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Regenwald: Was die »Vampirhörnchen« tatsächlich fressen

In Borneos Regenwäldern lebt ein legendäres Tier: Das Borneo-Hörnchen besitzt nicht nur den plüschigsten Schwanz aller Säuger, sondern auch extrem harte Zähne.
Borneo-Hörnchen

Den Legenden einheimischer Jäger und Sammler zufolge soll das Borneo-Hörnchen (Rheithrosciurus macrotis) von Zweigen aus kleinen Rehen auflauern, diese mit einem gezielten Biss in die Halsschlagader töten und anschließend fressen. Angesichts der überwiegend vegetarischen Verwandtschaft schenkten Biologen solchen Erzählungen wenig Glauben, und eine Studie von Andrew Marshall von der University of Michigan in Ann Arbor und seinen Kollegen bestätigt diese Zweifel: Die Tiere besitzen zwar tatsächlich sehr spezielle Ernährungsvorlieben, wie die Biologen in der auf bioRxiv vorab veröffentlichten Studie belegen. Doch bevorzugen die Hörnchen statt fleischlicher Kost die härtesten Samen, die in ihrem Regenwaldökosystem zu finden sind.

Dabei konzentrieren sich die Tiere vor allem auf die Samen der Baumart Canarium decumanum, deren Schalen extrem schwer zu knacken sind und von kaum einer anderen Art in dem Lebensraum konsumiert werden. Selbst mit einem Hammer haben Menschen Schwierigkeiten, diese Hüllen aufzubrechen. Wahrscheinlich sind die Hörnchen deshalb sogar die am stärksten spezialisierten Samenfresser in den Regenwäldern Borneos; dies schließen die beteiligten Wissenschaftler anhand ihrer Beobachtungen in einem Naturschutzgebiet. Alle vergleichbaren Samen fressenden Säugetiere oder Vögel der Region haben ein breiteres Nahrungsspektrum und bevorzugen andere Pflanzenarten. Die Borneo-Hörnchen könnten daher für die Verbreitung von Canarium decumanum sehr wichtig sein, da sie nicht jede Frucht konsumieren, die sie aufsammeln und forttragen.

Die Samen öffnen die Tiere mit spezialisierten Zähnen, die womöglich zu ihrem Vampirruf beigetragen haben: Sie besitzen sehr lange Schneidezähne, deren Ränder wie Sägeblätter geformt sind und die im Tierreich bislang einzig bei ihnen nachgewiesen wurden. Bemerkenswert ist zudem ihr auffallend großer und buschiger Schwanz, der als der plüschigste der Säugetiere gilt.

Ihre besondere Ernährung sorgt allerdings auch dafür, dass die Art als bedroht gilt: Sie ist eng auf wenige Baumarten angewiesen. Borneos Regenwälder gehören jedoch zu den am stärksten gefährdeten Lebensräumen der Erde, weil sie Palmölplantagen weichen. Das Verbreitungsgebiet der Art schrumpft daher stetig.

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