Luftfahrttechnik: Wege aus der Schadstoff-Zwickmühle
Mit neuen Triebwerkstechniken wollen Airlines den Kerosinverbrauch ihrer Flugzeuge weiter absenken. Doch es gibt einen Haken: Mit steigender Effizienz überschreitet der Ausstoß an Stickoxiden existierende Grenzwerte. Die Turbinenhersteller müssen sich also etwas einfallen lassen.
Treibstoff ist teuer und schadet der Umwelt. Autofahrer und Airlines teilen somit ein gemeinsames Interesse: Der Spritverbrauch muss runter. Tatsächlich konnten die Flugzeugbauer in den letzten Jahren den Treibstoffverbrauch ihre Triebwerke immer weiter senken, doch jetzt stoßen sie auf ein grundsätzliches technisches Problem: Um einen noch höheren Wirkungsgrad zu erzielen, heizen neue Triebwerke die durch sie strömende Luft immer stärker auf. Höhere Temperaturen bei der Treibstoffverbrennung erzeugen wiederum mehr Stickoxide – und überschreiten damit geltende Grenzwerte des klimaschädlichen Gases.
Es gibt also wenig Spielraum für weitere NOX-Zuwächse. Die Triebwerksentwickler sitzen in der Zwickmühle und können ihre Ideen, den Wirkungsgrad weiter zu steigern, nicht umsetzen, ohne gleichzeitig neue Techniken zur NOX-Reduktion zu entwickeln.
Mager statt fett
Die Ingenieure versuchen daher, die Treibstoffverbrennung zu optimieren. "In der Brennkammer eines herkömmlichen Triebwerks herrscht normalerweise ein Überschuss an Treibstoff, der gewährleistet, dass die Verbrennung nicht erlischt", beschreibt Holger Klinger, Chief Design Engineer bei Rolls-Royce Deutschland in Dahlewitz bei Berlin, das Problem. Durch das Überangebot an Kerosin entstehen Zonen übermäßig hoher Temperaturen, die sich immer wieder in der Brennkammer bilden, wo am meisten Stickoxid entsteht.
Als Lösung sehen die Techniker die so genannte Magerverbrennung, erklärt Klinger. "Die Temperaturspitzen kann man kappen, indem man den Treibstoffüberschuss in einen Luftüberschuss umwandelt, also mehr Luft für die Kraftstoffaufbereitung verwendet." Dadurch ergibt sich ein Spielraum, die Durchschnittstemperatur in der Brennkammer – und damit den Wirkungsgrad – zu erhöhen und trotzdem weniger NOX auszustoßen. Doch ganz so einfach ist nicht. Denn die Magerverbrennung birgt die Gefahr, dass das Feuer in der Brennkammer wegen des Luftüberschusses erlischt – ein im Luftverkehr absolut inakzeptables Risiko.
"Deshalb gibt es eine begrenzte Zone in der Mitte der Kammer, in der eine fette Verbrennung stattfindet", erklärt Klinger. Diese so genannte Pilotflamme sei gegen das Erlöschen immun, versichert der Ingenieur. Bei geringem Triebwerkschub brennt nur die Pilotflamme, um die eine weitere Kraftstoffdüse ringförmig angeordnet ist. "Diese Einspritzdüse wird mit Luftüberschuss betrieben", so Klinger weiter. "Mit zunehmendem Schub werden dann sukzessive mehrere Brenner an der ringförmigen Einspritzdüse gezündet." Um die Kernzone der Brennkammer herum findet somit eine Magerverbrennung statt, deren Anteil mit wachsendem Schub stufenweise zunimmt.
Säbelförmige Schaufeln
Das Konzept scheint aufzugehen: Der Prototyp von Rolls-Royce erzeugte etwas weniger als 45 Prozent des CAEP/6-Grenzwertes an Stickoxiden. "Da ist also noch Spielraum, falls der Grenzwert weiter gesenkt wird", meint Klinger. Gegenüber dem Vorgängermodell BR715 sei der NOX-Ausstoß halbiert worden.
