Extrasolare Planeten: Weißer Zwerg nagt Riesenplaneten an
Eine ganze Menge Rätsel hat WD J0914+1914 dem Astronomen Boris Gänsicke und seinen Kollegen aufgegeben, aber nun steht fest: Der Weiße Zwerg umgibt sich mit einer Scheibe aus Gas, das er einem nahen Planeten stiehlt. Wie das internationale Team von der University of Warwick in England im Fachmagazin »Nature« berichtet, ist dies die beste Erklärung für das ungewöhnliche Spektrum der Sternleiche. Damit haben die Forscher den ersten Riesenplaneten entdeckt, der um einen Weißen Zwerg kreist.
Eigentlich war WD J0914+1914 als Doppelsternsystem identifiziert worden, in dem zwei Weiße Zwerge um den gemeinsamen Schwerpunkt kreisen. Doch etwas kam Gänsicke und seinen Kollegen seltsam vor, denn das Lichtspektrum des Systems passte nicht richtig zur Hypothese. Also sahen die Forscher genauer hin: Mit dem Very Large Telescope der Europäischen Südsternwarte ESO in Chile und dem Spektrografen X-Shooter analysierten sie die Zusammensetzung des Lichts und fanden heraus, dass WD J0914+1914 mehr mit einem von einer Trümmerscheibe umgebenen Stern gemeinsam hat als mit einem Doppelsternsystem. Solche Scheiben um Weiße Zwerge sind nicht selten: Da diese ausgebrannten Sternkerne sehr dicht sind, können ihre Gezeitenkräfte so stark sein, dass sie Kleinplaneten zerreißen und die Trümmer zu einer um sie kreisenden Staubscheibe zermahlen.
Als die Forscher eine solche Scheibe modellierten, konnten sie damit einen Großteil der Messdaten erklären. Trotzdem ließ das Objekt ihnen keine Ruhe. In ihren Simulationen erstreckt sich die Scheibe bis zu sieben Millionen Kilometer weit nach außen – ein sicherer Abstand, der gefährdete Kleinplaneten außer Reichweite der Gezeitenmühle bringen müsste. Auch die Zusammensetzung passt nicht zu zermahlenem Gestein: Die Gasscheibe besteht vorrangig aus Wasserstoff, Sauerstoff und Schwefel; typische Bestandteile von Silikatgesteinen wie Eisen oder Silizium sind rar. Ihre Schlussfolgerung: Die Scheibe besteht nicht aus Trümmern, sondern nur aus Gas – und dessen Zusammensetzung ist dem Inneren der Eisriesen unseres Sonnensystems verblüffend ähnlich.
Solch ein Planet würde WD J0914+1914 allerdings nicht wie Neptun jenseits der Eisgrenze umkreisen, sondern in einem Abstand von gerade einmal zehn Millionen Kilometern innerhalb von nur zehn Tagen. Zwar ist der Weiße Zwerg sehr klein und leuchtschwach, doch seine Oberfläche ist 28 000 Grad Celsius heiß und strahlt deshalb einen Großteil ihres Lichts im extremen Ultravioletten ab – genug Energie, um die Atmosphäre eines nahen Planeten zu verdampfen. Die Rate, mit der das Gas vom Planeten zum Weißen Zwerg strömt, ist dadurch genauso hoch – wenn nicht sogar höher – wie bei heißeren Planeten nahe normalen Sternen. Trotzdem wird WD J0914+1914 seinen planetaren Begleiter wohl nicht vollständig auffressen, sondern bloß ein wenig daran knabbern: Ist der Planet heute so groß wie Neptun, könnte der Weiße Zwerg gerade einmal vier Prozent von ihm verputzen, bevor er in 350 Millionen Jahren so kalt geworden ist, dass kein Gasdiebstahl mehr messbar ist.
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