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US-Wahl: Was Joe Biden für die Wissenschaft bedeuten würde

Ein Präsident Joe Biden würde vieles, aber bei Weitem nicht alles anders machen als Donald Trump. Das sind die zentralen Unterschiede in fünf der bedeutendsten Wissenschaftsthemen.
Joe Biden auf einer Wahlkampfveranstalung in Atlanta

Auch von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern wird das Rennen um die US-Präsidentschaft genau beobachet. Wie Präsident Donald Trump mit der Coronavirus-Pandemie umging, wie er den Klimawandel verharmloste und Desinformation betreibt, das hat offenbar viele von ihnen entsetzt. »Wir stehen vor einer nationalen Krise, wie wir sie noch nie erlebt haben«, heißt es beispielsweise in einer am 18. September veröffentlichten Erklärung. Darin verleihen mehr als 3700 Unterzeichnerinnen und Unterzeichner aus Forschung und Wissenschaft ihrer Besorgnis über den Zustand der Demokratie im Land Ausdruck.

Am 2. Oktober machte Trump weltweit Schlagzeilen mit seinem positiven Covid-19-Test. Drei Tage später twitterte er, ihm gehe es gut und er könne bald das Krankenhaus verlassen: »Habt keine Angst vor Covid.«

Erste Umfragen zeigen, dass der demokratische Herausforderer Joe Biden und seine Vizekandidatin, die kalifornische Senatorin Kamala Harris, einen Vorsprung vor den Republikanern Trump und Vizepräsident Mike Pence haben. Doch wofür steht Biden mit Blick auf die Wissenschaft? »Nature« befragte aktuelle Berater Bidens und solche aus seiner Zeit als Obamas Vizepräsident sowie Politikanalysten dazu, welche Maßnahmen er in fünf zentralen wissenschaftsrelevanten Punkten ergreifen könnte, wenn er gewählt würde. Bidens Wahlkampfteam selbst reagierte nicht auf Fragen von »Nature«.

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Reaktion auf die Pandemie

Wenn Biden die Wahl am 3. November gewinnt, erbt er die Präsidentschaft über ein Land, das sich nicht nur mitten in einer zerstörerischen Pandemie befindet, sondern in dem auch die öffentliche Meinung über das Ausmaß des Ausbruchs und die Maßnahmen dagegen tief gespalten ist. Zwar haben die Gesundheitsbehörden bereits mehr als 200 000 Covid-19-Tote im Land gezählt. Trotzdem sind immer noch viele Trump-Anhänger der Meinung, dass die Auswirkungen des Virus gezielt übertrieben wurden, um die Bevölkerung unter Kontrolle zu halten.

Biden würde auch die Auswirkungen des plan- und ziellosen Vorgehens gegen die Pandemie erben, sagen Forscher. »Das Problem unserer Krisenreaktion ist, dass wir sie vom ersten Tag an ständig verändert haben«, sagt Georges Benjamin, der Direktor der American Public Health Association in Washington, D.C. Die Folge waren ihm zufolge Probleme bei den Tests, eine mangelhafte Kontaktverfolgung, es gab Verwirrung über das Tragen von Masken oder die zulässige Größe von Versammlungen – und letztlich die höchsten Todeszahlen der Welt. Wolle Biden den Ausbruch und auch die amerikanische Wirtschaft stabilisieren, brauche er einen Plan für konsequente Maßnahmen und auch die Fähigkeit, sich an eine dynamische Situation anzupassen, meint Benjamin.

Laut Insiderinformationen arbeitet Bidens Wahlkampfteam bereits seit März an Pandemieplänen. Ziel soll sein, Test- und Rückverfolgungsprogramme zu intensivieren, die Unterschiede in den Infektions- und Genesungsraten bei Menschen unterschiedlicher Hautfarbe und Ethnien zu glätten sowie die von der Trump-Regierung gekürzten Pandemie-Bereitschaftsprogramme wieder aufzubauen.

Dennoch werde es seine Zeit brauchen, bis die Pandemie in den Vereinigten Staaten unter Kontrolle ist, sagt Kavita Patel, eine Ärztin, die Harris in gesundheitspolitischen Fragen berät, derzeit aber nicht für das Wahlkampfteam arbeitet. Um den Pandemieverlauf in den USA zu ändern, könnten sich die von Biden berufenen Mitarbeiter keinerlei Zeitverzug erlauben.

