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Fortpflanzung: Wen Schwangerschaftsübelkeit am stärksten trifft

Übelkeit und Brechreiz sind zum Leidwesen vieler Frauen Teil ihrer Schwangerschaft. Beeinflusst extreme Übelkeit aber sogar das Geschlechterverhältnis?
Schwangerschaftsübelkeit

Drei von vier werdenden Müttern plagen sich während der Schwangerschaft zumindest mit leichter Übelkeit und Erbrechen. Bei einem kleinen Teil von ihnen können die Beschwerden auch sehr heftig werden: Sie leiden unter der schweren Form namens Hyperemesis gravidarum (HG) und müssen sich mehr als fünfmal am Tag übergeben. Eine Studie in Schweden, die insgesamt mehr als 1,65 Millionen Schwangerschaften statistisch ausgewertet hat, zeigt, wen es am ehesten trifft und welche Folgen dies für die Schwangerschaft haben kann. Einen statistisch signifikanten Zusammenhang entdeckten Lena  Edlund an der Columbia University in New York und ihre Kollegen beispielsweise zwischen HG und dem sozioökonomischen Status der Mütter. Wenn eine Frau ihre Ausbildung mit 16 Jahren komplett abgeschlossen hatte, war die Wahrscheinlichkeit, dass ihre Schwangerschaft mit massiven Beschwerden einherging, um mehr als 75 Prozent höher.

Auch das Risiko für Fehlgeburten oder Abgänge erhöhte sich bei HG deutlich: Von den 18 000 erfassten Fällen endete bei 6000 die Schwangerschaft vorzeitig. Die Wissenschaftler vermuten zudem, dass davon doppelt so viele männliche wie weibliche Föten betroffen waren. Denn während normalerweise etwas mehr Jungen als Mädchen auf die Welt kommen, kehrt sich bei HG-Betroffenen das Verhältnis um: 56 Prozent der letztlich noch gebärenden Frauen brachten Töchter zur Welt. Dieses Ergebnis stützt eine alte Hypothese von Robert Trivers und Dan Willard: In guten Zeiten werden eher Söhne, in schlechten eher Töchter geboren. Übertragen auf die Studie in Schweden könnte dies ebenfalls bedeuten, dass wirtschaftlich schwache und durch die Übelkeit stark belastete Frauen eher Töchter zur Welt bringen. Frühere Studien hatten bereits auf Zusammenhänge zwischen traumatisierenden Ereignissen und einem sich ändernden Geschlechterverhältnis hingewiesen: So ging etwa während des nordirischen Bürgerkriegs ebenso wie nach dem Massaker von Anders Breivik in Norwegen der Anteil der neugeborenen Söhne leicht, aber statistisch feststellbar zurück.

HG könnte zumindest ein Auslöser für diese Verschiebungen sein, so Edlund. Schließlich sorgt es dafür, dass der Körper massiv Nährstoffe ausscheidet, ohne sie ausreichend zu verwerten. Und da strenge Diäten ebenfalls schon als Ursache für sich ändernde Geschlechterverhältnisse in Verdacht geraten sind, sei dieser Zusammenhang nicht abwegig. Dazu passt, dass männliche Föten Schwangeren mehr abverlangen; sie haben einen höheren Energiebedarf, was eventuell mit ihrer Hormonproduktion schon im Mutterleib zusammenhängt. Allerdings ist noch nicht ganz geklärt, was die Übelkeit überhaupt auslöst. Möglicherweise spielt das Hormon humanes Choriongonadotropin (hCG) eine Rolle, das für den Erhalt der Schwangerschaft wichtig ist, aber in höheren Konzentrationen das Unwohlsein auslöst. Dieses wiederum scheint häufiger in größeren Mengen ausgeschüttet zu werden, wenn weibliche Föten vorhanden sind. Das unterschiedliche Geschlechterverhältnis wäre dann nicht die Folge von HG.

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