Psychische Gesundheit : Wege aus der Einsamkeit

Natalie ist umgeben von ihrer Familie: Sie sitzt auf dem Boden und spielt mit ihrer Tochter, gerade ein Jahr alt. Ihr Mann werkelt im Keller, kommt ab und zu durch das Wohnzimmer gelaufen. Natalie liebt die Zeit mit ihrem Kind. Aber manchmal ist das Elternsein auch eintönig und herausfordernd zugleich. Heute ist so ein Tag: Die Kleine ist krank und schlecht gelaunt, weint bei jeder Kleinigkeit. Das zerrt an den Nerven. Ihr Mann ist gerade keine Hilfe, er ist zu beschäftigt mit seinem Projekt. Noch dazu regnet es, ein Spaziergang an der frischen Luft klingt nicht verlockend. In solchen Momenten fehlt Natalie jemand, mit dem sie sich austauschen kann, der in einer ähnlichen Lage ist und sie versteht. Dann fühlt sie sich – inmitten ihrer Familie – einsam.
Über dieses Gefühl wird spätestens seit der Pandemie viel gesprochen. Vermutlich kennen es die meisten Menschen auf irgendeine Weise. Oft bleibt es bei einer dumpfen Ahnung, gerade gerne in einer anderen Situation zu sein. In Natalies Fall könnte eine winzige Änderung bereits viel helfen – wenn ihr Mann sich eine Weile zu ihr setzt oder eine Nachricht von einer Freundin sie aufmuntert und sie wieder mehr Verbundenheit spüren lässt.
Andere beschleicht dieses unangenehme Gefühl vielleicht in Situationen, in denen sie von vielen Menschen umgeben sind, aber niemanden wirklich kennen. Im Leben gibt es unzählige solcher Momente, in denen sich »die tatsächlichen sozialen Kontakte in Quantität oder Qualität von den gewünschten Beziehungen unterscheiden« – so eine gängige Definition von Einsamkeit.
Die Kluft zwischen sozialen Bedürfnissen und tatsächlichen Beziehungen
Das klingt sperrig, doch der Satz steckt voller wichtiger Informationen. So geht es nicht unbedingt darum, möglichst viele Menschen um sich zu haben. »Darin unterscheidet sich die Einsamkeit von der sozialen Isolation«, erklärt Tobias Krieger, leitender Psychologe der Abteilung für Klinische Psychologie und Psychotherapie an der Universität Bern. »Bei der Isolation ist man objektiv allein, während die Einsamkeit ein subjektives Gefühl ist.« Manchen Menschen reichen wenige, enge Kontakte, andere brauchen ein wesentlich größeres soziales Netzwerk, um sich wohlzufühlen und ihr Bedürfnis nach sozialen Beziehungen zu befriedigen.
Gerade während des Lockdowns traten Isolation und Einsamkeit gemeinsam auf. Besonders traf es gesellige Menschen, die sonst viel unterwegs waren und gerne mit anderen interagieren – für sie war die Differenz zwischen den tatsächlichen und den gewünschten Kontakten plötzlich enorm. Auch nach der Pandemie bleibt das Interesse an dem Thema groß, berichtet Tobias Krieger. Einige Medien riefen eine regelrechte Epidemie der Einsamkeit aus. Aber werden die Menschen tatsächlich immer einsamer?
Gibt es eine Epidemie der Einsamkeit?
Das 2024 veröffentlichte »Einsamkeitsbarometer« des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend stellt die Entwicklung des Gefühls in den letzten 30 Jahren dar. Die Daten stammen aus Befragungen des Sozio-oekonomischen Panels, der größten Langzeitstudie in Deutschland.
Die Auswirkungen der Covid-19-Pandemie zeigen sich deutlich: In den Jahren zuvor gaben je nach Altersgruppe sechs bis elf Prozent der Befragten an, sich einsam zu fühlen. 2020 stiegen die Werte sprunghaft an, auf bis zu 32 Prozent. Junge Menschen waren am stärksten von Einsamkeit betroffen. Ein Jahr später, als die Kontaktbeschränkungen gelockert wurden, gingen die Zahlen wieder zurück – allerdings nicht auf das Niveau von vor dem Lockdown. 10 bis 14 Prozent fühlten sich nach wie vor einsam, und vor allem in den jüngeren Altersgruppen nimmt das Gefühl nur langsam wieder ab. Bedenkt man, dass auch 2021 viele Menschen umsichtig Abstand hielten, kann von einer »Epidemie der Einsamkeit« jedoch keine Rede sein.