Trump hat über Monate die Pandemie politisiert, was schwer rückgängig zu machen sein wird. Wiederholt hat er das Tragen von Masken für unnötig erklärt, obwohl die Gesundheitsbehörden immer wieder versichert haben, dass sie zu den wirksamsten nichtmedikamentösen Maßnahmen gegen die Verbreitung des Virus gehören. Das Biden-Team müsse für eine Gesundheitskommunikation sorgen, die auf Wissenschaft basiert, die Skeptiker aber nicht noch weiter abschreckt, sagt Marta Wosińska, die stellvertretende Direktorin des Margolis Center for Health Policy der Duke University in Durham, North Carolina. »Wir müssen einen überparteilichen Dreh finden und herausfinden, wer die richtigen Botschafter sind.«

Auch das Misstrauen gegenüber den Bundesbehörden und ihrer Pandemiereaktion, das in der Bevölkerung verbreitet ist, muss Biden abbauen, sollte er die Wahl gewinnen. Die Trump-Administration hat die Leitlinien der Centers for Disease Control and Prevention (CDC) öffentlich kritisiert und zensiert und ohne Beweise behauptet, dass die Food and Drug Administration (FDA) die Impfstofftests absichtlich verlangsamt, um seine Chancen auf Wiederwahl zu schmälern.

Das Team um Biden hat hingegen erklärt, dass seine Regierung die CDC anweisen werde, transparente, evidenzbasierte Leitlinien herauszugeben, aus denen hervorgeht, welche Gesundheitsrisiken mit der Wiedereröffnung von Restaurants, Schulen und öffentlichen Räumen verbunden sind. Das könnte auch der Arbeitsmoral bei CDC und FDA neuen Schwung geben. »Die Wissenschaftler in der Behörde haben das Gefühl, sie werden kaltgestellt und niemand hört ihnen zu«, sagt Patel. »Sie brauchen jemanden, der ihnen neue Kraft gibt.«

Für den Fall eines Wahlsiegs hat sich Biden verpflichtet, Trumps Rückzug aus der Weltgesundheitsorganisation (WHO) rückgängig zu machen. Die WHO würde dadurch wieder mehr dringend benötigte Mittel zur weltweiten Bekämpfung des Coronavirus, der Kinderlähmung und anderer Krankheiten erhalten. Außerdem würde ein erneuertes Engagement der Vereinigten Staaten den Weg ebnen für den Beitritt zu COVAX, einer internationalen Einrichtung, die die Untersuchung und Herstellung von Coronavirus-Impfstoffen beschleunigen soll.

Trumps eigene Impfstoffinitiative, Operation Warp Speed, stellt zwar Mittel für die Produktion bereit, laut Wosińska ist aber eine ausreichende Versorgung ohne internationale Partnerschaften, einschließlich COVAX, nicht gewährleistet. »Wir haben mit anderen Ländern noch nie richtig über Impfstoffe gesprochen, das könnte den Verlauf der Dinge durchaus ändern«, sagt sie. Aber selbst mit diesen Partnerschaften wird eine ausreichende weltweite Produktion Zeit brauchen. Biden hat sich verpflichtet, die Forschung an Coronavirus-Impfstoffen weiter zu unterstützen und einen Impfstoff, so er denn verfügbar ist, zu einem fairen Preis anzubieten.

Längerfristig hoffen die Forscher, dass eine Biden-Regierung die nötige Infrastruktur innerhalb des US-Gesundheitswesens aufbauen wird, um besser auf künftige Krisen vorbereitet zu sein. »Wir wissen ganz genau, wie man das macht und was richtig wäre«, sagt Benjamin. »Wir brauchen aber die politische Führung und ausreichend finanzielle Ressourcen.«

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Der Klimawandel

Die Coronavirus-Pandemie ist nicht das einzige Streitthema, das Biden im Fall seiner Wahl beschäftigen dürfte – er wird sich auch mit dem Klimawandel auseinandersetzen müssen. Trump betreibt einen Austritt der Vereinigten Staaten aus dem Pariser Klimaabkommen von 2015, hat Maßnahmen zur Reduktion von Treibhausgasemissionen zurückgenommen und die globale Erwärmung als Schwindel bezeichnet.

