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Parasiten: Welche Krankheiten die alten Ägypter plagten

Es gibt abertausende Mumien aus Ägypten. Sie verraten nicht nur kulturelle Details, sondern auch welche Krankheiten in dem Land umgingen – und welche Rolle der Nil dabei spielte.
Mumie im CT-Scanner
Diese ägyptische Mumie schoben Fachleute 2017 in Hildesheim in einen Computertomografen. Das dortige Roemer- und Pelizaeus-Museum wollte unter anderem Erkenntnisse über Krankheitserreger gewinnen.

Mehr als 3000 Jahre währte die Pharaonenkultur des alten Ägypten und fast ebenso lang mumifizierten die Menschen am Nil ihre Toten. Die Funde von abertausenden einbalsamierten Leichen gewähren Fachleuten einen Einblick in die Kultur, in die Kunst und in religiöse Texte, aber auch in die Gesundheit der Bevölkerung. So hat der Paläopathologe Piers Mitchell von der University of Cambridge die Krankheitsgeschichte des Landes durchforstet – mit dem Fazit, dass sie sich von der medizinischen Historie anderer Zivilisationen jener Zeit unterscheidet. Eine entscheidende Rolle spielte dabei die Lebensader Ägyptens: der Nil.

Für seine Studie, die in der Fachzeitschrift »Advances in Parasitology« erschienen ist, analysierte Mitchell Daten aus 31 Forschungsarbeiten zu Mumien aus Ägypten und dem benachbarten Nubien (heute Südägypten und Sudan), wo sich vor rund 4000 Jahren ebenfalls eine frühe Zivilisation entwickelt hatte. Laut einer der gesichteten Studien wiesen 65 Prozent der Mumien parasitäre Würmer auf. In einer anderen Arbeit dokumentierten die Fachleute bei 40 Prozent der untersuchten Mumien Kopfläuse. Die Forscherinnen und Forscher suchten an den Leichnamen auch nach Spuren von Plasmodium falciparum, dem Parasiten, der die lebensgefährliche Malaria tropica verursacht. Mit dem Krankheitserreger waren 22 Prozent infiziert. Auf der Grundlage von zwei weiteren Studien vermutet Mitchell, dass etwa zehn Prozent der Menschen an Leishmaniose erkrankt waren. Dabei handelt es sich ebenfalls um eine lebensgefährliche Parasitenkrankheit, die unter anderem zu einer Vergrößerung der inneren Organe führen kann. »Ägypten und Nubien wurden stark von Parasiten heimgesucht, die mit hoher Wahrscheinlichkeit zum Tod führen oder eine chronische Erkrankung verursachen konnten«, sagt Mitchell.

Infektionskrankheiten dürften in fast jeder Kultur verbreitet gewesen sein, die weder Impfungen noch Antibiotika kannte oder Wasser aufbereiten und klären konnte. Allerdings spielte der Nil offenbar eine besondere Rolle, was die Art der Erkrankungen im alten Ägypten betraf. Obwohl dort eher trockene klimatische Bedingungen herrschten, waren Krankheiten, die von Vektoren – etwa Insekten – übertragen wurden wie die Malaria und Leishmaniose, weit verbreitet. Wie Mitchell erklärt, vermehren sich die Stechmücken, die Malaria-Parasiten in sich tragen, vor allem in den sumpfigen Abschnitten des Nils, und Sandmücken, die Menschen mit Leishmaniose infizieren können, kommen in trockenen und warmen Regionen vor.

Im Gegensatz dazu gab es im alten Ägypten auffallend wenige Krankheiten, die aus schlechten hygienischen Umständen resultieren. Peitschen- und Fadenwürmer beispielsweise, die meist als Eier in Ausscheidungen stecken und dann durch mangelnde Hygiene übertragen werden, waren in vielen Gesellschaften des Altertums verbreitet. Doch offenbar nicht so sehr in Ägypten. Mitchell führt dies auf die jährlichen Überschwemmungen des Nils zurück. Die Fluten trugen den fruchtbaren Nilschlamm an die Ufer des Flusses. Die Felder mit Dung zu düngen, sei deshalb nicht nötig gewesen, was auch die Verbreitung von parasitären Würmern verringerte. Völlig parasitenfrei war allerdings auch der Nil nicht: Wasserschnecken dürften welche in sich getragen haben. An Land könnte wiederum der Kultstatus der Katzen dazu beigetragen haben, dass sich die Toxoplasmose ausbreitete, vor allem unter Menschen, die in engen Kontakt mit den Vierbeinern kamen, etwa bei der Mumifizierung der Tiere oder in anderen kultischen Kontexten.