Das Robert Koch-Institut legte 2024 neuere Zahlen vor. Auch 2022 nahm das Gefühl von Einsamkeit dem NCD-Surveillance-Bericht zufolge weiter ab.
Ein Team um Susanne Bücker, Professorin für Entwicklungspsychologie und Pädagogische Psychologie an der Universität Witten/Herdecke, analysierte 2021, wie sich das Gefühl bei jungen Erwachsenen zwischen 1976 und 2019 entwickelte. Dafür berücksichtigte es die Daten von 345 Studien. Das Ergebnis: Menschen zwischen 18 und 29 Jahren fühlten sich mit jedem Kalenderjahr etwas einsamer. Der Effekt zeigte sich allerdings nur in Nordamerika, nicht in Europa oder Asien. Möglicherweise liegt das daran, dass es dort zu wenige Erhebungen gab, um eine bedeutsame Veränderung über die Zeit nachzuweisen, vermuten die Wissenschaftler.
Hilfreich, aber ungesund
Einsamkeit geht mit einer langen Liste an gesundheitlichen Problemen einher. Menschen, die sich allein fühlen, sind zum Beispiel oft depressiv, mitunter sogar suizidgefährdet. Sie leiden auch eher an Schlafproblemen, Bluthochdruck oder Störungen des Immunsystems und haben ein höheres Demenzrisiko. Also startete die WHO 2023 eine Kampagne, um das »dringende Gesundheitsproblem« anzugehen.
»Man weiß noch gar nicht, was schlimmer ist: wenn man sich selten einsam fühlt, dafür aber sehr stark, oder wenn man ständig ein bisschen einsam ist«Susanne Bücker, Psychologin
Ein Problem, das Aufmerksamkeit verdient
Selbst ohne Übertreibungen ist Einsamkeit in Deutschland und weltweit daher ein Problem, das Aufmerksamkeit verdient. Doch sie zu katastrophisieren, hilft nicht. Wichtiger ist es, gezielt hinzusehen und zu verstehen, wer in welcher Situation gefährdet ist – und was helfen könnte.
Genau das versuchen Forschende wie Tobias Krieger und Susanne Bücker. Als Expertin im Kompetenznetzwerk Einsamkeit (KNE), das sich mit den Ursachen und Folgen des Gefühls beschäftigt und auch die Politik berät, kennt Bücker die Hürden solcher Forschung: »Es fängt schon damit an, dass Einsamkeit keine kategorisch einschätzbare Diagnose ist.« Man könne nicht sagen, ein Mensch sei einsam oder eben nicht. »Wir müssen es vielmehr als Kontinuum verstehen, von ›Ich bin nie einsam‹ bis ›Ich bin immer einsam‹.«
»Es ist ein sehr stigmatisiertes Thema, weshalb es für viele schambehaftet ist, sich einsam zu fühlen«Tobias Krieger, Psychologe
Erst 2008 begannen Wissenschaftler damit, standardisierte Methoden zur Messung von Einsamkeit zu verwenden, in Deutschland 2013. Hier vergleicht man häufig Studien miteinander, in denen zu verschiedenen Zeitpunkten Personen einmalig befragt wurden. Das liefert zwar ein ungefähres Bild, doch die Daten können von anderen Faktoren und Eigenheiten der jeweiligen Erhebung beeinflusst sein. Man muss darum immer genau hinschauen, was untersucht wurde und welche Kriterien genutzt wurden, erläutert Bücker. Unklar sei zudem, was schlimmer ist: wenn man sich selten einsam fühlt, dafür aber sehr stark, oder wenn man ständig ein bisschen einsam ist.
Wie die Menschen nach ihrer Einschätzung gefragt werden, macht ebenfalls einen Unterschied, erklärt Tobias Krieger: »Es ist ein sehr stigmatisiertes Thema, weshalb es für viele schambehaftet ist, sich einsam zu fühlen.« Befragte könnten aus diesem Grund ihre Gefühle verbergen und sie vor sich oder anderen verleugnen. Darum stellten die Forschenden oft indirektere Fragen wie »Haben Sie das Gefühl, dass Ihnen Gesellschaft fehlt?« oder »Fühlen Sie sich häufig ›außen vor‹?«.
