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Exoplaneten: Das Rezept für andere Erden

Geologen bündeln ihre Kräfte, um zu verstehen, welche Zutaten für lebensfreundliche Planeten notwendig sind. Doch die Sache ist komplizierter als gedacht.
Exoplaneten-System

Yingwei Fei und seine Kollegen verwendeten einen ganzen Monat sorgfältiger Arbeit darauf, drei Scheibchen aus dichtem Silikat herzustellen. Jedes dieser glänzenden runden Stückchen war weniger als einen Millimeter dick. Doch Anfang November 2017 war es Zeit, sich von den Scheibchen zu verabschieden. Fei verpackte diese und ein paar Ersatzstücke vorsichtig in Schaumstoff und sendete sie von Washington D. C. nach Albuquerque in New Mexico. Dort, an der Z Pulsed Power Facility der Sandia National Laboratories, sollen die Scheibchen schon bald, eines nach dem anderen, mit einer Stromstärke von 26 Millionen Ampere in Staub verwandelt werden.

Die Z-Maschine kann die extremen Bedingungen im Inneren eines explodierenden nuklearen Sprengkopfs replizieren. Doch Fei hat andere, außerirdische Ziele im Sinn. Der experimentelle Geologe vom Geophysical Laboratory der Carnegie Institution of Science hofft herauszufinden, wie Bridgmanit, ein tief unter der Erdoberfläche vorkommendes Mineral, sich bei den höheren Temperaturen und Drücken verhält, wie sie im Inneren größerer Gesteinsplaneten vorkommen, die andere Sterne umkreisen.

Das Experiment ist ein kleiner Beitrag zur Exogeologie – einem Forschungsgebiet, das Astronomen, Planetenforscher und Geologen zusammenbringt. Gemeinsam wollen die Wissenschaftler herausfinden, wie Exoplaneten geologisch aussehen. Viele Forscher sehen die Exogeologie dabei als Teil der Suche nach lebensfreundlichen Welten. Astronomen haben bereits Tausende von Exoplaneten entdeckt und so bereits eine Reihe statistischer Informationen über sie gesammelt, beispielsweise über die Verteilung ihrer Massen und Durchmesser. Planeten, die ihre Bahn in der lebensfreundlichen Zone – jener Region, in der die Temperatur gerade richtig ist, um flüssiges Wasser auf der Oberfläche zu ermöglichen – gelten naturgemäß als besonders vielversprechend bei der Suche nach Leben.

Die Erde hat mehr zu bieten als ihre vorteilhafte Umlaufbahn

Aber unsere Erde hat erheblich mehr zu bieten als nur ihre Größe, ihre Masse und ihre vorteilhafte Umlaufbahn, erläutert der Exogeologe Cayman Unterborn von der Arizona State University in Tempe. So erzeugt und erhält beispielsweise ihr wogender geschmolzener Kern ein Magnetfeld, das die empfindliche Atmosphäre unseres Planeten vor dem Sonnenwind schützt. Und die Bewegung der Kontinentalplatten hilft dabei, die globalen Temperaturen zu regulieren, indem sie Kohlendioxid zwischen Gestein und Atmosphäre zirkulieren lässt.

Die Zahl der aufgespürten Exoplaneten wächst weiter stetig an. Doch die Astronomen »bemerken gerade, dass sie nicht nur Planeten sammeln wollen – vielmehr wollen sie diese Planetensysteme verstehen«, erläutert Unterborn. »Deshalb ist es nur natürlich die Geologie ins Spiel zu bringen.« Die Wissenschaftler nutzen Simulationen und Experimente – wie Fei an der Z-Maschine – um herauszufinden, welche Art von Exoplaneten eine ähnliche Geologie haben könnte wie unsere Erde. Die Untersuchungen könnten, so die Hoffnung, dabei helfen, die richtigen Prioritäten bei der weiteren Erforschung einzelner Planeten zu setzen.