Die Techniker haben sich jedoch noch mehr einfallen lassen. Jedes Triebwerk saugt Luft von außen an und verdichtet sie mithilfe tausender rotierender Schaufeln, bevor sie in die Brennkammer gelangt. Je höher der auf diese Weise erzeugte Luftdruck ist, desto größer wird der Wirkungsgrad des Triebwerkes.
Insbesondere säbelförmige Schaufeln haben sich bewährt. "Dadurch konnten die Verlustströmungen weitgehend eliminiert werden", erklärt Klinger und betont: "Wir erreichen jetzt mit weniger Schaufeln einen höheren Druck." Damit liege der spezifische, auf den Schub bezogene Treibstoffverbrauch des Prototyps um etwa zehn Prozent niedriger als beim Vorgängermodell.
Zurückhaltender Fan
Der Triebwerkshersteller MTU Aero Engines kündigt sogar noch sparsame Triebwerke an als Rolls Royce. Gemeinsam mit dem US-Triebwerkshersteller Pratt & Whitney wagten die Münchner einen ungewöhnlichen Schritt: Sie bauten ein Getriebe in die Welle des Triebwerks ein – ein Novum in der Verkehrsfliegerei.
"In den letzten Jahren wurde versucht, den Anteil der Luft, der durch die äußere Röhre strömt, immer weiter zu erhöhen, denn das vergrößert den Wirkungsgrad des Triebwerks", so Mühling weiter. Bereits bei heutigen Triebwerken erzeugt nach seinen Angaben der Fan bis zu 80 Prozent des Schubs. Die Münchner wollen nun zwölf- statt bislang achtmal mehr Luft außen herum strömen lassen als durch das Kerntriebwerk. Dazu müssen die Hersteller den Durchmesser des Fans vergrößern.
Die neue Bauweise soll den Treibstoffverbrauch und damit den CO2-Verbrauch um 15 Prozent reduzieren. "Gleichzeitig werden wir den Stickstoffausstoß um 70 bis 80 Prozent gegenüber dem heutigen Standard senken“, meint Mühling. Pratt & Whitney liefert MTU dafür eine spezielle, mit Magerverbrennung arbeitende Brennkammer.
Das neue Triebwerk soll in den nächsten Tagen erstmals an einem Airbus A340 getestet werden.
Ob diese oder auch andere Neuentwicklungen – wie etwa ein Triebwerk mit zwei gegenläufigen Fans, das Ingenieure des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt entwickeln – die Airlines aus der Schadstoff-Zwickmühle befreien werden, bleibt offen. Doch die Branche lechzt nach effizienten Triebwerken, wie Mühling unterstreicht. "In Zeiten explodierender Treibstoffpreise können bereits zwei oder drei Prozent weniger Kraftstoffverbrauch darüber entscheiden, ob eine Airline schwarze oder rote Zahlen schreibt."
So stieg der Ausstoß an Stickoxiden (NOX) aus dem Flugverkehr um vier bis fünf Prozent pro Jahr, während der Treibstoffverbrauch und das damit ausgestoßene Kohlendioxid (CO2) zwischen 1990 und 2004 lediglich um zwei bis drei Prozent jährlich zunahm. Schon heute emittieren die meisten Triebwerke mehr als zwei Drittel des seit Januar 2008 gültigen NOX-Grenzwertes CAEP/6 des Committee on Aviation Environmental Protection (CAEP), einer Unterorganisation der Internationalen Organisation der zivilen Luftfahrt (ICAO). Viele Triebwerke übertreffen diese Marke sogar und sind daher seit Januar 2008 nicht mehr zugelassen.
Es gibt also wenig Spielraum für weitere NOX-Zuwächse. Die Triebwerksentwickler sitzen in der Zwickmühle und können ihre Ideen, den Wirkungsgrad weiter zu steigern, nicht umsetzen, ohne gleichzeitig neue Techniken zur NOX-Reduktion zu entwickeln.
