Direkt zum Inhalt

Waldbrände: Feuerhölle auf Erden

In den USA waren die Waldbrände dieses Jahr verheerend, Gleiches gilt für Australien. Der Klimawandel ist schuld! Oder greift das zu kurz?
Waldbrand in Santa Clarita, Kalifornien

Wie in einem Endzeitfilm war der Himmel über Kalifornien tagelang in Blutrot getaucht. Dicke Rauchschwaden waren über die Westküste der USA gezogen und ließen kaum Sonnenstrahlen durch. Die US-Schriftstellerin Vendela Vida, die in San Francisco lebt, wähnte sich auf dem Planeten Mars – oder fühlte sich gar an die Hölle erinnert. Sie fragte sich wie wahrscheinlich fast alle Menschen in den stark betroffenen Bundesstaaten Oregon, Washington, Montana und Idaho: Ist das die Apokalypse, vor der Klimaforscher schon lange warnen? Der Anfang vom Ende?

Selbst in weiter Ferne waren Überbleibsel der Brände sichtbar. Mitte September, zum Höhepunkt der späten Sommerhitze, verdeckten Schleierwolken den Himmel über Europa. Die verdünnten Rauchschwaden hatten es mit einer Westströmung bis über den Atlantik geschafft. Zusätzlich sahen wir die unwirklichen, dystopischen Bilder in den Medien; Aufnahmen aus einer anderen Welt – oder gar aus einer anderen Zeit. Viele posteten passend Bilder der Hollywood-Fortsetzung »Blade Runner 2049« von Denis Villeneuve, der Los Angeles in einen düsteren Moloch verwandelte, und verglichen sie mit dem wahrhaftigen Himmel über San Francisco. Die Message lautete: Die Zukunft beginnt jetzt.

Und noch ist es nicht vorbei: 76 Großfeuer auf einer Fläche von 15 000 Quadratkilometern wüten noch in den USA, teilt die nationale Feuerbehörde NIFC auf ihrer Homepage mit. Der Sommer 2020 brachte das zweit-, dritt- und viertgrößte Feuer, das jemals in Kalifornien registriert wurde. Mehr als 28 000 Quadratkilometer Fläche sind bereits verbrannt – eine Fläche fast so groß wie Brandenburg. Mehr als 30 Menschen starben. Die Brände weiten sich seit Jahren immer stärker aus, immer mehr Fläche wird ein Raub der Flammen.

Keine einfachen Antworten

An den Anblick solcher Katastrophenbilder hat man sich in diesem Katastrophenjahr 2020 fast gewöhnt. Schon im Januar verwandelten die drittgrößten Buschbrände der Geschichte den Südosten Australiens wochenlang in eine glutrote Rauchhölle; eine Fläche halb so groß wie Deutschland verbrannte, Dutzende Menschen und schätzungsweise anderthalb Milliarden Tiere starben.

Ein Jahr, zwei verheerende Flächenbrände: Zufall, nur eine fürchterliche Laune der Natur? Schließlich vergeht in Kalifornien kein Spätsommer ohne Brände, einige Ökosystem sind gar auf Feuer angewiesen. Oder doch eher »Klimafeuer«, die in Zukunft noch schlimmer wüten werden, weil die Wahrscheinlichkeit für solche Feuerwetterlagen durch den Klimawandel zunimmt?

Antworten darauf sind alles andere als trivial. Denn an Waldbränden sind etliche Prozesse beteiligt – und der Mensch nimmt darauf auf unterschiedliche Weise Einfluss. Wo und wie sehr es brennt, hängt vom Waldmanagement ab, von der Bodenart, von der Landnutzung und nicht zuletzt von Unbelehrbaren, die in trockenen Wäldern zündeln. Ebenso richtig ist allerdings, dass die Atmosphäre Bedingungen schafft, die darüber entscheiden, wie anfällig ein Habitat ist, Feuer zu fangen. Zu klären wäre also, in welchem Ausmaß tatsächlich die Erderwärmung die Brände im westlichen Nordamerika anheizte. Naturphänomene nur auf den Klimawandel zu schieben, könnte dazu führen, dass man zusätzliche menschengemachte Probleme übersieht.

