Direkt zum Inhalt

Meeresschutz: Was das Hochseeschutzabkommen bedeutet

Erstmals gibt es einen Vertrag über den Schutz der Weltmeere. Doch während die politische Einigung ein Erfolg ist, schützt das Abkommen selbst erst einmal gar nichts.
Ein Fisch hat sich in einem Geisternetz verfangen.
Die Nutzung von Ressourcen auf den Weltmeeren fern der Küsten ist kaum reguliert. Das neue Abkommen soll einen Rahmen schaffen, um Problemen wie Überfischung effektiv zu begegnen. Allerdings muss sich erst zeigen, was der Vertrag leisten kann.

Das am 5. März 2023 von den Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen beschlossene Hochseeschutzabkommen gilt bereits deshalb als bedeutender Fortschritt, weil es überhaupt existiert. Lange galt eine Einigung über den Vertrag, der rund 43 Prozent der Erdoberfläche schützen und deren Nutzung regulieren soll, als sehr unwahrscheinlich. Das wichtigste Ergebnis des in vielen Punkten noch vagen Regelwerks ist, dass es einen rechtlichen Rahmen für Meeresschutzgebiete außerhalb nationaler Hoheitsgewässer bietet. Das ist die Voraussetzung, um eines der zentralen Versprechen der UN-Biodiversitätskonferenz im Dezember umzusetzen: Demnach sollen bis 2030 insgesamt 30 Prozent der Land- und Meeresflächen Schutzgebiete werden. »Vor diesem Vertrag gab es keinen globalen Mechanismus, der es Ländern erlaubte, Meeresschutzgebiete auf hoher See einzurichten«, erklärt Daniel Dunn von der University of Queensland in Australien, der seit 2014 an den Verhandlungen beteiligt war.

Neben den noch einzurichtenden Meeresschutzgebieten regelt es drei weitere wesentliche Aspekte. Einmal macht es Vorgaben darüber, wie die Umweltverträglichkeit von Nutzungsformen wie dem Tiefseebergbau geprüft wird und welche Daten dafür vorliegen müssen. Zum anderen regelt es den Umgang mit genetischen Daten aus dem Meer. »[Die Übereinkunft] formuliert ein neues Regelsystem für Zugang zu und Teilen der Ergebnisse von marinen genetischen Ressourcen, die schon jetzt von Unternehmen genutzt werden, um sehr lukrative Produkte zu entwickeln«, erklärt Dunn. Und schließlich bestimmt der Vertrag, wie auch ärmere Staaten Zugang zu Meerestechnologien bekommen. Umstritten waren dabei vor allem die letzten beiden Punkte, denn Länder des globalen Südens befürchten, bei der Nutzung der Hochsee leer auszugehen.

Dieser Ausgleich zwischen den Industrienationen, die am stärksten von den Ressourcen der Meere profitieren, und dem weniger entwickelten Rest der Welt war lange der umstrittenste Punkt bei der Gestaltung des Hochseeschutzabkommens. »Die Verhandlungen über ein neues Abkommen zum Schutz der marinen Biodiversität in der hohen See sind Ausdruck tief sitzender, historisch gewachsener Ungleichheiten zwischen dem globalen Norden und dem globalen Süden«, sagte Alice Vadrot von der Universität Wien während der Verhandlungen gegenüber dem Science Media Center. «Besonders hinsichtlich der Frage, welche Staaten von der Erforschung und Inwertsetzung mariner Ressourcen profitieren und wer letztlich für den Schutz der Meere verantwortlich sein soll.« Das nun beschlossene Abkommen sieht eine Teilung der finanziellen und forscherischen Gewinne vor, zusätzlich wird ein Fonds aufgelegt, aus dem solche Ausgleichszahlungen geleistet werden.

Bisher war die Hochsee, die sich jenseits der 200 Meilen messenden Ausschließlichen Wirtschaftszone der Staaten erstreckt, praktisch ein rechtsfreier Raum. Dort galt bislang lediglich das internationale Seerecht, das 1994 in Kraft trat; in diesem spielt der Schutz der Ökosysteme keine Rolle, alle dürfen sich an Ressourcen nehmen, was sie können. Deswegen werden zum Beispiel die Fischbestände systematisch übernutzt. Das Hochseeschutzabkommen ändert daran direkt erst einmal nichts. Ein wichtiger Kritikpunkt von Umweltverbänden ist, dass die bisher für die Nutzung der offenen See zuständigen Körperschaften, die etwa Fischerei oder Tiefseebergbau regulieren, ohne Prüfung weiter machen können wie bislang.

Das Hochseeschutzabkommen regelt also nicht konkret den Schutz der hohen See, sondern bietet einen Rahmen, in dem die Staaten auf Schutzziele hinarbeiten können. Dadurch bleiben die praktischen Konsequenzen des Vertrags außerordentlich vage. Diese Schutzziele zu formulieren und umzusetzen, ist eine Aufgabe für die Zukunft. Auch wie wirkungsvoll der Vertrag die Meere tatsächlich schützt, ob die Schutzgebiete so effektiv sind wie erhofft oder ob Konzepte wie beispielweise das Teilen genetischer Ressourcen tatsächlich funktionieren, muss sich in der künftigen Umsetzung erst zeigen. Außerdem müssen die Staaten den Vertrag noch ratifizieren, damit er gültig wird. Und das kann dauern. Das internationale Seerecht, das nun bereits seit 30 Jahren auf hoher See gilt, wurde 1982 beschlossen. In Kraft trat es erst zwölf Jahre später.

Schreiben Sie uns!

Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.

Partnerinhalte

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.