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News: Was Sternenstaub zu erzählen hat

Aus Staub sind wir gekommen, und zu Staub werden wir zerfallen. Dieser Zyklus trifft nicht nur uns Menschen, sondern auch Sterne, Planeten und alle kleineren Gesteinsbrocken dazwischen. Die Zusammensetzung des Staubs verrät darum eine Menge über die Entstehung seiner Bestandteile und das Werden des Sonnensystems.
Sternenstaub
Es begann mit einem großen Knall. Plötzlich schwirrte unvorstellbare Energie durch einen Raum, den es kurz zuvor noch nicht gegeben hatte, fand sich in einer Zeit, die ebenfalls noch ganz jung war, zu Elementarteilchen und schließlich Atomen zusammen und expandierte heftig weiter zu dem, was Wissenschaftler als das frühe Universum bezeichnen. In seiner Grundform war der metagalaktische Baukasten noch etwas spartanisch, eigentlich gab es nur eine Sorte von Bausteinen: den Wasserstoff. Das änderte sich, als die ersten Sterne entstanden und in ihrem Inneren ein Fusionsfeuer zündeten. Wasserstoff verschmolz zu Helium, Helium zu Kohlenstoff, Sauerstoff, Neon, und so ging es munter weiter bis hin zum Eisen. Dort war Schluss, denn während alle bisherigen Fusionen in ihrem Verlauf Energie freisetzten, würde die Synthese noch schwererer Elemente Energie benötigen. Wie also, fragte sich die Wissenschaftswelt, sind dann Gold, Silber, Blei und all die anderen, zweifelsfrei vorhandenen Elemente entstanden?

Vermutlich werden sie ebenfalls in den Sternen gebildet, folgerten Astronomen, als sie in den fünfziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts die Spektren von Sternen untersuchten und Anzeichen für radioaktive Elemente wie Technetium darin entdeckten. Dessen Halbwertszeit war mit einigen hunderttausend Jahren so kurz, dass es relativ frisch sein musste, sonst wären längst alle Atome zerfallen. Doch welche Vorgänge brachten das Technetium und seine schweren Brüder und Schwestern hervor?

Die Suche nach der Antwort rückte die Kugelsternhaufen in den Brennpunkt des Interesses. Diese Objekte bestehen aus einigen zehntausend bis zu mehreren Milliarden Sternen, die sehr stabil beieinander stehen und sich etwas abseits der üblichen galaktischen Ebene halten. Sehr helle Sterne, die aufgrund ihrer großen Masse nur sehr kurz leben, findet man in den Kugelsternhaufen nicht. Daher schätzt man ihr Alter auf mehr als zehn Milliarden Jahre, womit sie zu den ältesten Objekten der Milchstraße gehören. Außerdem weisen ihre Spektren auf geringe Anteile von Metallen hin. Man darf also annehmen, dass so gut wie alles, was in diesen Kugelsternhaufen anzufinden ist, direkt vor Ort produziert wurde und nicht von außerhalb stammt.

Zusammen mit anderen Daten lieferten die Beobachtungen der Kugelsternhaufen schließlich Material für eine recht genaue Vorstellung von der Synthese der schweren Elemente. Danach muss zwischen zwei Mechanismen unterschieden werden: dem schnelle Verfahren (auch "r-Prozess" genannt für "rapid") und der langsameren Variante ("s-Prozess" für "slow"). Das grundlegende Prinzip ist in beiden Fällen gleich: Bei den bekannten Kernfusionsprozessen entstehen Neutronen, die mit Atomkernen kollidieren und von diesen geschluckt werden können. So entstehen instabile Kerne, die beim s-Prozess einen radioaktiven beta-Zerfall durchmachen, wobei ein Antineutrino sowie ein Elektron den Kern verlassen und ein neues Proton zurückbleibt. Unter dem Strich ist ein schwereres Atom entstanden, das anschließend weitere Neutronen einfangen und wieder zerfallen lassen kann, sodass sich Schritt für Schritt Elemente bis hin zum Blei bilden. Für noch schwerere Atome ist es notwendig, dass die Kerne gleich mehrere Neutronen auffangen, bevor sie zerfallen können. Diese Bedingung ist in Supernovae erfüllt, wenn die Sternhülle explodiert und im r-Prozess Elemente bis Uran und Thorium entstehen lässt.

Sowohl im normalen Sternenbetrieb mit laufendem s-Prozess als auch am spektakulären Ende entweicht Staub ins Weltall, der Hinweise auf die Zustände an seinem Entstehungsort mit sich trägt. Ein Teil des Staubs wird von der Schwerkraft neuer Planetensysteme erfasst und landet entweder im Inneren des nächsten Sterns oder wird zusammen mit weiterer Materie erhitzt, durchgeknetet und zu einem Planeten geformt. Beides sind Schicksale, die es Wissenschaftlern schwer machen, noch Informationen über den Ursprungsstern zu gewinnen. Doch ein Teil des Sternenstaubs entgeht diesen harschen Prozeduren und legt sich stattdessen auf Asteroiden und ähnlichen kleinen Körpern ab. Fällt so ein Klumpen als Meteorit zur Erde, erzählen seine Staubkörner den Experten noch genug von den Zuständen in Sternen.

Wenn es um das Innere von Kugelsternhaufen geht, ist vor allem Siliciumcarbid (SiC) ein lohnender Zeuge. Darum widmeten sich Wissenschaftler um Michael Savina vom Argonne National Laboratory, USA, diesen mikrometergroßen Körnchen. Mit einem Laser spalteten sie winzige Mengen davon ab, dessen Atome sie mit einem zweiten Laser selektiv ionisierten. Auf diese Weise pickten sie sich Element für Element heraus und bestimmten dessen Menge mit einem Massenspektrometer. In ihrer neuesten Studie konzentrierten die Forscher sich auf die verschiedenen Ruthenium-Isotope, von denen das Isotop 100Ru ausschließlich beim s-Prozess entsteht.

Die Ergebnisse der Untersuchung entsprachen voll den Erwartungen gemäß der Theorie. Mit einer Ausnahme: Verglichen mit dem 100Ru gab es zu viel 99Ru. Diese Diskrepanz lässt sich nur erklären, wenn man annimmt, dass ursprünglich anstelle des 99Ru auch 99Tc (Technetium) in das Staubkorn eingebaut war. Im Laufe der Zeit wäre das Technetium dann jedoch zu Ruthenium zerfallen.

Die Interpretation passt durchaus zu den Modellen. Mehr noch: Sie schließt den Kreis wieder. Es war die Entdeckung von Technetium in den Sternen vor über 50 Jahren, die zur Theorie der Synthese schwerer Elemente in den Sternen geführt hat, und nun erforschen Wissenschaftler anhand seiner Zerfallsprodukte in Staubkörnchen detailliert und quantitativ, ob diese Theorie Bestand haben wird. Und so wie es aussieht, hat die Theorie mal wieder eine Prüfung bestanden – und zwar staubtrocken.

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