Hunger nach Kontakt
Krieger warnt davor, Einsamkeit zu pathologisieren: »Erst einmal kann es ein hilfreiches Gefühl sein, das uns zeigt, dass unser Bedürfnis nach sozialen Beziehungen unbefriedigt ist.« Insofern birgt die unangenehme Empfindung eine nützliche Information. Dann könne man aktiv gegensteuern. Natalie etwa könnte ihrem Mann erzählen, wie es ihr geht, und um mehr Unterstützung bitten.
Im Leben gibt es immer wieder Phasen, in denen Menschen sich eher allein fühlen. Meist gehen sie aber wieder vorüber. Gemeinsam mit dem niederländischen Persönlichkeits- und Entwicklungspsychologen Jaap Denissen und der Einsamkeitsforscherin Maike Luhmann untersuchte Susanne Bücker 2019, wie sich das Gefühl infolge bedeutsamer Lebensereignisse veränderte. Sie nutzten dazu den Datensatz einer großen niederländischen Befragung mit rund 14 000 Teilnehmenden aus über 8500 Haushalten. Das Ergebnis: Das Scheitern einer Ehe, eine Scheidung oder der Tod des Ehepartners gingen bereits vor dem eigentlichen Ereignis mit größerer Einsamkeit einher. Anschließend nahmen die Werte wieder ab. Wer arbeitslos wurde, fühlte sich ebenfalls bereits vorher allein und blieb es auch nach dem Jobverlust. Eltern hingegen empfanden das erste Jahr nach der Geburt eines Kindes als weniger einsam, danach stieg das Gefühl jedoch immer stärker an.
Als ein wichtiger Risikofaktor für Einsamkeit gilt das Alter. Ältere Menschen sind besonders gefährdet, ebenso wie junge Erwachsene. Das liege allerdings nicht am Alter selbst, erklärt Susanne Bücker, sondern daran, was Menschen in der jeweiligen Phase erleben. Ältere Menschen verlieren eher geliebte Personen oder leiden an Krankheiten, die sie im Alltag einschränken. »Das sind die eigentlichen Ursachen für ihre Einsamkeit.« Im Leben junger Erwachsener gibt es hingegen oft große Umbrüche: Sie ziehen etwa für das Studium oder die Ausbildung in eine eigene Wohnung oder in eine fremde Stadt und müssen sich mit den Veränderungen arrangieren.
Der digitalen Welt und vor allem den sozialen Medien wird häufig eine Mitschuld an der Vereinsamung junger Menschen gegeben. Man kann sich leicht vorstellen, wie endloses Scrollen für weniger echte Begegnungen sorgt. Susanne Bücker ist es jedoch wichtig, solche Zusammenhänge differenzierter zu betrachten: Es komme auf die Häufigkeit und die Art der Nutzung an. »Extreme Ausmaße sind natürlich problematisch. Aber bei vielen Menschen können die digitalen Medien die persönlichen Bindungen stützen.« Sie denkt dabei zum Beispiel an junge Erwachsene, die nach einem Umzug auf diese Weise Kontakt mit ihrer Familie und ihren Freunden halten können. Wichtig sei, dass sich die Beziehungen nicht komplett in die digitale Welt verlagerten und echte Kontakte verdrängten.
Eine große Übersichtsarbeit hat sich 2023 mit den direkten und indirekten Risikofaktoren für Einsamkeit befasst. Forschende um Martina Barjaková haben dafür mehr als 100 Studien gesichtet. Besonders ausschlaggebend ist offenbar, ob man in einer festen Beziehung lebt. Eine Trennung oder der Tod des Partners bergen ein großes Risiko für Einsamkeit.
Auch Personen, die allein leben, nicht oft Kontakt zu Freunden oder der Familie haben und denen es an sozialer Unterstützung mangelt, sind anfälliger für Einsamkeitsgefühle. Je einsamer man sich fühlt, desto weniger soziale Aktivitäten übt man aus. Je sozial aktiver Menschen dagegen sind, desto weniger einsam fühlen sie sich.
Andere Faktoren, etwa die finanzielle Situation oder wie viele Begegnungsmöglichkeiten es in der Nachbarschaft gibt, üben ihren Einfluss der Analyse zufolge eher indirekt aus. Verliert man seinen Job, fehlen gleichzeitig die bisherigen sozialen Kontakte, das Netzwerk schrumpft. Gibt es im Park vor dem Haus häufig Nachbarschaftstreffen, fühlt man sich gleich viel zugehöriger.