Mager statt fett
Die Ingenieure versuchen daher, die Treibstoffverbrennung zu optimieren. "In der Brennkammer eines herkömmlichen Triebwerks herrscht normalerweise ein Überschuss an Treibstoff, der gewährleistet, dass die Verbrennung nicht erlischt", beschreibt Holger Klinger, Chief Design Engineer bei Rolls-Royce Deutschland in Dahlewitz bei Berlin, das Problem. Durch das Überangebot an Kerosin entstehen Zonen übermäßig hoher Temperaturen, die sich immer wieder in der Brennkammer bilden, wo am meisten Stickoxid entsteht.
Als Lösung sehen die Techniker die so genannte Magerverbrennung, erklärt Klinger. "Die Temperaturspitzen kann man kappen, indem man den Treibstoffüberschuss in einen Luftüberschuss umwandelt, also mehr Luft für die Kraftstoffaufbereitung verwendet." Dadurch ergibt sich ein Spielraum, die Durchschnittstemperatur in der Brennkammer – und damit den Wirkungsgrad – zu erhöhen und trotzdem weniger NOX auszustoßen. Doch ganz so einfach ist nicht. Denn die Magerverbrennung birgt die Gefahr, dass das Feuer in der Brennkammer wegen des Luftüberschusses erlischt – ein im Luftverkehr absolut inakzeptables Risiko.
"Deshalb gibt es eine begrenzte Zone in der Mitte der Kammer, in der eine fette Verbrennung stattfindet", erklärt Klinger. Diese so genannte Pilotflamme sei gegen das Erlöschen immun, versichert der Ingenieur. Bei geringem Triebwerkschub brennt nur die Pilotflamme, um die eine weitere Kraftstoffdüse ringförmig angeordnet ist. "Diese Einspritzdüse wird mit Luftüberschuss betrieben", so Klinger weiter. "Mit zunehmendem Schub werden dann sukzessive mehrere Brenner an der ringförmigen Einspritzdüse gezündet." Um die Kernzone der Brennkammer herum findet somit eine Magerverbrennung statt, deren Anteil mit wachsendem Schub stufenweise zunimmt.
Säbelförmige Schaufeln
Das Konzept scheint aufzugehen: Der Prototyp von Rolls-Royce erzeugte etwas weniger als 45 Prozent des CAEP/6-Grenzwertes an Stickoxiden. "Da ist also noch Spielraum, falls der Grenzwert weiter gesenkt wird", meint Klinger. Gegenüber dem Vorgängermodell BR715 sei der NOX-Ausstoß halbiert worden.
Die Techniker haben sich jedoch noch mehr einfallen lassen. Jedes Triebwerk saugt Luft von außen an und verdichtet sie mithilfe tausender rotierender Schaufeln, bevor sie in die Brennkammer gelangt. Je höher der auf diese Weise erzeugte Luftdruck ist, desto größer wird der Wirkungsgrad des Triebwerkes.
"Wir erreichen jetzt mit weniger Schaufeln einen höheren Druck"
(Holger Klinger)
"Wir haben die Luftströmungen im Verdichter genau analysiert und viele Strömungen entdeckt, die nicht zur Verdichtung der Luft beitragen, so genannte Verlustströmungen", erzählt Klinger. "Dann haben wir die Schaufeln, die bei herkömmlichen Triebwerken im Prinzip flach wie ein zweidimensionales Blatt sind, dreidimensional geformt." (Holger Klinger)
Insbesondere säbelförmige Schaufeln haben sich bewährt. "Dadurch konnten die Verlustströmungen weitgehend eliminiert werden", erklärt Klinger und betont: "Wir erreichen jetzt mit weniger Schaufeln einen höheren Druck." Damit liege der spezifische, auf den Schub bezogene Treibstoffverbrauch des Prototyps um etwa zehn Prozent niedriger als beim Vorgängermodell.
