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News: Wenig ist schon zu viel

Die Meerechsen von Galapagos machen uns deutlich, dass kleine Dinge leider eine große Wirkung haben können. Denn nach einem Tankerunglück in ihren Heimatgewässern gingen die Tiere im folgenden Jahr reihenweise ein - obwohl die Konzentrationen vergleichsweise niedrig lagen. Die Ursache könnte sein, dass das Öl spezialisierte Bakterien im Darm der Echsen beeinträchtigt.
Am 17. Januar 2001 ging eine Schreckensmeldung um die Welt: Vor der Insel San Cristóbal, in dem einzigartigen Ökosystem der Galapagos-Inseln, war der Tanker Jessica auf Grund gelaufen. Etwa 600 000 Liter Diesel und 300 000 Liter schweres Heizöl flossen in den folgenden Tagen ins Meer, erste ölverseuchte Tiere mussten bereits geborgen werden. Das Wetter verhinderte damals eine größere Katastrophe: Westwinde trieben den Ölteppich von der Insel weg und verhinderten so eine weitere Verschmutzung der Küsten, wenn auch einige der westlichen Nachbarn, wie die Insel Santa Fe, in Mitleidenschaft gezogen wurden.

Noch einmal Glück gehabt, dachten viele. Doch das erleichterte Aufatmen kam zu früh, wie eine Studie von Wissenschaftlern um Martin Wikelski von der Princeton University nun zeigt. Schon seit einigen Jahren verfolgen die Forscher die Populationsentwicklung verschiedener Gemeinschaften von Meerechsen (Amblyrhynchus cristatus) auf den Inseln. So waren sie in der Lage, die langfristigen Folgen des Tanker-Unglücks aufzudecken.

Und die Zahlen sind erschreckend. Denn obwohl im Laufe des folgenden Jahres die Ölkonzentrationen im Meerwasser vor Santa Fe mit 44 parts per million (ppm) im Vergleich zu internationalen Standards gering waren, ging die Todesrate der Echsen drastisch in die Höhe: Fast zwei Drittel der auf San Fe lebenden Algenfresser überlebten das folgende Jahr nicht, während auf der vom Öl verschonten Insel Genovesa die Mortalität vernachlässigbar war.

Da die Tiere nicht direkt nach dem Unglück starben und auch in den folgenden Wochen auf Nahrungssuche gingen, schließen die Wissenschaftler einen direkten toxischen Effekt des Öls auf die Echsen aus. Und auch die Algenteppiche, das Hauptnahrungsmittel der Pflanzenfresser, entwickelten sich normal – genug Futter war also vorhanden. Wikelski und seine Mitarbeiter vermuten daher, dass die Tiere starben, weil das Öl spezialisierte Bakterien im Darm der Echsen schädigte. Diese Untermieter bauen die Zellwand der Algennahrung ab und erleichtern so ihren Wirten die Verdauung.

Sollten die Mikroorganismen tatsächlich empfindlich auf das Öl reagieren, würden die Echsen unter gravierenden Verdauungsproblemen leiden – beziehungsweise ihre Nahrung nicht ausreichend verwerten können. Der dadurch entstehende Stress spiegelt sich in gestiegenen Gehalten des Hormons Corticosteron wider, die letztendlich auch die Sterblichkeit erhöhen.

"Unsere Ergebnisse verdeutlichen die schwerwiegenden Auswirkungen, die geringe Umweltverschmutzung bereits auf Wildtiere haben kann", betonen die Wissenschaftler. Es gäbe keinen Grund, kleiner anmutende Unfälle nicht so ernst zu nehmen. Denn dass die Folgen dramatisch sein können, zeigen die Meerechsen von Santa Fe.

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