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News: Wassermurmelspiele

Flüssige Murmeln? Eine ungewöhnliche Vorstellung. Doch französische Forscher haben Wassertropfen in eine wasserabweisende Hülle gepackt, sodass sie sich nun wie weiche Festkörper verhalten: Sie sind elastisch, können springen, rollen und sogar in Wasser schwimmen. Wird es zu steil, verlieren sie jedoch ihre fast perfekte Kugelgestalt und werden radförmig oder zu einer fliegenden Erdnuss.
Manche Dinge sollen oder dürfen absolut nicht nass werden. Läuft denn doch einmal ein Wassertropfen an ihnen herunter, hinterlässt er immer eine winzige Spur hinter sich – so ausgefeilt die wasserabweisende Oberfläche auch ist. Denn ein Material, das wirklich gar nicht mit der Flüssigkeit wechselwirkt, haben Forscher noch nicht entwickelt.

Pascale Aussillous und David Quéré vom Collège de France in Paris haben einen anderen Weg eingeschlagen: Sie umschlossen die Tröpfchen mit einer wasserabweisenden Hülle. Dafür gaben sie etwa ein bis zehn Kubikmillimeter Flüssigkeit in ein Pulver aus etwa 20 Mikrometer großen Bärlappsporen, die mit fluorierten Silanen versehen waren. Die Körnchen umhüllten die Tropfen spontan, sodass sich etwa ein Millimeter große Kugeln bildeten, die Eigenschaften eines weichen Feststoffes zeigen: Sie sind elastisch und können springen und rollen, ohne Wasserspuren hinter sich her zu ziehen.

Anschließend verfrachteten Aussillous und Quéré ihre "Wassermurmeln" auf eine Glasplatte. Normalerweise würde sich ein Wassertropfen dort zu einer Linse abplatten. Doch davon keine Spur: Die neue Außenhaut verhinderte, dass die Flüssigkeit mit der Oberfläche in Kontakt kam, weshalb die Tröpfchen ihre fast perfekte Kugelform beibehielten. Die Hülle war sogar so wirksam, dass die Kügelchen in einem Wasserbecken auf der Oberfläche schwammen.

Und auch auf einer geneigten Oberfläche sorgten die kleinen Tropfen für Überraschungen. Wie eine feste Kugel setzten sie sich bereits bei einem Gefälle von weniger als zehn Grad in Bewegung – für einen gewöhnlichen Wassertropfen wäre das noch nicht steil genug. Paradox erscheint, dass große Kügelchen langsamer rollten als ihre kleineren Geschwister. Doch das hatten Theoretiker schon vorhergesagt, denn die Geschwindigkeit hängt von zwei Faktoren ab: Zum einen von der Schwerkraft, und damit der Masse, welche die Bewegung beschleunigt, zum anderen davon, wieviel Energie durch Reibung verloren geht, was wiederum mit der Größe der Kontaktfläche verknüpft ist und verlangsamend wirkt. Die Kontaktfläche nimmt jedoch schneller zu als das Volumen und damit die Masse der Kügelchen, was die größeren Tropfen ausbremst.

Auf steileren Oberflächen zeigten die elastischen Murmeln noch viel ausgefallenere Eigenheiten. Neigten die Forscher die Rollebene um etwa 35 Grad, war die Kugelform dahin. Nun ähnelten die Tröpfchen einem aufrecht stehenden Rad mit einer dünnen, hautartigen Nabe im Zentrum. Dieser Zustand ist theoretischen Überlegungen zufolge jedoch nicht stabil und besteht auch nur, solange eine Platte für den nötigen Halt sorgt. Einmal zu hoch gesprungen oder über den Rand gerollt, verwandelten sich die Gebilde in eine Art Erdnuss, die sich überschlagend weiter bewegte. Warum diese Form stabiler ist, konnten die Wissenschaftler jedoch noch nicht klären.

Diese einfach und schnell herzustellenden Wassermurmeln dürften Wissenschaftler verschiedener Disziplinen interessieren. Denn sie bieten die Möglichkeit, theoretische Vermutungen über das dynamische Verhalten von Tropfen bis hin zur Stabilität von Sternen und Planeten im Experiment zu überprüfen. Eine neue Runde Murmelspielen in den Labors ist eröffnet.

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  • Quellen
Nature 411: 924–927 (2001)
Nature 411: 895–896 (2001)

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