Wissenschaft im Alltag: Weißes Gold aus der Alchemistenküche
Ob Kaffeetasse oder Suppenschüssel - Porzellan fehlt in keinem
Haushalt. Weil es nicht mit anderen Stoffen chemisch reagiert und demzufolge
auch keinen Geschmack annehmen kann, eignet es sich
besonders gut zum Garen und Servieren von Nahrungsmitteln.
Wie jede Keramik (nach griech. kéramos,
"Töpferton") besteht Porzellan aus gebrannten tonmineralhaltigen
Rohstoffen, ist hitzebeständig, hart und wasserdicht.
Hinzu kommt eine ansprechende Optik. Dünnwandige Teile
erscheinen sogar leicht transparent wie Glas – tatsächlich ist dieses Material ein erstarrtes Gemisch aus einer kristallinen und
einer glasförmigen Phase.
Als Rohstoffe dienen Feldspat, Quarz und Porzellanerde
(Kaolin) im Verhältnis 1:1:2. Hauptbestandteil des Kaolins ist
Kaolinit (chemische Formel Al2(OH)4[Si2O5]), hinzu kommen
Tonerde (Al2O3), Kieselsäure (SiO2) und Wasser. Die genaue
Zusammensetzung hängt davon ab, bei welchen Temperaturen
der Körper später gebrannt werden soll.
Diese Rohstoffe werden vom Zulieferer aufbereitet und zu Pulver gemahlen, beim Porzellanhersteller vermischt und dann durch Pressen, Drehen oder Gießen in Form gebracht.
Nach einem Vortrocknen erfolgt der erste Brand bei
zirka 1000 Grad Celsius (man spricht vom Glühbrand). Dabei
ver. üchtigt sich alles Wasser und ein fester, aber durchaus noch
poröser Rohling entsteht. Porzellan entsteht daraus erst beim
nächsten Brand, bei dem auch die Glasur aufgeschmolzen wird.
Die Rohstoffe dafür sind im Wesentlichen die schon genannten;
in eine solche Dispersion (Schlicker genannt) eingetaucht,
saugen die Poren des Rohlings durch Kapillarwirkung Flüssigkeit
auf, die Pulverteilchen werden dabei mitgezogen und bilden
eine dünne Schicht.
Jetzt folgt der so genannte Glattbrand, und zwar je nach
Porzellanart bei 1300 bis 1440 Grad: So genanntes Weichporzellan
wie das Vitreous China und das Bone China entsteht bei
der geringeren Temperatur, Hartporzellan bei der höheren. Ersteres
ist meist cremeweiß bis gelb und kommt im Haushalt zum
Einsatz, das rein weiße Hartporzellan hält den Belastungen in
Gastronomie, Krankenhäusern und Altersheimen besser stand.
Beim Glattbrand schmilzt Feldspat zuerst, sowohl im geformten
Körper als auch in der Glasur. In seiner Schmelze löst
sich dann der größte Teil des Quarzes. Das Kaolinit sorgt dafür,
dass der Körper formstabil bleibt. Außerdem bilden sich winzige,
Mullit genannte Kristalle aus Tonerde und Kieselsäure.
Das Ergebnis nach dem Abkühlen ist ein Körper aus siebzig
Prozent Glas, in den kleinste Kristalle aus Quarz (fünf Prozent)
und Mullit (25 Prozent) mit Durchmessern von 0,5 bis zehn
Mikrometern eingebettet sind. Die äußere durchsichtige Glasurschicht
ist etwa ein viertel Millimeter dick.
Der Körper schrumpft beim Glattbrand um bis zu 14 Prozent.
Dies macht die Konstruktion von Porzellanteilen sehr
schwierig. Vor allem dann, wenn zwei Teile, die ineinander passen
müssen, separat hergestellt werden – etwa eine Kanne mit
Deckel –, müssen die Designer das Schrumpfen genau berücksichtigen.
Nur selten erfolgt der Farbauftrag noch vor dem Glasurbrand.
Denn für Temperaturen um 1400 Grad gibt es nur
Schwarz, Blau und Grün als Farbe. Heute wird das Dekor automatisch
oder per Hand als Abziehbild aus einem Trägermaterial
und keramischen Farben aufgetragen und dann ein drittes
Mal gebrannt. Wird bis 900 Grad Celsius aufgeheizt, schmelzen
die Farben auf der Glasur und bleiben dort haften – so werden
zum Beispiel Goldränder aufgebracht –, bei 1280 Grad
dringen sie ein und sind so gegen Beschädigung geschützt.
Wussten Sie schon?
Steingut ist kein Porzellan, denn es wird beim ersten Brand auf 1100 bis 1300 Grad Celsius erhitzt, dadurch bilden sich durch das austretende Wasser Bläschen im Kristallgefüge. Es bleibt darum porös, und die Glasur, die danach bei 900 bis 1200 Grad aufgeschmolzen wird, kann deshalb leichter absplittern.
Die Belastbarkeit wird durch die Glasurhärte und die Kantenschlagfestigkeit angegeben. Die Härte wird meist nach der Skala des deutschen Mineralogen Friedrich Mohs (1773-1839) gemessen, der zehn Minerale so angeordnet hatte, dass das mit den höheren Werten das mit der niedrigeren Härte ritzen kann. Talk hat Härte 1, Diamant Härte 10. Hartporzellan mit 6-7 übertrifft Stahl (5-6), sodass Messer und Gabeln keine Kratzer im Teller hinterlassen. Die Kantenschlagfestigkeit ist vor allem für das stark beanspruchte gewerblich genutzte Porzellan von Bedeutung.
Porzellan lässt sich grundsätzlich färben, zumindest dann, wenn die Temperaturen des Glattbrands nicht mehr als 1300 Grad Celsius betragen. Dann zerfallen die Farbstoffe, oxidieren oder werden reduziert. Und wenn es doch glückt, sind die Farben nicht reproduzierbar. Einem deutschen Hersteller für Hotelporzellan, BHS-tabletop, gelang es im vergangenen Jahr erstmals, cremefarbenes Hartporzellan herzustellen – damit ähnelt es dem als edel empfundenen Chinaporzellan. Ein besonderer keramischer Farbstoff und die Steuerung der Prozessparameter beim Glattbrand waren dabei entscheidend.
Scherben ist der Töpferausdruck für jedes gebrannte Töpfergut. Das alte Sprichwort "Scherben bringen Glück" meinte also "Gefüllte Vorratsgefäße aus Ton bringen Glück".
Vermutlich wurde das erste Porzellan vor fast 1500 Jahren in China hergestellt. Im 13. Jahrhundert gelangte chinesisches Porzellan vereinzelt an europäische Fürstenhöfe und wurde dort mit Gold aufgewogen. Zwischen 1600 und 1730 entwickelte das Reich der Mitte daraus einen einträglichen Exportzweig, doch 1709 erfand der Alchemist Johann Friedrich Böttger (1682-1719) Porzellan zum zweiten Mal (als Zufallsprodukt beim Versuch der Goldherstellung). Sein Auftraggeber, König August der Starke, gründete daraufhin 1710 in Meißen die erste Porzellanmanufaktur Europas.
"Wissenschaft im Alltag" ist eine regelmäßige Rubrik in Spektrum der Wissenschaft. Eine Sammlung besonders schöner Artikel dieser Rubrik ist soeben als Dossier erschienen.
Diese Rohstoffe werden vom Zulieferer aufbereitet und zu Pulver gemahlen, beim Porzellanhersteller vermischt und dann durch Pressen, Drehen oder Gießen in Form gebracht.
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