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Sprechstunde: Was Patienten ihrem Arzt verschweigen

Knapp jeder Zweite erzählt dem Doktor nichts von erlittener Gewalt, Depressionen oder Suizidgedanken. Dafür gibt es nachvollziehbare Gründe.
Arzt und Patient im Gespräch

Es gibt Themen, über die kaum jemand gern spricht – auch nicht jenen gegenüber, die berufsbedingt vielleicht helfen könnten. Fast jeder zweite Befragte, der häusliche oder sexuelle Gewalt erfahren hat oder unter Depressionen oder Suizidgedanken leidet, hat seinem Arzt oder seiner Ärztin des Vertrauens davon nichts erzählt. Das berichtet ein US-Forschungsteam jetzt auf dem Fachportal »JAMA Network Open«.

Die Gruppe um die Sozialwissenschaftlerinnen Andrea Gurmankin Levy und Angela Fagerlin hatte zwei Online-Umfragen aus dem Jahr 2015 ausgewertet, die zusammen rund 4500 Befragte umfassten, darunter Erwachsene im Alter von 18 bis 91 Jahren. Zwei Drittel derer, die mindestens von einem der vier Leiden berichtete, waren Frauen. Mit 42 Prozent am häufigsten verschwiegen wurde häusliche Gewalt, und 30 bis 40 Prozent hatten nicht über erlittene sexuelle Gewalt, über ihre Depressionen oder Suizidgedanken berichtet. Die häufigsten Gründe: Sie schämten sich, wollten nicht verurteilt oder belehrt werden, fürchteten Folgen wie die Verschreibung von Antidepressiva, eine Psychotherapie oder einen entsprechenden Vermerk in ihrer Krankenakte.

Opfer von Gewalt entwickeln oft eine Posttraumatische Belastungsstörung oder Depressionen. »Die Ärzte müssen wissen, womit ihre Patienten zu kämpfen haben, wenn sie ihnen zur bestmöglichen Gesundheit verhelfen wollen«, kommentiert Fagerlin in einer Pressemitteilung. Um die Mitteilungsbereitschaft zu fördern, sollten Ärzte verstärkt dafür sorgen, dass sich die Patienten in der Sprechstunde wohl und sicher fühlen.

Die Autoren räumen ein, dass es sich bei den Befragten nicht um repräsentative Stichproben handelte. Doch deren Angaben in den beiden unabhängigen Erhebungen ähnelten sich – trotz eines unterschiedlichen Altersdurchschnitts von rund 30 beziehungsweise rund 60 Jahren. Schon im November 2018 hatte eine Auswertung derselben Umfragen ergeben, dass 60 bis 80 Prozent der Befragten beim Arzt wichtige Informationen nicht mitteilten, beispielsweise etwas nicht zu verstehen oder eine andere Meinung zu haben.

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