Parasiten im Gewebe

Für viele der Studien, die Mitchell sichtete, nutzten die Fachleute CT-Scans, um etwaiges erkranktes Gewebe in den Leichnamen aufzuspüren. Parasiten wie Guineawürmer (Dracunculus medinensis) beispielsweise bilden Geschwüre im Bindegewebe der Haut aus. Bisweilen fanden die Forschenden noch DNA-Schnipsel in den Mumien, mit denen sich eine Malaria- und Leishmanioseinfektion genetisch nachweisen ließ. Per Genanalyse entdeckten Wissenschaftler im Muskelgewebe einer Mumie auch Spuren einer Toxoplasmose. Bei jenen Menschen, die einst auf natürliche Weise mumifiziert worden waren, etwa im Wüstensand, untersuchten Fachleute die Eingeweide direkt. Bei einbalsamierten Verstorbenen waren die inneren Organe oft entfernt worden. Dann analysierten sie die Überreste, die in den so genannten Kanopenkrügen gefunden wurden. In diesen Gefäßen legten die Einbalsamierer die Leber, die Lunge, den Magen und den Darm in mumifiziertem Zustand ab.

Sicher ist: Die wohlhabende Elite des Landes konnte sich eine aufwändigere Einbalsamierung leisten als die unteren Schichten der Gesellschaft. Das bewahrte die Oberschicht jedoch nicht davor, zu Lebzeiten an denselben Leiden zu erkranken oder gar daran zu sterben wie weniger betuchte Menschen. »Unabhängig von der sozialen Schicht kann jeder, der infizierte Wasserquellen nutzt, erkranken«, sagt die Anthropologin Ivy Hui-Yuan Yeh von der Nanyang Technological University in Singapur. Sie war nicht an Mitchells Studie beteiligt. Das würde jedenfalls erklären, so Yeh, warum selbst Mumien von Königen und hochstehenden Beamten häufig mit Krankheiten infiziert waren. Der jugendliche Pharao Tutanchamun zum Beispiel, der einst von 1336 bis 1327 v. Chr. über Ägypten geherrscht hatte, war mit zwei verschiedenen Malariastämmen infiziert – ob er daran auch gestorben war, ist jedoch unbekannt.

Bestimmte Krankheiten, die an ägyptischen und nubischen Mumien nachgewiesen wurden, zeugen davon, dass die Ägypter in neue Regionen vorgestoßen waren. Leishmaniose fand sich beispielsweise bei 13 Prozent der nubischen Mumien, die aus der Zeit von 1500 bis 550 v. Chr. stammen. Und sie ist für 9,5 Prozent der ägyptischen Mumien des Mittleren Reichs, das von 2050 bis 1650 v. Chr. währte, belegt. Zu jener Zeit expandierten die Ägypter gen Süden – auf der Suche nach Gold und um Sklaven aus Nubien herbeizuschaffen. Da das Klima in Nubien trockener war und womöglich dort mehr Sandmücken umherschwirrten, sei es denkbar, »dass die Leishmaniose im alten Nubien endemisch war und auch die Ägypter betroffen haben könnte, die sich dort aufhielten«, schreibt Mitchell in seiner Studie.

Wie wirkten sich die verschiedenen Infektionskrankheiten auf die ägyptische Gesellschaft als Ganzes aus? Wie die Mikrobiologin Marissa Ledger von der kanadischen McMaster University annimmt, muss die hohe Krankheitslast im alten Ägypten und Nubien weit reichende Folgen gehabt haben. »Dinge wie eine Anämie (die durch Malaria verursacht wird) machen die Menschen müde. Sie wirken sich auch auf die Denkfähigkeit und sogar darauf aus, wie weit man an einem Tag laufen kann«, erklärt Ledger. »Wenn ein so hoher Prozentsatz von Menschen in einer Zivilisation mit chronischen Krankheiten wie diesen infiziert ist, hat das enorme Auswirkungen auf das Funktionieren der Gesellschaft als Ganzes.«

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