»Die Entdeckung der Plattentektonik hat die Geologie grundlegend gewandelt, aber wir wissen immer noch nicht, wie sie wirklich funktioniert«Richard Carlson

Das Forschungsgebiet sieht sich mit zahlreichen Herausforderungen konfrontiert, darunter nicht zuletzt mit einem Mysterium der irdischen Geologie: Wie und wann begann die Plattentektonik auf unserem Planeten? »Die Entdeckung der Plattentektonik hat die Geologie grundlegend gewandelt«, sagt Richard Carlson, Geochemiker an der Carnegie Institution, »aber wir wissen immer noch nicht, wie sie wirklich funktioniert.« Und auch der Nachweis, dass ein Exoplanet eine ähnliche Geologie besitzt wie die Erde, dürfte schwierig sein. Denn Astronomen beobachten Exoplaneten nur selten direkt – und selbst wenn, ist der Planet auf den gewonnenen Aufnahmen nicht größer als ein einzelner Pixel.

Doch selbst indirekte Hinweise auf geologische Aktivität könnten den Forschern ein vollständigeres Bild der fernen Welten liefern sowie darauf, welche die besten Kandidaten für die Suche nach Leben sind. »Es ist, als käme man an den Tatort eines Verbrechens und es gäbe dort kaum Spuren«, erklärt die Astrophysikerin Sara Seager vom Massachusetts Institute of Technology in Cambridge. »Man leistet Schwerstarbeit, um die dürftigen Beweise zusammenzukratzen und versucht, diese irgendwie zusammenzufügen.«

»Es ist, als käme man an den Tatort eines Verbrechens und es gäbe dort kaum Spuren«Sara Seager

Zu den aufregendsten Objekten der Exoplanetenforschung zählen die Super-Erden. Zu diesen Gesteinsplaneten mit bis zur zehnfachen Masse der Erde gibt es keine Parallele in unserem Sonnensystem. Doch in der Galaxis sind sie offenbar ziemlich häufig. Und da sie ziemlich groß sind, sind sie einfachere Ziele für detaillierte Beobachtungen als erdgroße Planeten.

Die ersten, vor etwa zehn Jahren veröffentlichten Untersuchungen der Geologie von Super-Erden befassten sich mit der Frage, wie diese Planeten aussehen würden, wenn sie einfach vergrößerte Versionen der Erde wären. Doch dann belehrte der 2004 entdeckte, sengend heiße Planet 55 Cancri e die Forscher, dass Super-Erden ganz anders sein können. Der Planet besitzt etwa den doppelten Durchmesser und etwas mehr als die achtfache Masse der Erde, wie Beobachtungen aus dem Jahr 2011 zeigen. Damit ist seine mittlere Dichte nur geringfügig größer als jene der Erde – und das stellte die Forscher vor ein Problem.

Denn wenn 55 Cancri e wie die Erde einen Kern aus Eisen und einen Mantel aus Silikaten besäße, müsste er bei seinem Durchmesser eine erheblich größere Masse aufweisen. Ein den ganzen Planeten umhüllender Ozean könnte die mittlere Dichte zwar in etwa auf den irdischen Wert reduzieren. Aber der Planet ist viel zu heiß, als dass ein solcher Ozean lange bestehen könnte: Seine Umlaufbahn ist so eng, dass die Temperatur auf der Tagseite einen Wert von etwa 2500 Kelvin erreicht.

