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News: Weltenbummler

Das Eindringen von fremden Arten in einen neuen Lebensraum hat für die einheimische Flora und Fauna oft fatale Konsequenzen. Es entsteht nicht nur eine neue Konkurrenz um die begrenzten Ressourcen Wasser, Boden, Licht und Nahrung. Auch Symbiosen zwischen Arten sind plötzlich gefährdet. Am Beispiel der Argentinischen Ameise, die in Südafrika einwanderte, haben jetzt Forscher gezeigt, welche Folgen ein Organismus auf das gesamte Ökosystem haben kann, wenn er "Schlüsselarten" Konkurrenz macht.
Weltenbummler wissen, wo es schön ist: Und der Argentinischen Ameise Linepithema humile war es in ihrer Heimat schon lange zu eng. Als blinder Passagier reiste sie mit Kaffeeschiffen im 19. Jahrhundert zunächst nach Nordamerika und schaffte es wenig später auch über den großen Teich ins kleinste, immergrüne Florenreich dieser Erde: nach Fynbos oder "feiner Busch", wie die deutsche Übersetzung lautet.

Fynbos ist der äußerste Zipfel der Kaphalbinsel in Südafrika, südwestlich von Kapstadt. Seine Artenvielfalt ist enorm: Allein 600 verschiedene Erika-Arten leben hier, von zahlreichen gefährdeten Tier- und Pflanzenarten, die ein sensibles Gleichgewicht bilden, ganz abgesehen. Hungrige Eindringlinge sind für ein solches Ökosystem meist eine verheerende Katastrophe.

So auch bei der Argentinischen Ameise: Seit ihrem Ankommen sind bereits zwei einheimische Ameisenarten ausgestorben, mit denen sie um Ressourcen des Lebensraumes wie Wasser, Nahrung und Boden konkurriert. Zwei andere lokale Spezies teilen sich jetzt mit den Neubürgern den Lebensraum auf. Doch noch eine viel weiter reichende Folge ihres Eindringens tat sich auf.

Caroline Christian von der University of California in Davis stellte bei ihren Untersuchungen fest, dass in Regionen, in denen Argentinische Ameisen leben, rund zehnmal weniger Pflanzen nach einem Buschbrand keimen als in unbeeinträchtigten Arealen. Aber was haben Pflanzen mit Ameisen zu tun? Fynbos-Ameisen sammeln frisch ausgefallenen Pflanzensamen, den sie in ihre Nester eintragen. Diese Vorräte erweisen sich neben einer Nahrungsquelle für die Ameisen bei einem Buschbrand, der die Halbinsel etwa alle 15 bis 30 Jahre periodisch heimsucht, als Lebensretter für rund ein Drittel der Pflanzenarten. Aus ihnen können sich die Spezies regenerieren.

Ein Teil der Fynbos-Pflanzen braucht das Feuer auch, um überhaupt erfolgreich zu keimen. Deshalb ist das Folgejahr nach einen Brand eigentlich das artenreichste auf der Halbinsel. Doch Argentinische Ameisen sammeln keine Samen, fand Christian heraus. Da sie darüber hinaus die Samen eintragenden Arten aus ihren Lebensräumen verdrängen, wird deren bisherige Beute jetzt meist von Nagern verspeist und macht dann zwar die Mäuse satt – aber kommende Pflanzengenerationen gehen leer aus. Besonders große Samen werden in Regionen, in denen die Eindringlinge leben, häufiger das Opfer von Nagern.

Bei den Argentinischen Ameisen ist die Struktur ihrer Kolonie der Erfolgsgarant. Die Aggressionen der Artgenossen untereinander sind gering, so dass mehrere hundert Königinnen in einer Kolonie oder in nahe gelegenen Tochterkolonien nebeneinander leben können. Trifft eine solche Masse auf ein Territorium anderer Ameisen, werden diese schlichtweg oft ausgezählt. Argentinische Ameisen schaffen es darüber hinaus, sich Nahrungsressourcen der neuen Umgebung rasch zugänglich zu machen und das Gelände gleichzeitig zu erobern. Andere Ameisenarten sind meist mit einem Problem vollauf beschäftigt: Der mögliche Erfolg eines Gebietes wird dem Erreichen des Zieles auf einem anderen geopfert.

In Fynbos ist es vielleicht sogar so, dass die Argentinische Ameise pflanzenfressende Tiere beeinflussen kann. Weniger Nahrung kann auch hier bei Spezialisten zu schrumpfenden Populationen führen. Die Folgen von eingeführten oder verschleppten Tier- und Pflanzenarten auf ein Ökosystem sind meist unübersehbar und von langer, teilweise irrevesibler Wirkung. Mit wachsendem Handels- und Reiseverkehr trägt der Mensch wesentlich zur Verbreitung von fremder Fauna und Flora bei.

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