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Marsklima: Wasser auf dem Mars: Die Hoffnung verflüchtigt sich

Aus der Traum? Klimamodelle zeigen: Der Rote Planet war überwiegend kalt und trocken. Wasser dürfte dort kaum zu finden sein.
Der Mars: Schon immer trocken und kalt?

Die Debatte begann im 19. Jahrhundert, als der italienische Astronom Giovanni Schiaparelli mit Wasser gefüllte "Canali" – oder Kanäle – auf dem Roten Planeten erspäht haben wollte: Wie viel Wasser gab es einst auf dem Mars? "Die Antwort auf diese Frage fiel mal so und mal so aus", fasst Jeff Andrews-Hanna, ein Planetenforscher an der Colorado School of Mines in Golden, US-Bundesstaat Colorado, zusammen.

Die Canali (italienisch für Rinnen) waren nicht mehr als eine Sinnestäuschung, und niemand zweifelt daran, dass der Mars heute trocken ist, abgesehen vielleicht von einigen kümmerlichen Sickerstellen. Doch in den vergangenen Jahren stellten Wissenschaftler fest, dass der Mars in früheren Zeiten wohl einmal Seen oder sogar Ozeane besaß – günstige Bedingungen also für Leben. "Das weckte erst die Begeisterung für die Erforschung des Planeten", berichtet Andrews-Hanna.

Nun könnte sich das Bild vom Mars aber erneut wandeln. Denn in einem Vortrag auf der diesjährigen Lunar and Planetary Science Conference dämpft der Planetenforscher Jim Head von der Brown University in Providence im US-Bundesstaat Rhode Island die Hoffnung auf eine wasserreiche Vergangenheit des Roten Planeten. Die Ergebnisse von Head und seinen Kollegen sprechen für einen Mars, der von Anfang an kalt und trocken war – allenfalls von kurzen feuchten Perioden unterbrochen. "Der Glaube an einen mit Palmen bedeckten Mars schwindet", sagt Stephen Clifford. Der Planetenforscher vom Lunar and Planetary Institute in Houston, Texas, organisiert im Mai 2012 eine Konferenz über das Klima auf dem jungen Mars.

Die erste Raumsonde, die den Mars in den 1960er und 1970er Jahren besuchte, enthüllte einen staubtrockenen und mit Kratern übersäten Planeten, ähnlich dem Mond. Hochauflösende Kameras an Bord von Raumsonden in einer Marsumlaufbahn – wie der 1997 gestartete Mars Global Surveyor – deckten dann ein Netzwerk von Tälern auf: rund 3,7 Milliarden Jahre alte, verflochtene und verzweigte Kanäle, die offenbar von Wasser geformt worden waren.

Mars Global Surveyor | Die Illustration zeigt die NASA-Forschungssonde Mars Global Surveyor (MGS) über dem Roten Planeten, um den sie seit November 1996 kreist. Der Krater unter ihr ist der Gipfel von Olympus Mons, des höchsten Vulkans im Sonnensystem.

2005 fanden Wissenschaftler mit einem Spektrometer an Bord des Mars-Express-Satelliten zahlreiche Hinweise auf Tonmineralien [1]. Diese Mineralien legen nahe, dass auf dem Mars für mehrere hunderte oder sogar tausende Jahre flüssiges Wasser existierte. Damit erschienen Geologen plötzlich nicht mehr übermütig, wenn sie die Küstenlinien von einem Ozean nachzeichneten, der einst die gesamte niedrig gelegene nördliche Hemisphäre des Planeten bedeckt haben könnte.

Head und andere Wissenschaftler widersprechen dieser Ansicht mit drei zentralen Argumenten. Das erste liefern Modelle über das frühe Marsklima. Diese sagen nämlich Temperaturen auf dem Planeten voraus, die zu niedrig wären, als dass Regen oder flüssiges Wasser auf der Oberfläche überhaupt auftreten könnte. Die junge Sonne war schwächer als heute, und selbst wenn der Mars damals eine dichtere Atmosphäre besaß, dürfte der Treibhauseffekt den Planeten nicht über den Gefrierpunkt erwärmt haben, meint François Forget von der Université de Paris. Der Physiker hat, wie er selbst sagt, das bisher komplexeste dreidimensionale Klimamodell für den Mars entwickelt. Und dieses kommt eben zu dem Ergebnis, dass alles Wasser auf dem Mars in Form von Eis in höheren Lagen gebunden gewesen wäre.