»Das war eine Art Offenbarung: Damit unterscheidet sich 55 Cancri eradikal von allem, was wir im Sonnensystem kennen!«Nikku Madhusudan

Nikku Madhusudhan von der Yale University und seine Kollegen versuchten einen neuen Ansatz und fanden so 2012 eine Lösung für das Rätsel. Frühere Untersuchungen hatten bereits Hinweise darauf geliefert, dass der Zentralstern des Planeten ein deutlich höheres Verhältnis von Kohlenstoff zu Sauerstoff aufweist als die Sonne. Ein Stern und seine Planeten entstehen aus der gleichen wirbelnden Scheibe aus Gas und Staub. Es ist daher naheliegend anzunehmen, dass auch 55 Cancri  e reich an Kohlenstoff ist. Als Madhusudhan diesen zusätzlichen Kohlenstoff in seinem Modell berücksichtigte, konnte er Masse und Größe des Planeten reproduzieren. »Das war eine Art Offenbarung«, so der Forscher, der jetzt an der University of Cambridge in England tätig ist. Eine solche Welt wäre wahrhaft fremdartig. Madhusudhan vermutet, dass die Kruste des Planeten hauptsächlich aus Graphit besteht. Und im Inneren des Planeten würde der hohe Druck große Mengen des Kohlenstoffs zu Diamant komprimieren. »Damit unterscheidet sich der Planet radikal von allem, was wir im Sonnensystem kennen!«

Ein Planet aus Diamant beflügelt die Fantasie – aber der Zentralstern von 55 Cancri e enthält möglicherweise doch weniger Kohlenstoff als zunächst angenommen. Und selbst wenn der Anteil an Kohlenstoff höher wäre, sei keineswegs klar, dass ein Planet ebenfalls einen hohen Kohlenstoffanteil besitzt, warnen manche Astronomen. Seager weist darauf hin, dass diese Annahme nicht einmal mit der Vielfalt der Planeten in unserem Sonnensystem in Einklang zu bringen ist. »Im Augenblick mag es eine vernünftige Annahme sein, aber es ist wichtig zu bedenken, dass sie alles andere als hieb- und stichfest ist«, betont auch der Astronom Gregory Laughlin von der Yale University.

Wie man Planeten baut

Die Exogeologen sind sich dieser Unsicherheiten bewusst und versuchen ihr Bestes herauszufinden, wie sich ferne Planeten bilden und entwickeln. Um von einer Liste der am Anfang der Planetenentstehung vorhandenen Elemente zur Geologie der Exoplaneten zu gelangen, müssen die Forscher herausfinden, welche Mineralien sich bilden, wann diese schmelzen und wie ihre jeweilige Dichte von Druck und Temperatur abhängen. Mit diesen Daten lässt sich dann die Entwicklung eines Planeten von einer undiffenzierten geschmolzenen Kugel zu einer geschichteten Struktur simulieren, in deren Verlauf sich bei der Abkühlung Mineralien bilden und entweder absinken oder an der Oberfläche bleiben. »Wir können so eine Art mineralogisches Zwiebelschalenmodell des Aussehens eines Planeten bei seiner Geburt entwickeln«, sagt der Geologe Wim van Westrenen von der Freien Universität Amsterdam. Dann, so der Forscher weiter, lässt sich mit Hilfe numerischer Modelle die weitere Evolution des Planeten vorhersagen und die Frage beantworten, ob die Bewegung der Materie im Inneren des Planeten ausreicht, eine Plattentektonik in Gang zu setzen.

Um die für diese Modelle nötigen Informationen zu sammeln, setzen Geologen synthetisches Gestein hohen Temperaturen und Drücken aus, um so die Zustände im Inneren von Planeten nachzustellen – so wie es auch Fei und seine Kollegen tun. Zwar ist das Ziel dieser Experimente neu, die Herangehensweise ist es jedoch nicht. Schon seit Jahrzehnten haben Gesteinswissenschaftler – auch Petrologen genannt – Instrumente entwickelt, mit denen sich die Bedingungen im Erdinneren simulieren lassen, von wenigen Zentimetern unter der Oberfläche bis in den inneren Kern unseres Planeten hinein. Viele Forscher verwenden dazu Diamantstempelzellen. Diese Apparate pressen Materie zwischen den stupfen Spitzen zweier Diamanten mit Edelsteinqualität zusammen. Während eine Materialprobe dem hohen Druck ausgesetzt ist, kann sie zusätzlich mit Hilfe eines Lasers aufgeheizt werden. Gleichzeitig können die Forscher die Probe mit Röntgenstrahlen beschießen und so die kristalline Struktur des Materials und ihre Veränderung durch Druck und Temperatur untersuchen.

