Klimaschutz: Staudämme in den Tropen schaden dem Klima
Ob Belo Monte in Brasilien, Nam Theun in Laos oder Belinga in Gabun: Wasserkraftprojekte in den tropischen Ländern der Erde ziehen oft Kritik nach sich, weil sie Regenwald überfluten und die ortsansässige Bevölkerung verdrängen. Umgekehrt argumentieren die Regierungen, dass sie auf diese Weise günstigen Strom produzieren können, ohne dabei die Atmosphäre mit Treibhausgasen zu belasten, wie dies bei der Kohlekraft der Fall wäre. Nun bestätigt jedoch eine Studie von Chandrashekhar Deshmukh von der Université de Toulouse und Kollegen, dass dies nicht nur falsch ist; das Emissionsproblem wurde bislang womöglich auch noch drastisch unterschätzt. Nach bisherigen Schätzungen entwichen jährlich etwas mehr als 100 Millionen Tonnen Methan aus den größten Stauseen der Tropen – etwa vier Prozent der jährlichen Gesamtmenge.
Diese Kalkulation berücksichtige aber den stärksten Emissionsprozess nur geringfügig oder überhaupt nicht, so die Arbeit von Deshmukh am laotischen Nam Theun 2, der seit seiner Flutung 2008 von den Wissenschaftlern mit Messgeräten überwacht wird. Wie in vielen Regionen der Tropen überflutete das Wasser hier auch eine üppige Vegetation, die anschließend im Wasser unter Luftabschluss von Bakterien zersetzt wird. Dazu kommt ein ständiger Nachschub an Pflanzenmaterial, das über Flüsse eingetragen wird und sich hinter dem Damm ansammelt. Das entstehende Methan tritt anschließend auf dreierlei Arten aus dem Wasser aus: Es löst sich im See und diffundiert langsam in die Atmosphäre oder wird über die Turbinen in den Ablauf gespült, wo es an turbulenten Stellen ebenfalls ausgast. Beides lässt sich einigermaßen gut messen verglichen mit dem dritten Prozess – dem Ausblubbern kleiner und großer Methanblasen, die aus der Tiefe des Stausees aufsteigen und direkt in die Luft übergehen. Ihr Verhalten ist chaotisch und unvorhersehbar, weshalb entsprechende Kalkulationen erschwert sind.
Deshmukh und Co haben deshalb ein automatisiertes Messverfahren entwickelt, das 24 Stunden im Einsatz ist. Neben den konventionellen Messbojen, die die Diffusion überwachen, und untergetauchten Fülltrichtern, die Blasen auffangen sollen, bestand das System aus mikrometeorologischen Stationen auf dem 450 Quadratkilometer großen Reservoir. Es zeichnete konstant die Windgeschwindigkeit auf und maß die Methankonzentrationen, die über dem See in der Atmosphäre vorhanden waren. Diese Messungen zeigten schließlich, dass in den Jahren seit der Flutung vor allem die Methanblasen zu den nachgewiesenen Mengen in der Luft beitrugen: 60 bis 80 Prozent der Gesamtemissionen stammten aus diesem Prozess – weit mehr als bislang veranschlagt.
Zudem variiert das Ausgasen im Tagesverlauf und saisonal. Die stärksten Werte traten in der Trockenzeit auf, wenn der Wasserstand am niedrigsten war, was auch den Wasserdruck senkt und damit den Blasenaufstieg erleichtert. Der tägliche Zyklus wird hingegen vom Luftdruck gesteuert, der zweimal täglich Minimumwerte erreicht – mittags und gegen Mitternacht –, während der ebenfalls vermehrt Methan austritt.
Methan hat eine rund 25-mal stärkere Treibhauswirkung als Kohlendioxid und trägt damit auch schon in geringen Mengen in der Atmosphäre zum Treibhauseffekt und Klimawandel bei. Verschärft wird die Situation noch, wenn die vorgesehenen Staubecken nicht vorher gerodet werden, sondern der Wald einfach überflutet wird wie im Fall des brasilianischen Tucuruí-Kraftwerks, das in einem Jahr mehr Treibhausgase freisetzte als die Millionenmetropole Sao Paulo.
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