Im Gegensatz dazu ist Bidens Wahlprogramm in Sachen Klimawandel aggressiver als das jedes anderen US-Präsidentschaftskandidaten bisher. Mit seinem zwei Billionen US-Dollar schweren Plan folgt er den Forderungen einer zunehmend lautstarken liberalen Basis. Das Geld soll in massive Investitionen in Forschung und Entwicklung im grünen Energiesektor und in eine CO2-arme Infrastruktur fließen, etwa in die Förderung des öffentlichen Verkehrs und energieeffizienter Gebäude. Er fordert auch, dass die Vereinigten Staaten bis 2035 zu 100 Prozent sauberen Strom erzeugen und bis 2050 die Nettoemissionen auf null bringen. Die Frage, vor der Biden und sein Team stehen, wenn sie im November gewinnen, ist, wie sie das erreichen können.

Vizepräsidentschaftskandidatin Kamala Harris | Als Senatorin von Kalifornien, wo viele Raumfahrtunternehmen angesiedelt sind, hat Harris womöglich einen Bezug zu Weltraumthemen.

Laut Biden werden die Vereinigten Staaten unter seiner Präsidentschaft weiter am Pariser Klimaabkommen teilnehmen. Dadurch würde das Land wieder zum aktiven Partner der mehr als 190 Mitgliedsnationen werden, die sich zu einer Begrenzung der globalen Erwärmung auf 1,5 bis 2 Grad Celsius über dem vorindustriellen Niveau verpflichtet haben. Darüber hinaus würde er eine klimafreundliche Führung in der Umweltschutzbehörde ernennen und so bald als möglich die Klima- und Umweltbestimmungen, die in den letzten vier Jahren unter Trump zurückgenommen wurden, wieder in Kraft setzen oder sogar verschärfen. Es dauert womöglich ein paar Jahre, bis diese Änderungen abgeschlossen sind, doch Biden könnte dies mit den bestehenden bundesrechtlichen Befugnissen tun.

Die erste große Chance, die Klimagesetzgebung durch den Kongress voranzubringen, würde sich wahrscheinlich in Form eines Konjunkturprogramms zur Wiederbelebung der US-Wirtschaft nach der Coronavirus-Pandemie ergeben. Unter dem Slogan »Build back better« (»Besser wiederaufbauen«) werden Biden und seine Demokraten diesem Plan wahrscheinlich Investitionen in Energie, Klima, Infrastruktur und Umweltgerechtigkeit hinzufügen. Aber ob die Gesetzgebung durchkommt, hängt davon ab, ob die Demokraten bei der bevorstehenden Wahl den Senat zurückerobern und ihre Mehrheit im Repräsentantenhaus behalten.

»Wenn sie die Stimmen haben, könnte das Konjunkturpaket die wichtigste Klimapolitik sein, die dieses Land je verabschiedet hat«, sagt David Victor, Politikwissenschaftler an der University of California in San  Diego.

Doch selbst wenn die Demokraten eine Mehrheit im Senat gewinnen, könnten sie noch an der für wichtige Gesetze nötigen Stimmenmehrheit scheitern. Sie bräuchten dazu 60 von 100 möglichen Stimmen in der Kammer. Derzeit haben die Demokraten 45 Sitze im Senat inne. Auf 60 zu kommen, dürfte sehr schwierig werden. Die Spitze der Demokraten spielt darum mit dem Gedanken, die Regel abzuschaffen, sofern ihre Partei im November gewinnt. »Vielleicht bekommen wir zuerst eine demokratische Reform und nutzen das, um eine Klimareform zu sichern«, sagt Leah Stokes, eine Politikwissenschaftlerin an der University of California in Santa Barbara, die sich ehrenamtlich für Bidens Wahlkampagne einsetzt.

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Prioritäten in der Forschung

Neben der Bekämpfung der Pandemie und des Klimawandels hätte ein Präsident Biden auch die Möglichkeit, andere wissenschaftliche Prioritäten für seine Regierung zu entwickeln. Möglich ist das beispielsweise durch Berufung von Experten, die die Wissenschaftspolitik koordinieren, oder indem der Präsident die Forschungsschwerpunkte für das Weiße Haus festlegt. Über die konkrete Aufteilung der Wissenschaftsförderung zu entscheiden, ist allerdings Sache des Kongresses.

