welcher Art von Gesichtern Menschen vermehrt konfrontiert sind. Das könnte zu einer unterschiedlichen Motivation führen, wie sie Gesichter verarbeiten. Experten vermuten daher, dass das beobachtete Wahrnehmungsmuster nicht unveränderlich ist und zu einem gewissen Grad trainiert werden kann. Es gibt wahre Ausnahmetalente, die so genannten Super-Recognizer, die ungewöhnlich gut Gesichter erkennen können – auch noch viele Jahre später, selbst wenn sie die Person zuvor nur einmal gesehen haben.
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