Mehrere Forschergruppen, darunter der Mineralphysiker Sang-Heon Dan Shim von der Arizona State University und seine Kollegen, haben auf diese Weise kohlenstoffreiches Material, das möglicherweise der Zusammensetzung von 55 Cancri e ähnelt, untersucht. Die Analysen zeigen, wie der Wärmetransport auf Planeten funktioniert, die von Karbiden – eine bestimmte Form von Kohlenstoffverbindungen – dominiert werden, und wie sich solche Körper von silikatdominierten Planeten wie der Erde unterscheiden.

»Die großen Drei« beeinflussen die Geologie dramatisch

Aber Kohlenstoff ist nicht das einzige interessante Element. Unterborn bezeichnet Magnesium, Silizium und Eisen als »die großen Drei«, die über die wesentliche Struktur eines Planeten entscheiden, weil sie den Wärmefluss im Mantel und die relative Größe des Kerns beeinflussen. Damit hängt von den »großen Drei« auch ab, ob es auf dem Planeten Plattentektonik gibt und ob er ein Magnetfeld besitzt. Die relativen Anteile dieser Elemente variieren bei Sternen in einem weiten Bereich. In der Sonne finden wir genauso viele Magnesiumatome wie Siliziumatome. In anderen Sternen stoßen wir auf Verhältnisse von 0,5 bis 2 für die Häufigkeit dieser Atome. Die Unterschiede mögen gering erscheinen, aber wenn diese Verhältnisse auch für Planeten gelten, können sie deren Geologie dramatisch beeinflussen.

In den meisten Lehrbüchern steht, magnesiumreiches Gestein sei weicher als siliziumreiches. So weich, dass man auf einer magnesiumreichen Welt im Gestein wie in irdischem Matsch einsacken könnte. Shims hat mit seiner Diamantstempelzelle Gesteine mit unterschiedlichem Magnesium-Silizium-Verhältnis untersucht. Seine Ergebnisse deuten darauf hin, dass magnesiumreiche Planeten tiefere Magmareservoire besitzen könnten als siliziumreiche und damit auch mehr Vulkane, die katastrophal ausbrechen können. Doch Shim warnt, dass auch andere Parameter, wie etwa die Konzentration von Wasser in den Mineralien, eine wichtige Rolle spielen.

Mit zwei Diamanten kann Shen einen Druck von bis zu 400 Gigapascal anwenden, das ist etwas mehr als der Druck im Erdkern. Um das Innere von Super-Erden zu untersuchen, musste der Forscher sich deshalb eines weiteren Hilfsmittel bedienen: den hellsten Röntgenlaser der Welt, die Linac Coherent Light Source am SLAC National Accelereator Laboratory in Kalifornien. Damit kann er Stoßwellen im Inneren der Materialprobe erzeugen, die einen Druck von bis zu 600 Gigapascal aufbauen – genug, um die Kerne von Planeten bis zur doppelten Erdmasse zu simulieren.

Ein Druck wie im Inneren von Jupiter

Geologen nutzen noch weitere große Einrichtungen, um den Aufbau von Exoplaneten zu untersuchen. Die Z-Maschine kann bis zu 1000 Gigapascal erreichen – einen solchen Druck erwarten die Forscher im Kern von Planeten mit der dreifachen Erdmasse. Laseranlagen in Frankreich und Japan decken einen ähnlichen Bereich ab. Und einige Forscher nutzen die National Ignition Facility am Lawrence Livermore National Laboratory in Kalifornien, eine Anlage zur Untersuchung der Kernfusion, mit der Materialproben sogar einem Druck von bis zu 5000 Gigapascal ausgesetzt werden können – einem Druck wie im Inneren von Jupiter. Diese Experimente befinden sich derzeit noch in einer vorläufigen Phase, Forschungsgruppen konkurrieren um Messzeiten an den Einrichtungen, nur langsam sammeln sie Daten über eine große Zahl unterschiedlicher Ausgangsstoffe für den Planetenaufbau.