Warum eine Person sich letztlich einsam fühlt, ist eine vielschichtige und individuelle Frage. Vorübergehend kann die Empfindung Chancen bergen und zu neuen Kontakten motivieren. Problematisch sei jedoch, wenn das Gefühl chronisch werde, sagt Tobias Krieger. Manche Studien werten es als Chronifizierung, wenn sich eine Person über Monate hinweg ständig einsam fühlt. Bei anderen Untersuchungen geht es um Jahre. »Der Kern ist, dass die Menschen langfristig unter der Einsamkeit leiden und das Gefühl haben, diese nicht beeinflussen zu können.«
Einsamkeit als selbsterfüllende Prophezeiung
In solchen Fällen können sich Informationsverarbeitungsprozesse im Gehirn so verändern, dass Menschen mit ihrem Verhalten die Einsamkeit fördern. »Man lenkt dann die Aufmerksamkeit beispielsweise eher auf negative soziale Situationen oder interpretiert neutrale Erlebnisse auf ungünstige Weise um«, so Krieger.
Um etwa nicht verletzt zu werden, vermeiden die Betreffenden den sozialen Umgang und ziehen sich noch mehr zurück. Oder sie verhalten sich gegenüber anderen ungewollt so, dass diese weniger Lust haben, Kontakt zu ihnen aufzunehmen. Solche Erfahrungen verstärken wiederum das Einsamkeitsgefühl und erhalten es aufrecht.
Spätestens dann ist es Zeit für Hilfe von außen. Verschiedenste Ansätze können das ungesunde Gefühl reduzieren und die Verbundenheit zu anderen fördern. Sie lassen sich laut einer 2011 veröffentlichten Metaanalyse in vier Strategien unterteilen: Manche Maßnahmen setzen dabei an, die sozialen Fähigkeiten einsamer Menschen zu verbessern, andere versuchen, die soziale Unterstützung zu stärken. Ein weiterer Ansatz ist es, mehr Möglichkeiten zu schaffen, um mit anderen in Kontakt zu kommen. Als am effektivsten haben sich allerdings Maßnahmen erwiesen, die an den kontraproduktiven Gedanken einsamer Menschen ansetzen.
Die Betroffenen lernen dabei, kognitive Verzerrungen (zum Beispiel »Die mögen mich nicht«) zu erkennen und zu korrigieren. Dadurch soll es ihnen besser gelingen, die Signale anderer Personen richtig zu interpretieren und sich im Umgang mit anderen zugewandter zu verhalten.
Kognitive Umstrukturierung: Ein Mittel gegen Einsamkeit
Wer sich einsam fühlt, interpretiert die Signale anderer oft negativ und verhält sich dadurch selbst ungünstig. Das kann die Situation verstärken und zu einem chronischen Problem machen. Beispiele für solche kognitiven Verzerrungen sind:
- »Niemand mag mich«: Negative Annahmen über sich selbst können dazu führen, dass jemand sich zurückzieht und keinen Kontakt mit anderen sucht.
- »Wenn ich mich auf eine Beziehung einlasse, werde ich verletzt«: Die Angst vor Ablehnung kann bewirken, dass man andere nicht wirklich an sich heranlässt und sich selbst eher abweisend verhält.
- »Die Kollegen haben nur ihren eigenen Vorteil im Blick«: Harmlose Situationen werden als bedrohlich wahrgenommen, was etwa aggressives Verhalten auslösen kann – etwa, wenn man bei der Arbeit Angst hat, von den anderen übervorteilt zu werden.
Solche Glaubenssätze zu erkennen und zu korrigieren, ist eine effektive Maßnahme gegen Einsamkeit. Betroffene lernen dabei, sich selbst als wertvolle Person zu akzeptieren und anderen Menschen nicht automatisch negative Motive zu unterstellen. Auch Achtsamkeits- und Entspannungsverfahren können die Verbundenheit mit anderen stärken. Darüber hinaus kann es Personen helfen, kritisch zu reflektieren, was sie von einer Beziehung erwarten und wie frühere Bindungen sie geprägt haben.