Fachlicher Rat wird für Biden und Harris entscheidend sein. Denn obwohl beide als wissenschaftsfreundlich gelten, hat sich keiner von ihnen ausführlich mit wissenschaftlichen Fragen befasst. In seiner Zeit im Senat konzentrierte sich Biden vor allem auf auswärtige Angelegenheiten und das Justizwesen, Harris' Hintergrund in der Strafjustiz ergibt sich allein schon aus ihrer früheren Tätigkeit als Generalstaatsanwältin Kaliforniens.

»Biden ist im Grunde ein unbeschriebenes Blatt«
Michael Lubell, Experte für Wissenschaftspolitik

Nach seine Wahl sollte Biden so schnell wie möglich einen wissenschaftlichen Berater ernennen, um seine Schwerpunkte in der Forschung zu setzen, sagt Michael Lubell, ein Physiker und Experte für Wissenschaftspolitik am City College of New York. Die Position des wissenschaftlichen Chefberaters hat derzeit der Meteorologe Kelvin Droegemeier inne, nachdem das Amt fast zwei Jahren nach Trumps Amtsantritt vakant gewesen war.

Droegemeier und die Trump-Regierung haben sich unter anderem auf Initiativen in den Bereichen künstliche Intelligenz und Quantenphysik konzentriert. Beides sind Bereiche, die als notwendig erachtet werden, um die Vereinigten Staaten gegenüber China wettbewerbsfähig zu halten. Sollte Biden die Präsidentschaft gewinnen, würden diese Bereiche wahrscheinlich weiterhin im Mittelpunkt stehen – zum Teil weil sie auch vom Kongress in den Mittelpunkt gerückt werden. Als ehemaliger Senator wird Biden »vermutlich den Senat um Ideen bitten«, sagt Jenny Luray, Vizepräsidentin für Strategie und Kommunikation bei Research!America in Washington, D.C. Weitere mögliche Schwerpunkte könnten ihr zufolge Fertigungstechnologie, Medizin und gesundheitliche Ungleichheiten sein.

Am bekanntesten ist Bidens Interesse an der Krebsforschung, insbesondere nachdem sein 46-jähriger Sohn Beau im Jahr 2015 einem Hirntumor erlag. Als Vizepräsident stand Biden an der Spitze einer »Mondshoot«-Initiative zur Krebsforschung, die 2016, im letzten Jahr von Obamas Präsidentschaft, ins Leben gerufen wurde. Ihr Ziel war es, Unternehmen und Forschungseinrichtungen besser miteinander zu vernetzen und den Austausch von Ergebnissen und Daten zu fördern. So sollten schnellere Fortschritte bei der Bekämpfung der Krankheit erreicht werden. Aus der Initiative wurde ein gemeinnütziger Verbund, den Biden im Jahr 2019 mit Beginn seiner Kandidatur auflöste.

»Biden wird sicherstellen wollen, dass diese Initiative von 2016 noch genügend Schwung mitbringt«, sagt Jon Retzlaff, Vizepräsident für Wissenschaftspolitik und Regierungsangelegenheiten bei der American Association for Cancer Research. Wie Biden hat auch Kamala Harris einen persönlichen Bezug zur Krebsforschung. Ihre Mutter, Shyamala Gopalan, war führende Brustkrebsforscherin, bis sie selbst dem Krebs zum Opfer fiel. Die Erfahrungen der beiden Kandidaten könnte dazu führen, dass Krebsforschung und Medizin allgemein zu den wissenschaftlichen Prioritäten einer Biden-Präsidentschaft werden, sagt Retzlaff.

Von der medizinischen Forschung abgesehen würden Bidens wissenschaftspolitischen Ansichten nach wie vor rätselhaft bleiben – auch nach fast fünf Jahrzehnten in der Politik. »Biden ist im Grunde ein unbeschriebenes Blatt. Er ist sicherlich nicht wissenschaftsfeindlich; es hat für ihn einfach keine Priorität«, sagt Lubell.

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Weltraumforschung

Unter Trump verfolgte die NASA eine ehrgeizige Strategie, benannt nach der Zwillingsschwester des Apollo: Unter dem Projektnamen Artemis sollen in vier Jahren US-Astronauten auf den Mond zurückkehren. Die Weltraumforschung ist einer der wenigen Bereiche, in denen die Trump-Regierung erhebliche Anstrengungen zur Konkretisierung ihrer Wissenschaftspolitik unternommen hat.