Die Exogeologen hoffen, auf diesem Weg die richtige Mischung an Elementen zu finden, die Exoplaneten mit einer erdähnlichen Geologie ergeben. »Ich würde gern die lebensfreundliche Zone für die Zusammensetzung der Elemente eines Planeten identifizieren«, sagt die Geologin Wendy Panero von der Ohio State University. »In welchem Bereich liefert die Zusammensetzung Gestein, das nicht zu weich und nicht zu hart ist?«

Vielleicht gibt es auf diese Frage keine eindeutige Antwort. Selbst eine exakte Kenntnis der Zusammensetzung reicht möglicherweise nicht aus, um Geologen den genauen Zustand des Planeten zu liefern. Die Erde besaß in ihrer frühen Entwicklung beispielsweise noch keine Plattentektonik – und die Forscher erwarten nicht, dass die Kontinentalverschiebung für immer andauert. Und unser Nachbarplanet Venus zeigt, wie weit die Evolution ähnlicher Planeten auseinandergehen kann. Die Venus ähnelt der Erde in Masse, Größe, Zusammensetzung und im Abstand von der Sonne. Aber während es auf der Erde Leben gibt, ist die von Kohlendioxid umhüllte Venus tot.

Endet die Erde wie die Venus, nämlich tot?

Der Geologe Stephen Mojzsis von der University of Colorado in Boulder vermutet, dass das Ende der Plattentektonik auf der Erde dazu führen wird, dass unser Planet schließlich ebenso wird wie die Venus. »Es ist unausweichlich«, so der Forscher, »wir wissen nur nicht, wann es passiert.« Während sich also die ersten Modelle von Exoplaneten auf die Zusammensetzung konzentrieren, müssen die Exogeologen langfristig wohl weitere Faktoren berücksichtigen – beispielsweise mehrere Milliarden Jahre der planetarischen Evolution.

Die Venus im ultravioletten und infraroten Licht | Betrachtet man unsere innere Nachbarin Venus im Teleskop, so zeigt sich der Planet dem Auge als grellweiße Sichel ohne jegliche weitere Merkmale. Die permanente Wolkendecke der Venus, die überwiegend aus konzentrierter Schwefelsäure besteht, reflektiert im sichtbaren Licht den größten Teil der auf sie treffenden Sonnenstrahlung zurück ins All. Fotografiert man die Venus dagegen im infraroten oder ultravioletten Licht, so enthüllt sich dem Kameraauge eine hochdynamische und wechselhafte Atmosphäre mit ausgeprägten Wolkenstrukturen und Stürmen. Dieses Bild wurde aus Daten der japanischen Raumsonde Akatsuki vom US-amerikanischen Amateurbildbearbeiter Kevin Gill zusammengesetzt. Es kombiniert Bildinformationen im ultravioletten (weiße und blaue Farbtöne) mit Bilddaten aus dem infraroten Spektralbereich (bräunliche Farbtöne). Die Kombination zeigt die Venus am 17. Mai 2016 und erlaubt einen Einblick in die Struktur der Venusatmosphäre.

Manche Forscher erwarten, dass diese Arbeiten den Astronomen dabei helfen, die besten Kandidaten für die Suche nach Leben auszuwählen. Wenn die Wissenschaftler die Bedingungen kennen würden, die nötig sind, um über Milliarden von Jahren ein Magnetfeld aufrechtzuerhalten, oder wenn sie wüssten, welche Mischung von Elementen nötig ist, um eine Konvektion im Mantel anzutreiben, dann könnten sie ihre Kollegen dazu auffordern, genau jene Welten genauer unter die Lupe zu nehmen, die all diese Bedingungen erfüllen. Die Astronomen würden dann ihre mächtigen Teleskope – etwa das James Webb Space Telescope der NASA, dessen Start für 2019 geplant ist – auf diese Planeten richten und ihre Atmosphären nach Hinweisen auf fremde Lebensformen absuchen.