Krieger, T. et al.: Chronische Einsamkeit – mehr als ein Symptom einer Depression. Psychotherapie im Dialog 22, 2021Bei Programmen, die allein auf vermehrte Kontakte setzen, ist Tobias Krieger dagegen skeptisch: »Meist hilft es wenig, einsame Personen in einem Raum zusammenzubringen. Es kommt auf die erlebte Qualität der Interaktionen an.«
Eine große Hürde besteht häufig schon darin, die Betroffenen überhaupt zu erreichen und zu motivieren, weiß Susanne Bücker. Das liege zum einen am Stigma und der mit Einsamkeit verbundenen Scham. Zum anderen ist es auch eine Frage des ersten Schrittes: »Wir haben die Erfahrung gemacht, dass die Leute lieber kontaktiert werden, als selbst aktiv jemanden anzusprechen oder zu einem Angebot zu gehen.« Das macht die Hilfe schwieriger und aufwändiger.
Krieger untersucht deshalb unter anderem Onlineprogramme als niederschwelliges Angebot. Das mag zunächst kontraproduktiv klingen – sollten die Betroffenen nicht eher weniger Zeit in der digitalen Welt verbringen? »Bei diesen Interventionen bekommen die Menschen vor allem Wissen und Übungen vermittelt, um ihre Gedanken und ihr Verhalten in der realen Welt zu verändern«, erklärt der Psychologe.
In einer 2024 veröffentlichten Studie testete Krieger gemeinsam mit Kollegen ein internetbasiertes Selbsthilfeprogramm. Dieses vermittelt neben Hintergrundwissen unter anderem Achtsamkeits- und Meditationstechniken sowie Strategien für mehr Selbstmitgefühl. Die Teilnehmenden sollen dabei zunächst ihre Einsamkeitsgefühle wahrnehmen und akzeptieren. Anschließend lernen sie zum Beispiel, automatische negative Gedanken zu erkennen (etwa »Die anderen interessieren sich sowieso nicht für mich«) und in der realen Welt zu überprüfen (»Hören mir die Kollegen wirklich nicht zu, wenn ich von meinem Urlaub erzähle?«) sowie aktiv neue Aktivitäten zu suchen.
Mehr als 200 Menschen, die unter Einsamkeit litten, nutzten das Programm zehn Wochen lang und bekamen wöchentlich eine Rückmeldung: entweder personalisierte Informationen und Ermunterungen von einem Coach oder eine automatisierte Standardnachricht, in der die vergangene Woche zusammengefasst und ein Ausblick auf die nächste gegeben wurde.
Beide Interventionen wirkten. Die Probanden fühlten sich hinterher also im Schnitt weniger einsam als Personen, die auf der Warteliste für das Programm standen. Wer dabei personalisiertes Feedback erhielt, bei dem war der Effekt jedoch deutlich größer.
Krieger betont: »Wir dürfen die Verantwortung nicht einfach auf die Betroffenen abwälzen, sondern sollten auch die gesellschaftlichen Strukturen beachten, die Einsamkeit begünstigen.« Susanne Bücker und Kolleginnen heben in einer Überblicksarbeit ebenfalls hervor: Die Politik müsse mehr dafür tun, um Risikofaktoren für Einsamkeit wie Armut und Arbeitslosigkeit zu verringern, und gleichzeitig finanzielle Mittel für evidenzbasierte Interventionen bereitstellen.
Das Thema ist mittlerweile stärker in den Fokus gerückt. In Großbritannien veröffentlichte die Regierung 2018 die weltweit erste Strategie gegen Einsamkeit. Auch in den Niederlanden gibt es ein entsprechendes Programm. In Deutschland fördert das Bundesfamilienministerium seit 2021 das Kompetenznetzwerk Einsamkeit. 2023 wurde die »Strategie der Bundesregierung gegen Einsamkeit« veröffentlicht. Ziel ist es, die Bevölkerung für das Thema zu sensibilisieren, Ideen zu sammeln und konkrete Konzepte zu fördern, etwa Mehrgenerationenhäuser oder das Modellprojekt des Deutschen Olympischen Sportbundes »Verein(t) gegen Einsamkeit«. Das sei ein Schritt in die richtige Richtung, findet Bücker. Doch bei aller Planung und Forschung dürfe man die Individuen nicht aus dem Auge verlieren, betont Tobias Krieger. »Es gibt keine pauschalen Ratschläge oder Tipps, die für jede einsame Person hilfreich sind.«
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