Außergewöhnlich heißer Sommer

Die Wetterdaten jedenfalls sprechen eine deutliche Sprache: Der Südwesten der USA erlebte im Jahr 2020 einen außergewöhnlich warmen und trockenen Sommer. Der Monat August war in Kalifornien der wärmste seit Aufzeichnungsbeginn. Eine Hitzewelle Mitte des Monats brachte vielerorts Rekordwerte, im Death Valley wurden 130 Grad Fahrenheit gemessen, das sind 54,4 Grad Celsius. Falls der Wert bestätigt wird, wäre das ein neuer August-Rekord. Die extreme Hitze tritt in Kalifornien dreimal so häufig und deutlich intensiver auf als noch in den 1960er Jahren. Da die vorangehenden Jahre ebenfalls heiß waren und nur wenig Niederschlag fiel, verstärkte sich die Dürre.

Dass solche extremen Hitzeperioden inklusive Dürre allein auf die natürlichen Schwankungen des Klimasystems zurückzuführen wären, ist sehr unwahrscheinlich, wie eine aktuelle Studie in »Science Advances« belegt. Die Autoren untersuchten sehr trockene und heiße Phasen in den vergangenen 122 Jahren und fanden heraus, dass diese deutlich zugenommen haben und sich mittlerweile über immer größere Gebiete erstrecken. Während in den 1930er Jahren natürliche Schwankungen die Hauptursache für trockenheiße Phasen waren, hat sich der beobachtete Erwärmungstrend in den letzten Jahrzehnten zum dominierenden Faktor entwickelt, schreiben die Autoren.

Trockene Böden durch »Dampfhunger« der Luft

Durch die hohen Temperaturen verdunsten die Böden mehr Wasser, weil das Sättigungsdefizit der Luft mit zunehmender Wärme steigt – und sie mehr Wasser aufnehmen kann. Physiker bezeichnen das Sättigungsdefizit auch als »Dampfhunger«. Je wärmer also die Luft, desto mehr Feuchte wird dem Boden entzogen. Dieser Effekt macht sich auch hier zu Lande seit Jahren bemerkbar. Das Maß, mit dem sich dieser Klimatrend am besten nachzeichnen lässt, ist die so genannte Bodenfeuchte. Und diese sinkt vielerorts.

Auf Grund der stärkeren Verdunstung in einer wärmeren Welt kommt es zwar auch zu vermehrten Niederschlägen. Allerdings fällt der Regen nicht unbedingt dort, wo das Wasser verdunstet, so dass sich die Wasserknappheit in ohnehin schon trockenen Gebieten verschärfen kann. Zudem verringert sich in trockenen Böden dessen hydraulische Leitfähigkeit, weshalb gilt: Fällt doch einmal Regen, sickert er kaum ein, sondern perlt an der Oberfläche ab und wird in Flüsse und Seen gespült.

Die Autoren einer Studie, die im Jahr 2019 in der amerikanischen Fachzeitschrift »Earth's Future« erschien, sehen in diesem steigenden Dampfhunger den Auslöser für den starken Anstieg der Waldbrände seit den 1970er Jahren. In diesem Zeitraum hat sich die jährliche Waldbrandfläche in Kalifornien verfünffacht. Allerdings warnt die nationale Feuerbehörde NIFC auf ihrer Homepage vor einem solchen Vergleich von Waldbranddaten. Die Quellenlage der Daten vor dem Jahr 1983 sei unklar, und sie sollten nicht mit späteren Daten verglichen werden. Reichen solche Untersuchungen dennoch aus, um bereits von Klimafeuern zu sprechen?

Nicht alle Forscher sind überzeugt. Laut dem emeritierten Klimawissenschaftler Hans von Storch ist es weiterhin unklar, welche Einflüsse dominant sind. Er nennt Faktoren wie die Wetterbedingungen und die Verfügbarkeit von leicht entzündlichem Material, aber auch die Fähigkeit des Menschen, die Brände und deren Ausbreitung zu verhindern. Bei der Attributionsstudie des World Weather Attribution Project zu den Bränden in Australien im März sei es jedenfalls nicht gelungen, den Klimawandel empirisch belastbar als dominanten Faktor herauszuarbeiten, sagt Hans von Storch.

