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News: Weite Wanderung

Um der Überfischung der Meere vorzubeugen, sollen genau festgelegte Fangquoten die Bestände einzelner Arten regulieren. Dies gilt auch für den atlantischen Thunfisch, den man in zwei Populationen aufteilte - einer westlichen vor der nordamerikanischen Küste und einer östlichen einschließlich des Mittelmeeres. Während die westliche Population aufgrund des starken Rückgangs durch niedrige Fangquoten bereits geschützt wird, sahen die internationalen Fischereibehörden diese Notwendigkeit für die Thunfische im Ostatlantik nicht. Doch die festgelegten Fangquoten könnten auf einer falschen Annahme beruhen. Denn die elektronische Überwachung der Fische ergab, dass sie den gesamten Atlantik durchstreifen. Der starke Befang im Ostatlantik bedroht damit auch die Bestände im Westen.
Die meisten kennen ihn nur schön abgepackt aus der Dose, dabei gehört der Große Thunfisch (Thunnus thynnus) mit mehr als drei Metern Länge und fast 700 Kilogramm Gewicht zu den Giganten der Meere. Leider hat ihm der menschliche Appetit bereits stark zugesetzt. Seit den siebziger Jahren gingen insbesondere die Bestände vor der nordamerikanischen Küste durch Überfischung stark zurück. Damit die Thunfischdosen in Zukunft nicht leer bleiben, reguliert die International Commission for the Conservation of Atlantic Tunas (ICCAT) in Madrid die atlantischen Bestände.

Die Kommission geht dabei von zwei Populationen aus, die sauber am 45. Längengrad getrennt werden. Für die Bestände westlich dieser Linie gelten strenge Fangquoten. Im Ostatlantik sowie im Mittelmeer liegen die Fangquoten dagegen um das zehnfache höher, da hier noch genügend Thunfische gefangen werden. Ein möglicher Austausch zwischen diesen Populationen betrachtet die Fangkommission als unbedeutend.

Doch stimmt diese Annahme? Thunfische lassen sich nur schwer direkt beobachten, und so blieb lange unbekannt, was die Tiere so treiben. Barbara Block von der Stanford University wollte es allerdings genau wissen. Ab dem Jahr 1996 markierte sie zusammen mit anderen Kollegen insgesamt 377 Thunfische im Westatlantik mit elektronischen Sonden. Diese Geräte zeichnen alle zwei Minuten den geografischen Aufenthaltsort, die Wassertiefe und die Temperatur auf. Sie müssen dann nur noch wieder eingeholt und ausgewertet werden. Zunächst verließen sich die Wissenschaftler auf Fischer, welche die Sonden bei gefangen Thunfischen gefunden hatten und gegen Belohnung zurückschickten. Später bauten sie Sonden, die sich nach einem Jahr von dem Fischkörper lösten, an die Wasseroberfläche aufstiegen und ihre gesammelten Daten an Satelliten übertrugen.

Inzwischen liegen die Daten von 137 Thunfischen vor. Sie zeigen eine erstaunliche Tauchleistung der Tiere; Wassertiefen von über 1000 Metern scheinen für die Tiere kein Problem zu sein. Bei ihren Tauchgängen sind sie starken Veränderungen der Wassertemperaturen von knapp 30 Grad Celsius an der Oberfläche bis hinunter auf drei Grad Celsius in der Tiefe ausgesetzt. Dabei vermögen sie ihre Körpertemperatur leidlich konstant zwischen 25 und 26 Grad Celsius zu halten. Diese konstante Körpertemperatur der Thunfische, die ja eigentlich zu den wechselwarmen Tieren gehören, ermöglichen ihnen ein rasches Schwimmen auch bei kaltem Wasser.

Wichtiger als die physiologischen Daten dürften jedoch die Erkenntnisse über das Wanderverhalten der Thunfische sein. Denn mehr als 30 Prozent der Sonden entdeckten Fischer bei Tieren im Ostatlantik und im Mittelmeer. Die Thunfische sind also von West nach Ost quer durch den Atlantik gewandert, manche von ihnen kehrten im gleichen Jahr wieder zurück. Die von der ICCAT postulierten getrennten Populationen existieren demnach nicht. "Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass die im Westen markierten Thunfische durch die Fischerei im gesamten Atlantik bedroht sind", betonen die Wissenschaftler. Damit müssten die Fangquoten der Thunfische im gesamten Atlantik neu überdacht werden. Denn sonst verschwindet eines Tages der Meeresgigant – und die Dosen bleiben leer.

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