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Weltformel: Das Ende der Stringtheorie?

Sheldon Cooper wäre enttäuscht: Ein einziges Teilchen könnte die Stringtheorie zu Fall bringen, die jahrzehntelang als Kandidat für eine Weltformel galt.
Viele Welten
Laut Stringtheorie könnten wir in einem Multiversum leben. Doch vielleicht lässt sich die Theorie schon bald widerlegen.

Die Stringtheorie hat nicht nur viel Aufmerksamkeit in der Fachwelt erregt, sondern auch schon längst den Sprung in die Popkultur geschafft: In der beliebten Serie »The Big Bang Theory« erforscht der schrullig-geniale Charakter Sheldon Cooper die winzigen Fädchen, die unsere Welt durchziehen könnten.

Doch in den vergangenen Jahren wurde der Ansatz stark kritisiert. Bislang gab es weder Hinweise auf die Dutzenden neuen Teilchen, welche die Theorie vorhersagt, noch auf die zusätzlichen sechs Raumdimensionen. Und möchte man aus der Stringtheorie ableiten, wie sie die Welt auf der für uns wahrnehmbaren Makroebene beschreibt, ergeben sich unzählige verschiedene Lösungen. Damit besitzt sie keine Vorhersagekraft – und lässt sich aktuell weder überprüfen noch widerlegen.

Für eine physikalische Theorie ist das so etwas wie der Todesstoß. Aber nun haben Forscher um die Physikerin Rebecca Hicks von der University of Philadelphia eine Möglichkeit gefunden, wie sich die Stringtheorie mit Hilfe von Teilchenbeschleunigern widerlegen ließe – gesetzt den Fall, dass sie in der Natur nicht realisiert ist. Ihre Ergebnisse haben sie in der Fachzeitschrift »Physical Review Research« veröffentlicht.

Eine fragwürdige Weltformel

Die Stringtheorie könnte eine Weltformel sein: eine Theorie, die alle Prozesse in unserem Universum beschreibt. Sie soll hierzu die zwei Grundpfeiler der modernen Physik in sich vereinen, das Standardmodell der Teilchenphysik und Einsteins Gravitationstheorie. Laut der Stringtheorie sind die Grundbausteine unserer Welt nicht punktförmig, sondern eindimensional. Winzige Fädchen durchziehen demnach Raum und Zeit und erzeugen mit ihren Schwingungen alle Teilchen und Kräfte, die wir um uns herum wahrnehmen.

Die Stringtheorie ist für einige Fachleute extrem ansprechend, unter anderem, weil sie »schön« ist; sie besitzt viele Symmetrien. Offenbar zu viele. Denn in unserer Welt ließen sich bisher keine Hinweise darauf erblicken. Ebenso wenig auf die zusätzlichen sechs Raumdimensionen, welche die Stringtheorie vorhersagt. Deshalb gehen Forschende des Gebiets davon aus, dass die überschüssigen Dimensionen winzig klein aufgerollt sind, wodurch sie nicht wahrnehmbar sind. Die genaue Form, welche die Dimensionen dabei einnehmen, ist nicht bekannt. Und das sorgt für Probleme. Denn abhängig von der genauen Gestalt der aufgerollten Dimensionen ergeben sich völlig unterschiedliche Weltmodelle. Und noch wurde keine Version gefunden, die unserem Universum entsprechen könnte.

Calabi-Yau-Mannigfaltigkeiten | Mit Hilfe von Calabi-Yau-Mannigfaltigkeiten kann man angeben, wie die Extradimensionen der Stringtheorie »zusammengeknüllt« werden könnten.

Durch die vielfältigen Formen der aufgerollten Raumdimensionen gibt es unzählige Möglichkeiten, was die Stringtheorie alles vorhersagen könnte. Und dafür hagelte es Kritik: Ist es überhaupt noch eine wissenschaftliche Theorie, wenn sie keine Vorhersagekraft hat und nicht widerlegbar ist?

Mit einer Theorie brechen

Allerdings haben die Fachleute um Hicks einen Weg gefunden, um die Stringtheorie möglicherweise auszuräumen. Denn wie ihnen auffiel, sagt die Theorie auf Teilchenebene bislang nur ganz bestimmte Zusammensetzungen von verschiedenen Teilchenfamilien voraus. Deswegen äußern sie die Vermutung – die sie künftig beweisen möchten –, dass sich aus der Stringtheorie generell gewisse Teilchenkonstellationen nicht ergeben können. »Das ist zwar nur eine Vermutung, aber eine sehr gut begründete«, schreiben Hicks und ihr Team in ihrer Veröffentlichung.

Eine der vermuteten »verbotenen« Teilchenkonstellationen betrifft das bekannte Standardmodell der Teilchenphysik, dem man ein einzelnes so genanntes Majorana-Teilchen hinzufügt (also ein Teilchen, das sein eigenes Antiteilchen ist), etwa ein »Wino«. Dieses gilt als Kandidat für die Dunkle Materie. »Dieses Szenario ist in keiner bekannten String-Konstruktion realisiert, und wir vermuten, dass dies für die Stringtheorie im Allgemeinen gilt«, schreiben die Fachleute. Ließe sich ein solches Teilchen aufspüren, so die Forschenden, würde das wahrscheinlich beweisen, dass die Stringtheorie in der Natur nicht realisiert ist.

Am europäischen Kernforschungszentrum CERN wurde bereits erfolglos nach Hinweisen auf so ein Wino gesucht, was die Eigenschaften eines solchen hypothetischen Teilchens einschränkt – aber es noch nicht ganz ausschließt. Die Fachleute beschreiben, dass künftige Teilchenbeschleuniger, etwa ein Myonenbeschleuniger, weitere Erkenntnisse liefern könnten. Vielleicht werden Laborexperimente in den kommenden Jahren schon die Stringtheorie als Weltformel ausschließen. Zum Glück ist »The Big Bang Theory« bereits abgedreht, sonst würde das die Drehbuchautoren vor einige Schwierigkeiten stellen.

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  • Quellen
Baumgart, M. et al., Physical Review Research 10.1103/PhysRevResearch.7.023184, 2025

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