Zurückhaltender Fan
Der Triebwerkshersteller MTU Aero Engines kündigt sogar noch sparsame Triebwerke an als Rolls Royce. Gemeinsam mit dem US-Triebwerkshersteller Pratt & Whitney wagten die Münchner einen ungewöhnlichen Schritt: Sie bauten ein Getriebe in die Welle des Triebwerks ein – ein Novum in der Verkehrsfliegerei.
"Ein Triebwerk besteht quasi aus zwei konzentrischen Röhren", erklärt MTU-Sprecher Odilo Mühling. Die innere Röhre, das Kerntriebwerk, enthält den Hochdruckverdichter, die Brennkammer und die Hochdruckturbine. Die Luft wird beim Eintritt in das Kerntriebwerk verdichtet und anschließend in der Brennkammer erhitzt. Die nach hinten ausströmende, heiße Luft treibt die Hochdruck- und die Niederdruckturbine an. Letztere wiederum versetzt eine Welle in Drehung, die den Fan, die erste Stufe des Luftverdichters, antreibt. Die verdichtete Luft fließt durch die äußere Röhre, den Nebenstrom, und erzeugt den Großteil des Schubs.
"In den letzten Jahren wurde versucht, den Anteil der Luft, der durch die äußere Röhre strömt, immer weiter zu erhöhen, denn das vergrößert den Wirkungsgrad des Triebwerks", so Mühling weiter. Bereits bei heutigen Triebwerken erzeugt nach seinen Angaben der Fan bis zu 80 Prozent des Schubs. Die Münchner wollen nun zwölf- statt bislang achtmal mehr Luft außen herum strömen lassen als durch das Kerntriebwerk. Dazu müssen die Hersteller den Durchmesser des Fans vergrößern.
"Dabei tritt aber ein Problem auf", betont Mühling. Die Schaufelspitzen des Fans bewegen sich schneller und überschreiten die Schallgeschwindigkeit. "Das löst Schockwellen in der Luft aus, die den Wirkungsgrad herabsetzen." Das neue Getriebe erlaube es nun, dass der Fan langsamer läuft als die Turbine und die Schaufelspitzen deutlich unter der Schallgeschwindigkeit bleiben. "Die Turbine kann sich dank des Getriebes noch schneller drehen als üblich, was den Wirkungsgrad weiter erhöht."
Die neue Bauweise soll den Treibstoffverbrauch und damit den CO2-Verbrauch um 15 Prozent reduzieren. "Gleichzeitig werden wir den Stickstoffausstoß um 70 bis 80 Prozent gegenüber dem heutigen Standard senken“, meint Mühling. Pratt & Whitney liefert MTU dafür eine spezielle, mit Magerverbrennung arbeitende Brennkammer.
Das neue Triebwerk soll in den nächsten Tagen erstmals an einem Airbus A340 getestet werden.
"Bereits zwei oder drei Prozent weniger Kraftstoffverbrauch können darüber entscheiden, ob eine Airline schwarze oder rote Zahlen schreibt"
(Odilo Mühling)
Die Flugzeughersteller Bomardier und Mitsubishi haben laut Mühling bereits Triebwerke des neuen Typs für ihre Regionaljets bestellt. "Doch auch für Langstreckenjets eignet sich das Triebwerk", betont Mühling. (Odilo Mühling)
Ob diese oder auch andere Neuentwicklungen – wie etwa ein Triebwerk mit zwei gegenläufigen Fans, das Ingenieure des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt entwickeln – die Airlines aus der Schadstoff-Zwickmühle befreien werden, bleibt offen. Doch die Branche lechzt nach effizienten Triebwerken, wie Mühling unterstreicht. "In Zeiten explodierender Treibstoffpreise können bereits zwei oder drei Prozent weniger Kraftstoffverbrauch darüber entscheiden, ob eine Airline schwarze oder rote Zahlen schreibt."
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