Ob und wie Biden, falls er gewählt wird, den von Trump vorgegebenen Kurs ändern könnte, ist ebenfalls unbekannt. Während seiner Zeit als Vizepräsident war Biden nicht weiter in die Raumfahrtpolitik involviert – im Gegensatz zu Pence, der aktiv an Trumps Weltrauminitiativen mitgearbeitet hat.

Als im Mai 2020 erstmals zwei NASA-Astronauten mit einem privaten Raumschiff zur Internationalen Raumstation flogen, zeigte sich Biden allerdings enthusiastisch. Auf der Website »Medium« veröffentlichte er Glückwünsche und vergaß auch nicht den Hinweis, dass das private Raumflugprogramm seinen Anfang nahm, als er Vizepräsident war.

Kennern der Materie zufolge dürfte die NASA ihren Kurs auch unter einem Präsidenten Biden weitgehend einhalten. Das offizielle Parteiprogramm der Demokraten enthält das Versprechen, »die Erforschung und Entdeckung des Weltraums weiter zu fördern«. Das beinhalte auch »die Anstrengungen der NASA, Amerikaner wieder auf den Mond und darüber hinaus zum Mars zu bringen«.

Als Präsident müsste Biden allerdings auch entscheiden, wie es mit dem Programm der NASA zur bemannten Raumfahrt weitergeht, an dem der Zickzackkurs der vergangenen Jahre nicht spurlos vorübergegangen ist. Im Jahr 2010 stoppte Obama alle Pläne, Astronauten zum Mond zu fliegen, die NASA sollte stattdessen einen Asteroiden anpeilen. Trump wiederum wollte, dass die NASA Menschen bis Ende 2024 auf den Mond bringt – was ein äußerst ehrgeiziger Termin war, der mit dem Ende einer hypothetischen zweiten Amtszeit von Trump zusammenfallen würde. Sollte Biden Präsident werden, »würde ich erwarten, dass das Datum 2024 verschwindt«, sagt John Logsdon, ehemaliger Leiter des Space Policy Institute an der George Washington University in Washington, D.C.

Zur Debatte steht auch das Schicksal des National Space Council, der seit 1993 ruhte, bis ihn Trump 2017 wieder einsetzte. Dieser Weltraumrat bringt Vertreter verschiedener nationaler Behörden, darunter das Militär und die NASA, zusammen, um die Weltraumpolitik regierungsübergreifend zu koordinieren. In den letzten Jahren hat er sich dafür eingesetzt, die Regulierung der kommerziellen Weltraumnutzung zu verschlanken, das Verkehrsmanagement im Weltraum auf eine landesweit einheitliche Grundlage zu setzen und eine »Space Force« als neuen Zweig des US-Militärs einzurichten. Aufgabe der neuen Truppengattung soll sein, die Interessen der USA im Weltraum zu schützen. »Ich denke, der Rat hat sich bewährt«, sagt Logsdon.

Der National Space Council wird vom Vizepräsidenten geleitet, so dass Harris im Falle eines Wahlsiegs Pence ablösen würde. Harris hat sich nicht viel mit Weltraumfragen beschäftigt. Allerdings, darauf verweist Logdsdon, repräsentiert sie im Kongress den Bundesstaat Kalifornien, wo viele Raumfahrtunternehmen und mehrere NASA-Zentren angesiedelt sind. Dadurch hat sie womöglich einen größeren Bezug zu Raumfahrtthemen wie etwa der Kommerzialisierung der Weltraumforschung.

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Internationale Forschungskooperationen

Viele Wissenschaftler sehen die internationale Zusammenarbeit in der Forschung durchs Trumps isolationistische Haltung beschädigt. Das betrifft die Rolle der Vereinigten Staaten als führende Nation bei großen wissenschaftlichen Zusammenschlüssen, aber auch ihre Attraktivität für ausländische Studierende und Forscher. Bidens außen- und einwanderungspolitische Pläne könnten einige Brüche kitten, doch hier warnen Kenner der Wissenschaftspolitik ebenfalls vor übersteigerten Erwartungen. Bis sich die internationalen Beziehungen erholen, könnte durchaus mehr als eine Amtszeit vergehen.