»Weiterhin ist unklar, welche Einflüsse dominant sind«Hans von Storch, Klimawissenschaftler

Im Zusammenhang mit der starken Hitze in Kalifornien vertreten manche Klimaforschern die Hypothese, der Jetstream sei durch den Klimawandel schwächer geworden. Der Jetstream besteht aus Starkwinden, die rund um den Globus in einer Höhe von etwa zehn Kilometern von Westen nach Osten wehen. Sein »Abflauen« habe die diesjährige Hitzephase verursacht, weil Hochdruckgebiete nicht vom Fleck gekommen seien.

Diese These steht allerdings empirisch auf sehr wackligen Füßen; in den Wetterdaten findet sich dafür bislang kein Beleg. Daher gehen Forscher überwiegend davon aus, dass derartige persistente Wetterlagen nicht häufiger auftreten als früher. Auswertungen des deutschen und englischen Wetterdienstes belegen das.

Bei der Ursache für die diesjährigen schweren Brände in kalifornischen Wäldern könnte überraschenderweise sogar die Corona-Krise eine Rolle gespielt haben. Durch die Maßnahmen litt die Waldpflege, und in kalifornischen Wäldern starben etliche Millionen Bäume, die als Totholz am Boden lagen und durch die große Dürre stark entzündlich waren. Es lässt sich aber nur sehr schwer abschätzen, wie viel mehr tote Bäume aus den Wäldern hätten entfernt werden können, würde es die Pandemie nicht geben. Insofern sind die Aussagen des Präsidenten Donald Trump, die Bundesstaaten hätten ihre Wälder nicht genügend aufgeräumt, zwar nicht grundsätzlich falsch, aber vor dem Hintergrund, dass ein Großteil der Wälder der US-Bundesregierung gehört, eher als geschicktes Ablenkungsmanöver vor der eigenen Verantwortung zu deuten.

Nichtsdestoweniger ist das Waldmanagement ein nicht zu unterschätzender Faktor, der Brände begünstigen oder verhindern kann. Bei den Buschbränden in Australien spielte zum Beispiel zu intensive Abholzung eine Rolle, wie eine Studie zeigte. Dadurch gab es etwa mehr leicht entflammbares Material, das auf dem Boden zurückblieb. Zudem trockne durch eine geringere Waldhöhe der Waldboden schneller aus. Erst durch den massenweise Zunder in den Wäldern entfaltet das Feuer seine verheerende Wirkung. Deshalb gehört es zur Strategie der zuständigen Behörden, gezielt und absichtlich kleine Feuer zu legen, damit sich das Unterholz nicht anhäuft. Wie und in welchem Maß die Behörden in den USA in den vergangenen Jahren das Forstmanagement vernachlässigt haben, ist Gegenstand aktueller Debatten.

Hinzu kommt, dass Siedlungen naturgemäß vor allem dann Opfer der Flammen werden, wenn sie sich in feuergefährdeten Gebieten befinden. Und in den letzten Jahren und Jahrzehnten haben Menschen vermehrt in ebensolchen Regionen Häuser errichtet. Damit erhöht sich offensichtlich das Risiko für Brände, die materiellen Schaden anrichten. Zusätzlich verhinderten solche Siedlungen teilweise eine wirksame Waldpflege.

Fazit: Es gibt keine einfache Antwort darauf, weshalb die Welt in Flammen steht. Global gesehen trifft Letzteres eigentlich nicht einmal zu – im Gegenteil: Satellitenaufnahmen zeigen, dass die weltweit verbrannte Fläche in den letzten Jahrzehnten sogar tendenziell abgenommen hat, regionale Ausnahmen einmal ausgenommen. Auf diese für viele Klimaschützer eher überraschende Tatsache weist der Klimaforscher Eduardo Zorita vom Helmholtz-Zentrum in Geesthacht schon seit geraumer Zeit hin. An einer Sache ändert das allerdings nichts: Für den teilweise erschreckenden Zustand der Erde ist der Mensch verantwortlich – so oder so.

Schreiben Sie uns!

Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.

Partnerinhalte

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.