Bis zu der Konferenz im kommenden Monat will Forget auch den Effekt von Treibhausgasen, wie beispielsweise Schwefeldioxid, in sein Modell einbeziehen. Denn die könnten zeitweise in großen Mengen in der Atmosphäre vorhanden gewesen sein. Mit dem erweiterten Modell plant der Forscher dann, einen von Head vorgeschlagenen Ansatz zu prüfen: Schwefelhaltige Gase in Perioden vulkanischer Aktivität könnten die Atmosphäre für kurze Zeit erwärmt haben – gerade ausreichend, um das vereiste Hochland aufzuschmelzen und Sturzbäche zu entfesseln, die das Netzwerk von Tälern formten. Andere Forscher sprechen sich indessen für Asteroiden aus, deren Einschlag den Planeten lokal erwärmte und das Eis in diesen Regionen schmolz.

Betrachtet man die Tälernetzwerke genauer, so Head, sprechen die Befunde eher für eine sporadische Anwesenheit von Wasser als für ein dauerhaft feuchtes Klima auf dem Planeten. Dabei verweist er auf Studien, einschließlich seiner eigenen, die zeigen, dass einige der Netzwerke nicht nur geografisch, sondern auch zeitlich voneinander getrennt sind – ihre Entstehung liegt teilweise Hunderte von Millionen Jahren auseinander [2].

Selbst die Tonmineralien lassen nicht zwangsläufig auf einen wasserreichen Planeten schließen. Ein Forscherteam stellte mit einem Spektrometer an Bord des Mars Reconnaissance Orbiters fest, dass rund 80 Prozent der Tonmineralien zusammen mit anderen Mineralien auftreten, die sich bei relativ hohen Temperaturen bilden. Die Tonmineralien entstanden also womöglich nicht in kühlem Oberflächenwasser, schlussfolgern die Wissenschaftler. Stattdessen könnten sie sich in unterirdischem Wasser gebildet haben, das durch die Restwärme des jungen Planeten erwärmt wurde, sagt Bethany Ehlmann vom California Institute of Technology in Pasadena, Leiterin der Studie [3].

Präzise Landung dringend geboten | Die markierte Ellipse ist das Zielfeld: Innerhalb der angrenzenden Kraterwälle wollen NASA-Flugingenieure Curiosity sanft aufsetzen lassen, ohne dass der Rover am steilen Kraterberg zerschellt. Die Falschfarben stehen für die Geländehöhe um den Krater Gale.

Voraussichtlich am 5. August 2012 soll der NASA-Rover Curiosity auf dem Mars landen und einen genaueren Blick auf den Planeten werfen. An der Landestelle, dem Gale-Krater, umgibt ein dünner Ring aus Tonmineralien einen fünf Kilometer hohen Hügel. Obwohl, weiß Ehlmann, diese Tonminerale wahrscheinlich zu den 20 Prozent gehören, die sich mit Hilfe von Oberflächenwasser bildeten, dürfte ihre Beschaffenheit etwas über die Menge dieses Wassers verraten. Wurden die Tonmineralien in einem für lange Zeit bestehenden, tiefen See abgelagert? Oder handelte es sich um temporäre, seichte Gewässer? Manche Geologen schlagen sogar vor, dass sich die Mineralien möglicherweise in Gegenwart von Eis gebildet haben.

Dieses Umdenken schließe Leben auf dem frühen Mars dennoch nicht aus, meint Andrews-Hanna, sondern treibe es vielmehr tiefer in den Untergrund. "Wenn das Klima auf dem Mars nie stabil war, wäre das eine Herausforderung für das Leben gewesen", so der Forscher, "aber unterhalb der Oberfläche werden die Bedingungen schon stabiler."

Nördliche Marshemisphäre | Die Hypothese, nach der das nördliche Tiefland (blau) des Mars einst von Ozeanen bedeckt war, ist wohl hinfällig.

Sein Revisionismus sollte dem einstigen Leben auf dem Mars nicht allzu viele Probleme bereiten, meint Head, sogar demjenigen an der Oberfläche. So habe der Rote Planet in früheren Zeiten vielleicht den trockenen Tälern und temporären Seen in der Antarktis geglichen. Hier finden sich in der wärmeren Jahreszeit riesige Teppiche aus Algenblüten, genährt von einem Rinnsal aus Schmelzwasser aus dem darüberliegenden vereisten Hochland. "Oft wird Leben mit Wärme und Feuchtigkeit gleichgesetzt", sagt Head, "aber wenn man sich die Palette an Leben auf der Erde anschaut, gibt es wohl keinen Grund zu der Annahme, dass das Leben darauf beschränkt ist."

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