Es könnte sogar möglich sein, geologische Aktivität aus der Ferne nachzuweisen. Ein vorübergehender Anstieg von Schwefel in der Atmosphäre könnte beispielsweise ein Hinweis auf einen aktiven Vulkan sein. Veränderungen des Reflektionsvermögens im Verlauf der Rotation könnten auf die Existenz von Kontinenten und Ozeanen deuten, was zugleich wiederum ein Hinweis auf tektonische Aktivität wäre.

Vulkanismus bei einem Exoplaneten?

Tatsächlich gab es bereits Diskussionen um eine mögliche Entdeckung von Vulkanismus bei einem Exoplaneten, nämlich 55 Cancri e. Der Astronom Brice-Olivier Demory von der Universität Bern und seine Kollegen veröffentlichten 2016 eine erste Wärmekarte des Planeten, erstellt mit dem Infrarot-Weltraumteleskop Spitzer der NASA. Der Planet rotiert gebunden, weist seinem Zentralstern also stets die gleiche Seite zu. Eine Hemisphäre des Planeten ist also permanent der Strahlung des Sterns ausgesetzt, während die entgegengesetzte Hemisphäre im ewigen Dunkel liegt. Die Planetenoberfläche sollte am wärmsten an jenem Punkt sein, der direkt unter dem Stern liegt. Doch Demory und seine Kollegen fanden heraus, dass der wärmste Punkt dagegen verschoben ist. Sie postulierten, ein Lavastrom sei dafür verantwortlich. Neuere Arbeiten anderer Forscher zeigen allerdings, dass auch Wind die Ursache sein könnte.

»Ich glaube nicht, dass wir Menschen auch nur im entferntesten so fantasievoll und kreativ sind wie die Natur«Richard Carlson

Es ist klar, dass 55 Cancri e alles andere als lebensfreundlich ist. Doch andere Welten könnten einladender sein. Anfang des vergangenen Jahres vervollständigte Unterborn eine Untersuchung von mehr als 1000 sonnenähnlichen Sternen. Aus ihren Zusammensetzungen folgerte der Forscher, dass ein Drittel dieser Sterne Planeten besitzen könnte, deren Kruste dicht genug wäre, um in den Mantel abzusinken – ein Prozess, der für mehrere Jahrmilliarden Plattentektonik antreiben könnte.

Zwar fangen die Wissenschaftler gerade erst damit an, die Geologie von Exoplaneten zu erforschen. Aber Carlson weist darauf hin, dass die Untersuchung dieser fernen Welten schon jetzt viele Überraschungen hervorgebracht hat. Beispielsweise die Erkenntnis, dass viele Planeten nicht am Ort ihrer Entstehung verbleiben, sondern eine geradezu dramatische Migration durch ihr System unternehmen. Diese Entdeckung regte die Astronomen dazu an, auch die Entwicklung unseres Sonnensystems zu überdenken: Vielleicht haben ähnliche Prozesse beispielsweise Wassereis zur Erde geliefert.

»Ich glaube nicht, dass wir Menschen auch nur im entferntesten so fantasievoll und kreativ sind wie die Natur«, sagt Carlson. »Wenn wir die Vielfalt dort draußen verstehen, kann das unsere Augen für andere Möglichkeiten öffnen. Und es sind diese anderen Möglichkeiten die uns dabei helfen, unseren eigenen Platz im Kosmos besser zu verstehen.«

Dieser Text ist im Original unter dem Titel The Labs that Forge Distant Planets here on Earth am 6. Dezember 2017 in »Nature« erschienen. Nature 552, 20-22 (2017) doi: 10.1038/d41586-017-07844-y

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