Weltraummüll: Durch Klimawandel drohen mehr Kollisionen im All

Der menschengemachte Klimawandel hat zur Folge, dass Objekte auf erdnahen Umlaufbahnen länger im All bleiben. Dadurch droht eine Vermehrung des Weltraumschrotts, was wiederum die Raumfahrt erschweren würde. Zu diesem Ergebnis kommt ein Forschungsteam um William Parker vom Massachusetts Institute of Technology (MIT) in Cambridge, USA.
Der anthropogene Klimawandel resultiert daraus, dass die Menschheit massenweise Kohlenstoffdioxid und andere Treibhausgase freisetzt. Der weltweite anthropogene Gesamtausstoß beläuft sich auf etwa 50 Milliarden Tonnen CO2-Äquivalente jährlich – etwa 100-mal so viel, wie alle Vulkane der Welt zusammen freisetzen. Treibhausgase halten Wärmestrahlung, die von der Erdoberfläche abgegeben wird, in der unteren Atmosphärenschicht gefangen, was diese aufheizt. In den höheren Atmosphärenschichten kehrt sich der Effekt jedoch um – hier wirken CO2 und andere Treibhausgase kühlend. Da die Abkühlung eines Gases zu einer Verringerung seines Volumens führt, ziehen sich die oberen Atmosphärenschichten infolge des menschengemachten Klimawandels zusammen.
Von besonderem Interesse ist hier die so genannte Thermosphäre, die Atmosphärenschicht zwischen 80 und zirka 800 Kilometer Höhe. In dieser Schicht bewegen sich die Internationale Raumstation sowie tausende Satelliten, die für Dienste wie Internet, Kommunikation, Navigation und Wettervorhersage wichtig sind. Auch große Mengen Weltraumschrott kreisen dort, beispielsweise Teile von ausrangierten Satelliten, alte Raketenstufen oder Überreste von ausgebrannten Triebwerken.
Wenn die Thermosphäre schrumpft, nimmt in großen Höhen ihre Dichte ab. Folglich erfahren Objekte, die dort kreisen, weniger Reibungswiderstand in der Atmosphäre und werden somit weniger stark abgebremst. Dadurch bleiben sie länger auf ihren Umlaufbahnen. Entsprechend steigt das Kollisionsrisiko für neue Satelliten in diesen Regionen. Stoßen Objekte in Erdumlaufbahnen zusammen, entstehen unzählige Trümmerteile, die jahrzehnte- oder jahrhundertelang im Orbit verbleiben und das Risiko von Folgekollisionen erhöhen.
Parker und sein Team haben simuliert, wie sich verschiedene mögliche Szenarien des Klimawandels auf die obere Atmosphäre und die Vorgänge in erdnahen Orbits auswirken. Wenn die weltweiten Treibhausgasemissionen weiter steigen, so das Ergebnis, könnte die »Satellitentragfähigkeit« erdnaher Umlaufbahnen bis zum Jahr 2100 um 50 bis 66 Prozent zurückgehen. Es ließen sich dann entsprechend weniger Satelliten dort aussetzen, ohne eine unkontrollierbare Kettenreaktion von Kollisionen zu riskieren.
»Die obere Atmosphäre befindet sich in einem fragilen Zustand, da der Klimawandel den Status quo stört«, äußert Parker in einer Pressemitteilung. »Gleichzeitig hat die Zahl der Satellitenstarts massiv zugenommen, vor allem für die Bereitstellung von Breitband-Internet aus dem All. Wenn wir diese Aktivitäten nicht sorgfältig steuern und unsere Emissionen reduzieren, könnte der erdnahe Weltraum überfüllt werden, was zu mehr Kollisionen und mehr Weltraumschrott führen würde.«
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