Bereits vor der Wahl 2016 hat Trumps nationalistische Wahlkampfrhetorik ausländische Wissenschaftler verstört. Und als wegen seines Einreiseverbots für Menschen aus sieben mehrheitlich muslimischen Ländern einige Wochen nach seinem Amtsantritt internationale Studenten auf Flughäfen strandeten, gab es offene Proteste und große Empörung in der US-amerikanischen Forschergemeinde. »Wenn man keine Gewissheit darüber hat, wie die künftigen Einwanderungsgesetze des Gastlandes aussehen werden, überlegt man es sich zweimal, ob man sein altes Leben in der Heimat aufgibt, um in einem anderen Land zu promovieren«, sagt Ali Nouri, ein Molekularbiologe und Präsident der Federation of American Scientists.

Biden hat versprochen, die Reiseverbote aufzuheben und ausländischen Wissenschaftlern und promovierten Ingenieuren den dauerhaften Aufenthalt in den Vereinigten Staaten zu erleichtern. Auch soll die Zahl der Visa für hoch qualifizierte Arbeitskräfte, einschließlich Wissenschaftlern, erhöht werden. Im Gegensatz dazu hat sich Trump seit Langem auf das so genannte H-1B-Visaprogramm eingeschossen, das vor allem von ausländischen Arbeitnehmern, einschließlich Wissenschaftlern, genutzt wird. Im Juni kündigte er, es bis Ende des Jahres auszusetzen, mit der Begründung, dass dadurch Arbeitsplätze für US-Bürger in der durch die Pandemie gefährdeten Wirtschaft erhalten werden könnten.

»Ich würde mir wünschen, dass die Vereinigten Staaten den Zustrom von Talenten nicht mehr so einschränken in der Zukunft«, sagt Kei Koizumi, der unter Obama als Berater beim Büro für Wissenschafts- und Technologiepolitik im Weißen Haus tätig war, aktuell aber nicht mit Biden verbunden ist.

Die Trump-Regierung hat außerdem die Kontrolle von Wissenschaftlern verschärft, die beispielsweise selbst aus China stammen oder aus dem Ausland Gelder erhalten. So soll eine drohende Einmischung anderer Länder in die US-Forschung abgewehrt werden. Das ging so weit, dass das FBI nach Forschern fahndete, die angeblich als Agenten im Auftrag der chinesischen Regierung wissenschaftliches Fachwissen und geistiges Eigentum stehlen sollten, und sie gar verhaftete. Im Mai 2020 wurde noch eine weitere Vorschrift erlassen: Wer als Forscher an einer Universität arbeitete, die mit Chinas Militär in Verbindung steht, durfte fortan nicht mehr in die USA einreisen.

Das »Racial Profiling«, die rassistische Fokussierung auf Wissenschaftler, die aus China stammen, wird von vielen US-Akademikern mit Sorge gesehen, gehört aber zur harten Linie der aktuellen Regierung. Inzwischen scheuen sich manche Wissenschaftler in China angeblich sogar, zu Konferenzen in die Vereinigten Staaten zu reisen oder an Projekten mit US-Wissenschaftlern mitzuarbeiten. US-Finanzierungsorganisationen bestreiten allerdings, dass die verschärfte Kontrolle der Zusammenarbeit geschadet habe. Die US-Regierung interessiere sich nur für einzelne Fälle von unethischem oder illegalem Verhalten.

Ein Präsident Biden würde wahrscheinlich den Schwerpunkt weiterhin auf Forschung und nationale Sicherheit legen. Auch er will China im Rennen um die Entwicklung wichtiger Zukunftstechnologien ausstechen. Und nicht zuletzt begannen die USA ihren Kampf gegen einen chinesischen Einfluss in den Labors bereits während seiner Amtszeit als Vizepräsident. Egal, wer die Wahl gewinnt, das Problem werde sich noch verschärfen, meint Koizumi. Das geistige Eigentum des Landes zu sichern, bleibe eine Herausforderung für die Regierung, ob sie nun von Biden oder Trump geführt werde. Und gleichzeitig gelte es, die chinesischen Wissenschaftlerinnen und Wisschenschaftler nicht von den USA zu entfremden. »Man muss zwischen Offenheit und Sicherheit abwägen.«

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